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Justiz: Was in deutschen Gefängnissen schiefläuft

Justiz

Was in deutschen Gefängnissen schiefläuft

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    Das deutsche Justizsystem steht in mehreren Punkten in der Kritik.
    Das deutsche Justizsystem steht in mehreren Punkten in der Kritik. Foto: Bernd Weißbrod, dpa (Symbolbild)

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Länder verpflichtet, die Vergütung für die Arbeit, die Frauen und Männer hinter Gittern leisten, bis zum Jahr 2025 neu zu regeln. Gegen die Höhe der Bezahlung von teils weniger als zwei Euro pro Stunde hatten Betroffene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen geklagt. Weil es bei der Arbeit von Straftätern in erster Linie um Resozialisierung gehen soll, gilt für sie nicht der Mindestlohn. Doch die bisher üblichen Stundenlöhne hat das Gericht nun für verfassungswidrig erklärt. Und das ist nicht das Einzige, was Experten im Umgang mit Häftlingen in deutschen Gefängnissen bemängeln. 

    Die Aufgabe des Strafvollzugs ist es laut Gesetz, die Gefangenen zu resozialisieren. Sie sollen also während ihrer Haft darauf vorbereitet werden, später wieder am gesellschaftlichen Alltag teilzuhaben und ihr Leben im Einklang mit den Gesetzen zu führen. In der Realität gestaltet sich das oft anders. Vor allem für Gefangene, die an psychischen Erkrankungen leiden, fehlt es vielerorts an professioneller Unterstützung. Das stellte jüngst ein Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, kurz CPT, fest. 

    Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist Teil der Resozialisierung

    Die Zahl der Betroffenen ist hoch: Im Laufe ihres Lebens erkranken etwa 80 Prozent der Häftlinge an psychischen Leiden. Gründe können bereits vorhandene Erkrankungen sein, aber auch die Umstände, unter denen die Häftlinge in Gefängnissen leben. „Im Strafvollzug werden die Erkrankungen oftmals nicht erkannt oder adäquat behandelt“, sagt Professor Thomas Pollmächer, Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Werden diese nicht behandelt, können sie chronisch werden und dazu führen, dass die Betroffenen nach ihrer Haft wieder straffällig werden. 

    Die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung ist im Gefängnis fünfmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Jeder vierte Langzeitgefangene begeht laut einer Studie der Universität Greifswald in der Haft einen Suizidversuch. Als Langzeitgefangene gelten Straftäterinnen und Straftäter, die mindestens fünf Jahre hinter Gittern verbringen müssen. 

    Ist das bayerische Strafvollzugsgesetz zu Teilen verfassungswidrig?

    Wie die Justizvollzugsanstalten die Haftbedingungen gestalten, liegt in der Hand der Bundesländer. Und hier sind die Gegebenheiten sehr unterschiedlich. Laut einer Untersuchung im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts dürfen Gefangene in Bayern nur in dringenden Fällen telefonieren. 

    Dabei ist der Kontakt zu Personen außerhalb der Gefängnismauern laut den vom Europarat formulierten Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen ein essenzieller Baustein für die Resozialisierung. Häftlingen solle so oft wie möglich Kontakt zur Außenwelt ermöglicht werden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte überprüfte ebenfalls als Sachkundige für das Bundesverfassungsgericht die Gefangenentelefonie in Bayern – und schätzte die Gesetzgebung zu diesem Zeitpunkt als verfassungswidrig ein. Beschwerden gegen die Regelung werden derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Auf Nachfrage teilte das bayerische Justizministerium mit, die gesetzliche Regelung wurde im November dauerhaft ausgeweitet. Wie viel Telefonzeit den Inhaftierten mindestens zur Verfügung steht, sieht das Gesetz allerdings nicht vor. 

    Eine Überführung schwer psychisch kranker Häftlinge in reguläre psychiatrische Krankenhäuser ist aufgrund der nötigen Bewachung der Gefangenen nur selten möglich. Die Expertinnen und Experten fordern darum einen Ausbau des psychiatrischen Angebots für Gefangene.

    Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte gestanden, die Gesellschaft für Freiheitsrechte schätze die derzeitige bayerische Gesetzgebung als verfassungswidrig ein. Das Gutachten bezog sich aber auf die Gesetzgebung bis 1. November 2022.

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