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ROM: Andreotti: Zwischen Macht und Mafia

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Andreotti: Zwischen Macht und Mafia

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    Ein Mann der Macht: Giulio Andreotti starb 94-jährig.
    Ein Mann der Macht: Giulio Andreotti starb 94-jährig. Foto: Foto: dpa

    „Die Macht verschleißt nur den, der sie nicht hat“, sagte er einmal. Giulio Andreotti musste es wissen: Sieben Mal war er in Rom Ministerpräsident, 33 Mal Minister, 1992 wurde er dann Senator auf Lebenszeit. Jahrzehntelang lief in Italien politisch praktisch nichts ohne ihn. Hoch gestiegen und so tief gefallen wie nur wenige andere Akteure in der westeuropäischen Nachkriegspolitik, überlebte er mehr oder weniger unbeschadet gleich mehrere Prozesse wegen Mordes und Mafiaverstrickungen. 66 Jahre auf der politischen Bühne zeigen, was Andreotti meinte: „Mein Leben ist die Politik.“ Und das widmete er seiner damaligen katholischen Volkspartei Democrazia Cristiana (DC). Jetzt ist der gebürtige Römer im Alter von 94 Jahren gestorben.

    Seinen Aufstieg begann der fromme Lehrersohn, der fast bis zuletzt täglich zur Frühmesse ging, im Vatikan. Beim Jurastudium stürzte er sich aufs Kirchenrecht. Und es war in den Bibliotheken des Heiligen Stuhls, wo der junge Mann dann 1942 Alcide De Gasperi traf, der sein politischer Mentor werden sollte. 1947 wurde Andreotti mit 28 Jahren erstmals ins Parlament gewählt, 1954 war er erstmals Minister. Zunächst übernahm er das Innenressort, später Finanzen, Verteidigung und Außenpolitik. 1972 führte er seine erste Regierung an. Schon damals galt: Wo die Macht war, da war Andreotti. Und das blieb dann noch Jahrzehnte so.

    Bis zuletzt war das rätselhafte und schillernde Urgestein der italienischen Nachkriegspolitik für viele das Sinnbild von schlichtem Machthunger und machiavellistischer Skrupellosigkeit. Unvergessen bleibt sein politischer Absturz Anfang der 1990er Jahre: Nach dem Fall der italienischen „Schmiergeld-Republik“ musste sich der Christdemokrat gleich zweimal vor Gericht verantworten: Einmal im Prozess wegen des Mordes an dem Journalisten Mino Pecorelli, der gegen die sizilianische Mafia Cosa Nostra ermittelt hatte, und dann noch in einem Verfahren wegen Mafiaverstrickungen in Palermo.

    Als „Leichenschauhaus der Demokratie“ bezeichnete ein Staatsanwalt damals, was Mafia-Bosse dort auspackten: Andreotti sollte mit „Paten“ verkehrt und dem Superboss der Mafia, Toto Riina, sogar als Zeichen seiner Ehrerbietung einen Wangenkuss gegeben haben. Der erste Prozess endete in dritter Instanz mit einem Freispruch.

    Vor der Verurteilung wegen Mafiaverstrickungen bewahrte Andreotti dann die Verjährung. Er selbst erklärte sich für unschuldig. „Es packt mich die kalte Wut, wenn ich an die unrechtmäßigen Prozesse denke“, sagte er später und gab so ausnahmsweise eine Gefühlsregung preis.

    Denn scheinbar ungerührt schaffte er es, in der italienischen Öffentlichkeit präsent zu bleiben. Noch während der Prozesse nahm er an Talkshows teil, blieb Senator und veröffentlichte eine katholische Zeitschrift. Im Vatikan ging er ohnehin seit jeher ein und aus. Und auch wenn all seine Spitznamen Bände sprachen– der „Fuchs“ etwa, der „Bucklige“ oder „Beelzebub“ wurde der kleinwüchsige Politiker mit der Brille gern genannt – so mischte er als Senator auf Lebenszeit auch im hohen Alter noch politisch mit. So spielte er oft bei Abstimmungen unter der letzten Regierung Romano Prodis das Zünglein an der Waage.

    Zu den wohl hervorstechendsten Eigenschaften Andreottis gehörten sein Zynismus und seine Unscheinbarkeit. In der bitterbösen Film-Satire „Il Divo“ (Der Star oder Der Göttliche) bringt Regisseur Paolo Sorrentino dies meisterhaft auf den Punkt. Andreotti selbst soll, nachdem ihm der Film privat vorgeführt worden war, gesagt haben, er sei gar nicht so zynisch: „Dieses Werk ist eine Niederträchtigkeit, ein boshafter Film.“

    Wohl kaum ein anderer kannte die Abgründe der Macht besser als Giulio Andreotti. Sich seiner Aura wohl bewusst, gestand der fromme Machtmensch vor einigen Jahren mit einem verschmitzten Lächeln, seine „Staatsgeheimnisse“ werde er wohl mit ins Paradies nehmen.

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