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Brüssel/Würzburg: Von A bis Z ohne Y: Schnellkurs Europa

Brüssel/Würzburg

Von A bis Z ohne Y: Schnellkurs Europa

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    Eine Europaflagge flattert im Wind. 
    Eine Europaflagge flattert im Wind.  Foto: Horst Ossinger

    A      Amtssprache

    In den 28 Mitgliedstaaten gibt es 24 Amtssprachen – auch wenn Deutsch nach wie vor die am häufigsten gesprochene Sprache ist. Im Alltag der Europäischen Union werden in der Regel aber nur drei Sprachen benutzt: Französisch, Englisch und Deutsch. Dennoch macht die babylonische Sprachenvielfalt viel Arbeit. Pro Jahr übersetzen die rund 2500 fest angestellten Übersetzer und Dolmetscher über zwei Millionen Seiten an Dokumenten und Rechtstexten. Denn nur die amtliche Übersetzung der EU gilt als verbindliche Grundlage für die Mitgliedstaten.  

    B      Binnenmarkt

    Der Binnenmarkt ist ein Wirtschaftsraum, in dem seit 1993 der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital ausgebaut wird. Er gilt als Kern-Element der Europäischen Einigung und als Hauptursache für die Überwindung der wirtschaftlichen Stagnation Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre. Nach Angaben der Europäischen Kommission hat der Binnenmarkt seit seiner Gründung mehrere Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und für einen zusätzlichen Wohlstand im Wert von über 1000 Milliarden Euro gesorgt. Dank der Binnenmarktvorschriften sind die Roaming-Gebühren weitgehend abgeschafft worden; Verbraucher können auch am Strand von Mallorca oder in Finnland ihre Streaming-Abos nutzen und Bundesliga-Spiele sehen; Haushalte und Unternehmen in ganz Europa dürfen heute ihre Strom- und Gasversorger frei wählen. Und wer fliegt, hat starke Rechte als Passagier, wenn der Flug verspätet ist oder gar gecancelt wird. Die Überwachung des Marktes gehört zu den wichtigsten Aufgaben der EU-Kommission.    

    C      Charta der Grundrechte

    Die Charta legt erstmals die auf EU-Ebene geltenden Grundrechte schriftlich fest. Dazu zählen etwa Meinungs- und Religionsfreiheit, der Datenschutz sowie die Rechte von Kindern und Asylsuchenden. Sie orientiert sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention und wurde ursprünglich von einem Konvent unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog erarbeitet. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 2009 wurde sie rechtsverbindlich. Die enthaltenen Grundrechte sind seither von jedem EU-Bürger sowohl vor nationalen Gerichten als auch in letzter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) einklagbar. Im Dezember 2007 wurde das Dokument von den drei Präsidenten der Kommission, des Parlamentes und der Ratspräsidentschaft offiziell proklamiert.  

    D      Dublin-II-Verordnung

    Über kaum ein Papier wurde zuletzt so gestritten, wie über diese Vereinbarung zum Umgang mit Asylbewerbern. Die wichtigsten Bestimmungen lauten: Für die Prüfung eines Asylwunsches ist der Staat zuständig, den der Bewerber als erstes betritt. Landet er also in Frankfurt, muss Deutschland das Asylverfahren durchziehen. Kommt der Betreffende in Griechenland an, muss Athen für Aufnahme und Anerkennung (oder Abschiebung) sorgen. Eine weitere Regel besagt, dass im Falle eines Familiennachzugs das Land verantwortlich ist, in dem das bereits eingereiste Mitglied lebt. Die Dublin-II-Verordnung aber implodierte 2015, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt überschritt. Auf dem Tisch liegt ein Reformvorschlag der Kommission. Sie will eine zentrale Verteilung der Zuwanderer entsprechend von Quoten auf alle Mitgliedstaaten. Doch vor allem Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei blockieren eine Einigung.  

    E      Europa

    Der griechischen Mythologie zufolge war es Göttervater Zeus höchstpersönlich, der sich in die schöne Europa verguckte. Ganz Mann verwandelte er sich in einen Stier, damit seine Frau Hera nichts merkte, und entführte Europa über das Meer auf die griechische Insel Kreta. Dort zeigte er sich wieder als Göttervater und hatte drei Kinder mit Europa. Gemäß einer alten Prophezeiung der Liebesgöttin Aphrodite erhielt der Kontinent später den Namen der schönen Frau. Forscher gehen davon aus, dass er „die Frau mit der weiten Sicht“ bedeutet.  

