Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

WASHINGTON: 150 Deutsche sitzen in US-Gefängnissen

WASHINGTON

150 Deutsche sitzen in US-Gefängnissen

    • |
    • |

    Ein als falscher „Rockefeller“ bekannt gewordener Deutscher muss in den USA wegen Mordes für mindestens 27 Jahre ins Gefängnis. Ein Richter in Los Angeles verkündete am Donnerstag das Strafmaß für Christian Karl Gerhartsreiter. Es lautet auf 27 Jahre bis lebenslange Haft. Der gebürtige Bayer wurde im April für den Mord an dem Sohn seiner Vermieterin in Kalifornien vor fast 30 Jahren verurteilt.

    Bei der Verkündung der Strafe trat Gerhartsreiter als sein eigener Anwalt auf. Seine Verteidiger hatte er nach dem Prozess im April entlassen. Der Deutsche, der in blauer Gefängniskleidung vor den Richter trat, pochte weiter auf seine Unschuld. „Ich habe das Verbrechen nicht begangen“, sagte Gerhartsreiter nach Angaben der „Los Angeles Times“. Er glaube fest daran, dass die Ehefrau des Opfers den Mord begangen habe.

    Das Opfer John Sohus (27) und dessen Frau Linda waren 1985 spurlos verschwunden. Die Leiche des Mannes wurde neun Jahre später bei Bauarbeiten im Garten seines Elternhauses zufällig gefunden, sie konnte erst 2008 mit neuen DNA-Methoden identifiziert werden. Von der Frau fehlt bis heute jede Spur.

    Unter falschem Namen gelebt

    Gerhartsreiter lebte in den 1980er Jahren unter dem Namen Christopher Chichester in Kalifornien, zeitweise als Untermieter in einem Gästehaus der Sohus-Familie. Später nannte er sich auch „Clark Rockefeller“, gab sich an der US-Ostküste als Börsenmakler aus und nahm weitere falsche Identitäten an.

    Es gab keine direkten Beweise wie Blutspuren oder Augenzeugen, die den Deutschen mit dem Verbrechen in Verbindung brachten.

    Ähnlich wie Gerhartsreiter sitzen viele Deutsche in amerikanischen Gefängnissen. Debra Milke (49) zum Beispiel. Seit die Anwälte ihr und ihren Unterstützern rieten, sich erstmal nicht mehr öffentlich zu äußern, sei sie vorsichtig geworden, sagen Freunde und Unterstützer. Sie verbrachte 22 Jahre in der Todeszelle, weil sie zwei Männer zur Ermordung ihres vierjährigen Sohns angestiftet haben soll. Für sie steht zu viel auf dem Spiel, seit ihr Fall im März wieder aufgerollt wurde. Es geht um ein Leben in Freiheit oder ihre Hinrichtung. „Der Staat strebt weiterhin die Todesstrafe an“, sagt Jerry Cobb, der Sprecher der Staatsanwaltschaft im US-Bundesstaat Arizona. Dabei sind in Milkes Fall viele Fragen offen.

    Nach Angaben des Auswärtigen Amtes waren Ende letzten Jahres 156 Bundesbürger in Haft in den USA. Laut des Washingtoner Infozentrums über Todesstrafen sitzt derzeit noch einer von ihnen in der Todeszelle.

    „Gemäß Konsulargesetz werden alle deutschen Staatsangehörigen, die sich in den USA in Haft befinden und dies wünschen, von der zuständigen Auslandsvertretung konsularisch betreut“, sagt eine Sprecherin des Außenamtes. Dies umfasse den Kontakt zu Anwalt und Angehörigen, regelmäßige Haftbesuche sowie die Verfolgung des gerichtlichen Verfahrens. Über die Kosten dafür herrscht Schweigen seitens der Behörden.

    Milke, die in Berlin geborene Tochter einer Deutschen und eines amerikanischen Soldaten, war in den 1970er Jahren nach Phoenix gekommen. Seit 1990 sitzt sie im Frauengefängnis von Perryville. Ihr Todesurteil stützt sich auf die Aussage eines Zeugen. Dem damaligen Ermittler der Mordkommission Armando Saldate soll Milke im Verhör das Verbrechen gestanden haben. Doch sie bestreitet bis heute, etwas mit dem Mord ihres Jungen zu tun zu haben. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Saldate als Zeuge unglaubwürdig ist.

    Im März 2013 hob ein Berufungsgericht das Urteil wegen der mageren Beweislast auf und ordnete ihre Freilassung an. Milke konnte die Todeszelle verlassen und auf ein Leben in Freiheit hoffen. Doch dann machte ihr die Staatsanwaltschaft einen Strich durch die Rechnung und ging in Berufung. Die nächste Anhörung ist am 23. August geplant.

    Dieter Riechmann (69) wurde 2010 begnadigt. Nach 22 Jahren durfte er die Todeszelle des Gefängnisses von Raiford in Florida verlassen. Die Anklage hatte dem Hamburger aus dem Rotlichtmilieu vorgeworfen, seine langjährige Lebensgefährtin während eines gemeinsamen Florida-Urlaubs unter besonders heimtückischen Umständen ermordet zu haben. Um Versicherungspolicen im Wert von fast 1,8 Millionen Mark zu kassieren. Schon 1996 war das Todesurteil ausgesetzt worden, weil es Verfahrensfehler bei der Beratung des Strafmaßes gegeben hatte. Dennoch blieb es beim Schuldspruch.

    Manche Fälle geraten zum diplomatischen Tauziehen. So etwa der von Jens Söring. Der 47-Jährige wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten wegen Doppelmordes zu lebenslänglich verurteilte und sitzt im US-Staat Virginia in Haft. Der Sohn eines Diplomaten, der damals an der Universität von Virginia studierte, soll 1985 die Eltern seiner damaligen Freundin in ihrer Villa erstochen haben. Die Polizei ging davon aus, dass Söring die Morde verübte, weil die Eltern seiner Freundin mit ihrer Beziehung nicht einverstanden waren.

    Bundesregierung setzt sich ein

    1986 wurde er in London festgenommen und an die USA ausgeliefert. Söring beteuert seine Unschuld. Zwar hatte er gestanden, später nahm er die Aussage aber zurück. Angeblich hatte er seine Freundin, die die Tat begangen hätte, schützen wollen und sei davon ausgegangen, dass er durch den Diplomatenstatus seines Vaters Immunität genieße. Die Bundesregierung versichert, sich bei den US-Behörden für ihn einzusetzen – bisher vergeblich.

    Doch nicht immer ist die rechtliche Lage klar. Im Fall von Karl und Walter LaGrand haben die USA sogar gegen internationales Recht verstoßen. Denn die amerikanischen Behörden hatten die Brüder, die 1982 im Alter von 18 und 19 Jahren eine Bank überfallen und einen Angestellten erstochen hatten, nicht ausreichend darüber informiert, dass sie konsularische Hilfe in Anspruch nehmen können. Nach ihrer Hinrichtung 1999 in Arizona verklagte Deutschland die USA vor dem Internationalen Gerichtshof.

    Für Michael Apelt (50) sind die Würfel gefallen. Er und sein Bruder Rudi Apelt wurden 1990 wegen Mordes an Michaels amerikanischer Frau Cynthia verurteilt. Während Rudi den Todestrakt 2009 verlassen durfte, wartet Michael in der Todeszelle auf seine Hinrichtung. Dieses Schicksal teilt er mir derzeit insgesamt 3125 anderen Häftlingen in den USA. Er ist unter ihnen der einzige Deutsche.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden