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9/11 - Der Tag, der die Welt veränderte

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9/11 - Der Tag, der die Welt veränderte

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    Trümmer, Staub und Asche: Nach dem Zusammenbruch der beiden Türme des World Trade Centers lag Manhattan unter einer grauen Wolke.
    Trümmer, Staub und Asche: Nach dem Zusammenbruch der beiden Türme des World Trade Centers lag Manhattan unter einer grauen Wolke. Foto: Foto: Doug Kanter, afp

    Eines muss man den Amerikanern lassen: Sie lassen sich nicht so schnell unterkriegen. Vor 15 Jahren sanken die beiden Türme des World Trade Centers in Schutt und Asche. Heute steht auf dem Gelände an der Südspitze Manhattans ein neuer Wolkenkratzer – höher, prächtiger, teurer und angeblich sicherer als die zerstörten Vorgänger. 541 Meter ragt der bläulich schimmernde Riese in den New Yorker Himmel. Wie seine Erbauer versichern, hält das Gebäude dem Aufprall von Flugzeugen stand: Die Streben sind aus Spezialstahl, die Fenster aus Panzerglas, die Eingangshalle wirkt wie ein Bunker. 60 Meter tief bohren sich die glasummantelten Fundamente in den Granit von Manhattan. Schon die Fahrt im Aufzug ist ein unvergessliches Erlebnis: In 45 Sekunden geht es 400 Meter nach oben, hinauf zur Besucher-Plattform. Das gesamte Bauwerk strahlt eine unmissverständliche Botschaft aus: Amerika beugt sich dem Terror nicht. Eine Katastrophe wie 2001 soll sich nicht wiederholen.

    Die Sorge, dass der Schrecken nicht vorbei ist, begleitet die Erinnerung an den 11. September bis heute. Drahtzieher Osama bin Laden ist zwar tot, sein Terrornetzwerk El Kaida bröckelt. Doch andere kamen nach. Sie sind nicht weniger tückisch, nicht weniger gefährlich als die 19 Selbstmordattentäter, die vor 15 Jahren im Namen Allahs die Symbole amerikanischer Macht zum Einsturz brachten: Erst brannte es in New York, heute brennt es in Paris, Brüssel und Nizza. Ein Ende ist nicht in Sicht.

    Soziologen der Universität Duisburg-Essen sprechen deshalb von einer „Generation 9/11“. Gemeinsam ist ihr das Gefühl von Verunsicherung, Verwundbarkeit und Bedrohung. „Ich habe mich seither nie wieder hundertprozentig sicher gefühlt“, antwortete etwa ein 40-Jähriger, der im Rahmen der Studie befragt wurde. Im Alltag komme er damit klar, doch „meine Unbeschwertheit, die ich vielleicht mit 20 hatte, die fehlt mir“.

    Auch in Deutschland wissen die meisten Menschen deshalb genau, wo sie am 11. September 2001 waren und wie sie von der schrecklichen Nachricht erfuhren. Vielen war auf Anhieb klar: Was an diesem Tag geschah, wird die Welt verändern. Eine neue Zeitrechnung hatte begonnen, das Zeitalter des Terrorismus. Dennoch war das, was auf die Anschläge folgte, keineswegs unvermeidlich – zumindest in den Augen von Historikern.

    „Der 11. September ist keine weltgeschichtliche Zäsur“, sagt der Berliner Politologe Herfried Münkler im Gespräch mit dieser Redaktion. Vieles, was danach kam, habe sich schon zuvor angekündigt. Aber: Die brennenden Türme von Manhattan wirkten wie ein Brandbeschleuniger. „Die Anschläge haben Entwicklungen, die sich wahrscheinlich auch ohne sie vollzogen hätten, dramatisch beschleunigt“, sagt Münkler.

    In der Tat deutete sich der Kampf mit dem militanten Islam schon Jahre zuvor an. Anfang der 80er-Jahre kämpfte Osama bin Laden, so wie viele seiner arabischen Glaubensbrüder, gegen die Sowjets in Afghanistan. Nach dem Abzug der Russen wandte sich der Hass gegen Amerika und die gesamte westliche Welt. 1993 kam es zu einem ersten Anschlag auf das World Trade Center. Der Schaden hielt sich in Grenzen. Neun Jahre später war die Lage eine andere. Die Bedrohung führte die Weltmacht USA auf einen fatalen Irrweg. „Die Anschläge haben die USA zu einer Überdehnung ihrer Fähigkeiten verleitet und damit deren Verwundbarkeit sichtbar gemacht“, bilanziert Professor Münkler.

    So sehen es auch andere. „Amerikas Stärke liegt weniger in seiner Militär- und Wirtschaftsmacht, sondern in seiner Reputation“, erkannte bereits US-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz. „Und diese wurde geschwächt.“ Der 73-Jährige kritisiert in seinen Schriften und Interviews vor allem die Verstöße der USA gegen grundlegende Menschenrechte, das Vorgehen gegen Zivilisten im Irak und in Afghanistan, die Folterskandale in Abu Ghoreib und Guantánamo. Dies habe den Terroristen das Geschäft erleichtert.

    Für den Nobelpreisträger war Amerikas Antwort auf den 11. September ebenso verhängnisvoll wie die Anschläge selbst: „Die Reaktion von Präsident Bush kompromittierte Amerikas Grundprinzipien, untergrub seine Wirtschaft und schwächte seine Sicherheit.“

    Unter den Folgen leidet die Welt bis heute. Der Terrorismus ist nicht besiegt, er verändert nur sein Gesicht und seine Strategien. Insbesondere Bushs Einmarsch in den Irak 2003 und die Entmachtung der Sunniten bereitete den Boden für eine neue Spirale des Terrors. Unter dem Eindruck der US-Besatzung gründeten sunnitische Extremisten eine Terrormiliz, die sich „Islamischer Staat“ nannte. Zunächst verstand sie sich als Teil des Netzwerks El Kaida, später wurde daraus eine selbstständige und weit radikalere Gruppierung. „An vielen Stellen hat die US-Regierung Entscheidungen getroffen, die zu diesem Zeitpunkt sinnvoll erschienen“, räumte Richard Clarke, der ehemalige Anti-Terror-Berater des Weißen Hauses, kürzlich ein. „Aber ohne diese Reihe von Entscheidungen gäbe es den IS nicht.“

    Professor Münkler kommt zu einem ähnlichen Schluss. Terrorattacken dieses Ausmaßes lassen sich seiner Ansicht nach sehr wohl als Kriegshandlung verstehen. Aber es bleibe unklar, gegen wen der Angegriffene Krieg führen soll. So läuft er Gefahr, sich zu verzetteln. „Genau das ist den USA passiert“, sagt Münkler. Militärische Antworten können seiner Ansicht nach sinnvoll sein, wenn sie in Raum und Zeit begrenzt sind. Dies sei aber gegen Gegner wie El Kaida und den IS schwierig.

    Und was stattdessen? Immer schärfere Sicherheitsgesetze beschließen? Sich mit der Bedrohung abfinden? Münkler macht sich keine Illusionen: „Die Ziele des islamistischen Terrorismus sind global. Sie zielen nicht nur auf die politische Ordnung, sondern auch auf die Lebensweise der Menschen.“ Das schließe jede Form einer politischen Lösung aus. Auch 15 Jahre nach 9/11 helfen einfache Antworten wenig.

    Das Grauen im Minutentakt Das Grauen am 11. September 2001 begann mit der Entführung von vier Passagierflugzeugen. Der Ablauf der Ereignisse (New Yorker Ortszeit): 08.46 Uhr: Ein Flugzeug rast in den nördlichen der beiden Türme des World Trade Centers in New York. Augenzeugen glauben zunächst an ein Unglück. 09.03 Uhr: Ein zweiter Jet fliegt in den Südturm. 09.05 Uhr: US-Präsident George W. Bush wird beim Besuch einer Grundschule in Sarasota (US-Staat Florida) informiert. Stabschef Andrew Card flüstert ihm zu: „Amerika wird angegriffen.“ 09.30 Uhr: Bush spricht vor Kameras von einer „nationalen Tragödie“. Es handele sich „offensichtlich“ um eine Terrorattacke. 09.37 Uhr: Ein drittes Flugzeug rast in das Pentagon. Ein Teil des US-Verteidigungsministeriums wird dabei verwüstet. Das riesige Gebäude, das Weiße Haus, weitere Ministerien und das Kapitol werden evakuiert. 09.55 Uhr: Bush fliegt von Florida mit Ziel Washington ab, ändert aber den Kurs und landet auf der Air-Force-Basis Barksdale im US-Bundes- staat Louisiana. Von dort reist er nach Nebraska, später nach Washington. 09.59 Uhr: Der Südturm stürzt ein. 10.03 Uhr: Ein viertes Flugzeug stürzt südlich von Pittsburgh nach einem Kampf im Cockpit auf freiem Feld ab. Passagiere hatten sich gegen die Entführer zur Wehr gesetzt. Die Entführer wollten offenbar Kurs auf das Weiße Haus oder den US-Kongress nehmen. 10.28 Uhr: Der zweite, nördliche Zwillingsturm stürzt ein. 12.16 Uhr: Die Bundesflugbehörde meldet, dass der Luftraum der USA gesperrt ist. Nur Militär- und Rettungsmaschinen dürfen noch fliegen. 13.04 Uhr: US-Präsident Bush versichert in einer kurz zuvor aufgezeichneten Fernsehansprache, dass alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen seien. 13.27 Uhr: In Washington wird der Notstand ausgerufen. 20.30 Uhr: Der US-Präsident kündigt in einer Fernsehansprache an, die Täter gnadenlos zu verfolgen: „Wir werden keinen Unterschied machen zwischen denen, die diese Attacken ausgeführt haben, und denen, die ihnen Schutz bieten.“ FOTO: Ulrich Wagner

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