    F      Frontex

    Der Name der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten mit Sitz in Warschau leitet sich von dem französischen Wort für Außengrenzen „frontières extérieures“ ab. Der EU-Ministerrat hat sie im Jahr 2004 in Folge der Verschiebung der östlichen Außengrenzen der EU und der zunehmenden illegalen Immigration im Mittelmeerraum ins Leben gerufen. Frontex soll bis 2027 von derzeit 1500 auf 10.000 Polizeibeamte, Verwaltungs- und Abschiebungsspezialisten ausgebaut und mit neuen Kompetenzen ausgestattet werden. Umstritten ist auch das Mandat: Die EU-Kommission möchte Frontex zum Grenzschutz notfalls auch ohne die Erlaubnis eine Mitgliedslandes stationieren können.  

    G     Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

    Die Gemeinsame Agrarpolitik gehört zu den wichtigsten Aufgaben der EU. Allerdings ging ihr Anteil am Gesamthaushalt der Union von weit über 50 Prozent auf zuletzt 39 Prozent zurück. Sie besteht aus zwei Säulen: Zum einen die Direktbeilhilfen für landwirtschaftliche Betriebe. Zum zweiten die Entwicklung des ländlichen Raums. Hierunter fallen alle Umweltschutzaufgaben, die von den Bauern inzwischen geleistet werden. Denn die EU will keine Landwirtschaft mehr, die so viel wie möglich aus den Böden herausholt. Deshalb hat die EU in den vergangenen Jahren auch einen Abschied von dem Pestizid-Einsatz vollzogen, der allerdings erst schrittweise greift.    

    H      Hymne

    Neben der blauen Flagge mit den zwölf goldenen Sternen besitzt die EU noch ein zweites Symbol: die Europa-Hymne. Die Melodie ist der Neunten Symphonie Ludwig van Beethovens entnommen. Mit dem letzten Satz vertonte das Musik-Genie die „Ode an die Freude“ von Friedrich von Schiller. Das Gedicht entsprang dessen idealistischer Vision der Menschen, die zu Brüdern werden – eine Idee, die Beethoven teilte. 1972 nahm der Europarat die „Ode an die Freude“ als eigene Hymne an. Herbert von Karajan wurde damit beauftragt, drei Instrumentalfassungen - für Solo-Piano, Blas- und Symphonieorchester - zu arrangieren. 1985 erklärten die Staats- und Regierungschefs der Union das Stück zur offiziellen Hymne der EU. Es soll Ausdruck der idealistischen Werte Freiheit, Frieden und Solidarität sein, für die Europa steht. Nach Auffassung einiger Parlamentarier hat die Hymne nur einen großen Nachteil: Es gibt keinen gemeinsamen Text, so dass man sie nicht singen kann. Und einige stoßen sich auch daran, das im bisherigen Text nur von „Brüdern“ die Rede ist, nicht aber von „Schwestern“.  

    I       Initiativrecht

    Eigentlich ist das Europäische Parlament inzwischen ein gleichwertiger Gesetzgeber – wie die Kommission auch. Eigentlich – denn noch fehlt der Abgeordnetenkammer ein wichtiges Instrument, das für jedes Parlament der Welt selbstverständlich ist: das Initiativrecht. Konkret bedeutet dies, dass das EU-Abgeordnetenhaus von sich aus keine Gesetze anstoßen kann. Derzeit bleiben den Volksvertretern nur Entschließungen, um die Kommission zu drängen, sich mit einer Fragestellung zu befassen. In der nächsten Legislaturperiode soll dieses Initiativrecht nun Wirklichkeit werden. Damit würde das Europäische Parlament entscheidend aufgewertet.    

    J      Justizielle Zusammenarbeit

    Die EU-Staaten koordinieren die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Polizei, Asyl sowie Migration. Das vom EU-Vertrag definierte Ziel ist ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa, der die Grund- und Freiheitsrechte des Einzelnen achtet. Ein wesentlicher Schritt dahin ist der Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen. Im polizeilichen und justiziellen Bereich geht es vor allem um eine bessere Zusammenarbeit der nationalen Strafverfolgungsbehörden - etwa durch einen elektronischen Austausch der Strafregisterdaten. Die EU-Behörden Europol und Eurojust helfen diesen bei der Koordinierung der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten im Bereich der grenzüberschreitenden Kriminalität sowie des internationalen Terrorismus. In der vergangenen Legislaturperiode kamen die Europäische Staatsanwaltschaft und der Europäische Haftbefehl dazu. Bei der Harmonisierung des Zivilrechts und der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen sind bereits große Fortschritte erzielt worden. Doch insgesamt steckt dieser Politikbereich eher noch in den Kinderschuhen, handelt es sich doch um traditionell nationale Hoheits-Sphären. Ein großes Problem besteht in der unterschiedlichen Bewertung von Straftaten sowie den angedrohten Sanktionen.  

    K      Kommission

    Die Europäische Kommission führt das Tagesgeschäft, ist die „Exekutive“ der Gemeinschaft. Sie versteht sich als „Motor der Integration“. Als „Hüterin der EU-Verträge“ wacht die Kommission über die Anwendung und Einhaltung des Gemeinschaftsrechts, ein Regelwerk mit inzwischen 88.000 Seiten. Bei Verstößen kann sie vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klagen. Gegen einzelne Unternehmen darf die Kommission als oberste Kartellbehörde der EU hohe Geldbußen verhängen, wenn diese den Wettbewerb behindern. Die Kommission amtiert fünf Jahre und besteht aus dem Kollegium der 28 Kommissare (einer pro Land, der Präsident wird eingerechnet), die von ihrer Funktion her in mancher Hinsicht mit nationalen Fachministern innerhalb eines Kabinetts vergleichbar sind. Sie werden von den Mitgliedsstaaten der EU nach Brüssel entsandt. Das wichtigste Arbeitsinstrument der Kommission sind die Generaldirektionen der einzelnen Fachbereiche.  

    L      Lissabonner Vertrag

    Der Lissabonner Vertrag trat 2009 in Kraft und steht in der Tradition der vorangegangenen europäischen Verträge von Maastricht, Nizza und Amsterdam. Die Bedeutung des neuen Vertrages, der in der portugiesischen Hauptstadt unterzeichnet wurde, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er machte das Parlament zu einem vollwertigen und gleichberechtigten Mitgesetzgeber mit Kommission und Ministerrat, dem eigentlich nur die Möglichkeit fehlt, ein Gesetz zu initiieren (Initiativrecht). Die beiden Jobs des Ratspräsidenten und der Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik wurden neu geschaffen. Die Mitgliedstaaten versprechen sich gegenseitigen Beistand, wenn ein Land von außen bedroht wird. Als entscheidender Teil gilt vor allem die Charta der Menschenrechte, die die EU damit allen ihren bisher 503 Millionen Bürgern garantiert.    

    M     MdEP

    MdEP ist die Abkürzung für „Mitglied des Europäischen Parlamentes“, eine Bezeichnung, die die künftig 705 (heute 751) Abgeordneten hinter ihrem Namen tragen dürfen. Der Artikel 7 des Direktwahlaktes legt übrigens fest, dass dieses Mandat für die europäische Volksvertretung nicht jeder ausüben darf. Ausgeschlossen sind zum Beispiel Mitglieder einer nationalen Regierung oder eines nationalen Parlamentes (seit 2004). Auch Angehörige der EU-Kommission sowie Richter, Generalanwälte oder der Kanzler am Europäischen Gerichtshof sind nicht zugelassen. Ebenso wie Direktoriumsmitglieder der Europäischen Zentralbank, des Europäischen Rechnungshofes, des Wirtschafts- und Sozialausschusses oder Direktoriumsmitglieder der Europäischen Investitionsbank. Der Grund dieser Vorschrift: Man wollte Doppel-Mandate bzw. Interessenskonflikte vermeiden.

    N        Nettozahler

    Aus der Differenz zwischen den finanziellen Leistungen, die die einzelnen Mitgliedstaaten an die Europäische Union (EU) abführen und den Leistungen, die sie von der EU erhalten, ergibt sich aus der Sicht der Mitgliedstaaten entweder ein positiver Saldo (Nettoempfänger) oder ein negativer Saldo (Nettozahler). Allerdings gibt es zahlreiche Faktoren, die die Ausgaben und Einnahmen der Staaten ungleichmäßig beeinflussen. So führen beispielsweise Küstenländer mit internationalen Häfen – wie die Niederlande – erhebliche Zolleinnahmen für importierte Güter ab, die in andere Mitgliedstaaten weitergeliefert werden. Andere Staaten – wie zum Beispiel Belgien – erhalten Kostenerstattungen für den Sitz großer EU-Organe. Bezogen auf die absoluten Zahlen lag Deutschland im Jahr 2017 erneut auf Platz eins aller EU-Mitgliedstaaten: Der negative Haushaltssaldo Deutschlands (also Überweisungen minus zurückfließende Subventionen) lag bei 10,7 Milliarden Euro. Darauf folgten das Vereinigte Königreich (minus 5,3 Mrd. Euro), Frankreich (minus 4,6 Mrd. Euro), Italien (minus 3,6 Mrd. Euro) und Schweden (minus 1,4 Mrd. Euro). Eine etwas andere Reihenfolge ergibt sich, wenn die Haushaltssalden auf die jeweilige Bevölkerung der Mitgliedstaaten bezogen werden. Mit durchschnittlich 139 Euro pro Kopf und je Jahr zahlte 2017 niemand so viel an die EU wie die Bürger Schwedens. An zweiter und dritter Stelle standen Deutschland (129 Euro) und Dänemark (122 Euro). Österreich (106 Euro) führte ebenfalls mehr als 100 Euro pro Kopf an die EU ab. Hingegen erhielten Litauen und Estland rein rechnerisch 451 bzw. 357 Euro pro Kopf von der EU. Und auch in Griechenland und Ungarn (348 bzw. 321 Euro) lag der positive Haushaltssaldo 2017 bei mehr als 300 Euro pro Kopf.  

    O        Olaf

    Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, kurz OLAF nach der französischen Bezeichnung Office Européen de Lutte Anti-Fraude, ist eine Behörde der Europäischen Kommission mit Sitz in Brüssel. Ihre Aufgabe ist die Bekämpfung von Betrug, Korruption und allen anderen rechtswidrigen Handlungen, durch welche die finanziellen Interessen der EU geschädigt werden. Das Amt ermittelt inner- und außerhalb der europäischen Behörden; es unterstützt, koordiniert und beobachtet die Tätigkeit nationaler Behörden in seinem Aufgabenbereich und konzipiert die Betrugsbekämpfung der Europäischen Union. 1999 entschlossen sich die Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft, diese Agentur zu gründen, nachdem es zum Rücktritt einer kompletten Kommission gekommen war. In der vergangenen Legislaturperiode kam ein weiteres wichtiges Instrument dazu: die europäische Staatsanwaltschaft. Sie soll 2020 ihre Arbeit aufnehmen und in Luxemburg angesiedelt sein. Ihre über 110 Anwälte werden Betrug zu Lasten der EU aufdecken und verfolgen.  

    P         Parlament

    Seit genau 40 Jahren wird das Europäische Parlament von den EU-Bürgern direkt gewählt. Derzeit umfasst es 751 Abgeordnete aus 28 Mitgliedstaaten, darunter 96 aus Deutschland. Den Brexit vorausgesetzt werden es künftig 705 Parlamentarier aus 27 Mitgliedstaaten sein. Einige der freiwerdenden Sitze dürfen Mitgliedstaaten nutzen, um bisherige statistische Ungleichheiten zu beseitigen, aber 49 Mandate fallen weg – zunächst. Sie sollen für künftige Beitrittsländer verfügbar bleiben. Der eigentliche Sitz des Europäischen Parlamentes ist gemäß den geltenden Verträgen Straßburg. Dort tagt das Plenum zwölf Wochen im Jahr, in Brüssel finden dagegen nur kurze Mini-Sitzungen statt – und die Alltagsarbeit. Obwohl die Mehrheit der Parlamentarier diesen 200-Millionen-Euro teuren „Wanderzirkus“ gerne zugunsten Brüssels beenden möchten, sind ihnen die Hände gebunden: Entscheiden kann das nur der EU-Gipfel, also die Staats- und Regierungschefs. Dort aber hat Frankreich immer ein Veto gegen den Verlust des Tagungsortes Straßburg eingelegt.  

    Q        Qualifizierte Mehrheit

    Eines der wichtigsten Arbeitsgremien der EU ist der Ministerrat. So heißt die Runde der Fachminister aus den Mitgliedstaaten, also der Agrarrat, der Finanzministerrat, der Umweltrat… In zentralen Fragen muss Einstimmigkeit erreicht werden, also beispielsweise in der Außen- oder der Steuerpolitik. Mit anderen Worten: Kein Land kann überstimmt werden, alle müssen „Ja“ sagen. In vielen anderen Fragen aber genügt die so genannte qualifizierte Mehrheit. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde ein neues System, die „doppelte Mehrheit“, eingeführt. Es trat erst am 1. November 2014 in Kraft. Gemäß dem Vertrag von Lissabon entspricht die neue qualifizierte Mehrheit mindestens 55 Prozent der Mitglieder des Rates, das sind mindestens 15 Mitglieder, sofern die von diesen vertretenen Mitgliedstaaten mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Für eine Sperrminorität sind mindestens vier Mitglieder des Rates erforderlich. Inzwischen liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, auch im Finanzministerrat die Einstimmigkeit aufzugeben. Dann könnten wichtige Vorschläge wie die Finanztransaktions- und die Digitalsteuer nicht mehr von einigen wenigen ausgebremst werden.  

    R        Rat

     Als Rat der Europäischen Union gilt zunächst einmal das Zusammentreffen der jeweiligen Fachminister zum Finanzministerrat oder Sozialrat. Das höchste Gremium der Gemeinschaft ist der Europäische Rat, der üblicherweise als „EU-Gipfel“ bezeichnet wird – also das Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs. Egal welcher Rat – der Vorsitz wird vom jeweiligen Vertreter des Landes wahrgenommen, das den Vorsitz in der Gemeinschaft (Ratspräsidentschaft) innehat. Diese wechselt nach einem festgelegten Zeitplan alle sechs Monate. Derzeit hat Rumänien den EU-Vorsitz inne, Deutschland war 2007 zum letzten Mal dran und steht im zweiten Halbjahr 2020 wieder der Union vor. Alle Tagungen dieser Räte werden aber von einem Gremium vorbereitet, das viele das wichtigste Gremium der Gemeinschaft nennen: der Ausschuss der Ständigen Vertreter (EU-Botschafter) der Mitgliedstaaten. In diesem Kreis, dem auch die Fachbeamten der EU-Botschaften angehören, werden Kompromisse ausgehandelt und mit den eigenen Regierungen besprochen. Ob EU-Gipfel oder Ministerrat – nichts passiert ohne Mitwirkung der EU-Botschafter. Übrigens sind sie die einzigen Diplomaten der Mitgliedstaaten, die ihre Heimat nicht nur vertreten, sondern wirklich Politik mitgestalten.  

    S         Schengen  

    Schengen ist ein kleines Dorf an der Mosel im Großherzogtum Luxemburg. Im Juni 1985 kamen hier die Innenminister von Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden zusammen und unterzeichneten eines der wichtigsten Abkommen der EU: den Abbau der Personenkontrollen bei gleichzeitiger Sicherung der Außengrenzen. Inzwischen gehören 28 Länder dem Schengen-System an, zusätzlich zur EU (ohne Rumänien und Bulgarien) Norwegen, die Schweiz und Island, während Irland und Großbritannien die Bestimmungen nur teilweise übernommen haben. Dieser Vertrag machte es den Europäern möglich, ohne Ausweis-Kontrollen frei über alle Grenzen zu fahren. Gleichzeitig wurde ein umfassendes Informationssystem errichtet, um die Außengrenzen besser zu kontrollieren und vorhandene Daten über Kriminelle untereinander auszutauschen.  

    T        Trilog

    Ein Trilog findet statt, wenn sich Ministerrat und Europaparlament in einem EU-Gesetzgebungsverfahren nicht einigen können und die Situation ausweglos erscheint: Es ist der letzte Versuch, einen Kompromiss zu finden. Wenn der Rat auch nach der zweiten Lesung die Gesetzesänderungen des Parlaments ablehnt, muss sich ein Vermittlungsausschuss um die Sache kümmern, in dem die Delegationen von Parlament und Rat unter Vermittlung von Vertretern der Kommission eine Lösung suchen.  

    U        Unionsbürgerschaft  

    Wer Staatsangehöriger eines der EU-Staaten ist, hat automatisch und ohne weiteres Antragsformular die Unionsbürgerschaft inne. Unionsbürger zu sein, klingt ziemlich nichtssagend, denn die damit verbundenen Privilegien könnten deutsche Staatsangehörige zum Teil auch ohne diese Unionsbürgerschaft in Anspruch nehmen. Zu diesen Rechten gehören: - das Recht, sich im gesamten Gebiet der Union frei zu bewegen und aufzuhalten; - das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen sowie bei der Europawahl in dem Mitgliedstaat, in dem der Bürger seinen Wohnsitz hat; - das Recht sich in Ländern außerhalb der EU an die Botschaft oder das Konsulat eines anderen EU-Staats zu wenden, wenn das eigene Land dort diplomatisch nicht vertreten ist; - das Petitionsrecht und das Recht, sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden.  

    V        Vereinigte Staaten von Europa  

    Diese Idee wird dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben, was angesichts des Brexit nicht einer gewissen Kuriosität entbehrt. Die Idee hat noch immer viele Anhänger: eine zentrale politische Größe, in der die Mitgliedstaaten in einer föderalen Ordnung wie Deutschland eigene Hoheiten haben. Doch nach den zurückliegenden Jahren gibt es praktisch niemanden, der mit einem solchen Modell in absehbarer Zeit rechnet. Vor allem nicht nach dem Scheitern einer Verfassung, die 2005 bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden durchfiel und auch in der Bundesrepublik auf scharfen Protest stieß. Als Alternativmodell gilt das Europa der zwei (oder mehr) Geschwindigkeiten, wie wir es heute haben: Im Schengen-System sind nicht alle dabei, beim Euro auch nicht. Doch die Gefahr liegt in der Zersplitterung. Als langfristiges großes Ziel der europäischen Integration gelten die Vereinigten Staaten immer noch.  

    W      Wettbewerb  

    Der Wettbewerb gehört zur EU, die in allen ihren Verträgen und politischen Papieren der sozialistischen Planwirtschaft eine Absage erteilt. Der Markt allein soll regulieren, wer wie und wo wirtschaften kann, Aufgabe der Kommission ist es, die europäischen Verträge und damit den Wettbewerb zu hüten. Deshalb verurteilt man in Brüssel auch alle Versuche, offen oder verdeckt zum Protektionismus zurückzukehren, in dem einheimische Firmen bevorzugt oder gezielt gefördert werden. Aus diesem Grund müssen beispielsweise alle staatlichen Zuschüsse, Beihilfen oder Subventionen oberhalb einer Freigrenze bei der Kommission angemeldet werden. Dort liegt alles in den Händen der Wettbewerbskommissarin (derzeit der Dänin Margrethe Vestager), die zugleich auch oberster Kartellwächter ist.  

    X        Xenophobie

     Xenophobie bedeutet Fremdenfeindlichkeit und steht als Synonym für die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, Weltanschauung, Religion oder sexuellen Orientierung. Es gibt kein politisches Bündnis in der Welt, das sich dagegen so stark gemacht hat, wie die EU. So wurde eine Anti-Diskriminierungs-Richtlinie durchgesetzt, die jede Benachteiligung im Beruf und im sozialen Bereich verbietet. Auch wenn einige Forderungen, insbesondere bei der nochmals geplanten Verschärfung vielen zu weit geht, so ist die Konsequenz des Kampfes gegen Diskriminierung doch einzigartig auf der Welt. Dazu gehört auch und besonders die Zurückweisung ausländerfeindlicher Tendenzen. Brüssel hat mehrfach verschiedene Mitgliedstaaten (zum Beispiel Ungarn) vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt, um aller Ausgrenzung ein Ende zu setzen.  

    Z        Zollunion

    In einer Zollunion entfallen die Binnenzölle zwischen den einzelnen Mitgliedern. Im Unterschied zur Freihandelszone kann bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern kein Mitgliedsland eigene Zölle erheben, stattdessen werden einheitliche Außenzölle berechnet. Die EU nutzt dieses Instrument oft, um potenzielle Beitrittskandidaten früh an die Gemeinschaft heranzuführen und sie noch vor der offiziellen Aufnahme an den Vorteilen des Binnenmarktes teilhaben zu lassen. Ein Beispiel ist die Ukraine, mit der EU eine Zollunion bildet.

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