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BERLIN: Angriff auf die Homöopathie

BERLIN

Angriff auf die Homöopathie

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    Als sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil vergangenen Sommer mit der Homöopathie-Branche angelegt hat, prasselten massenhaft Reaktionen über sie herein: „Homöopathie-Anhänger argumentieren da auf der persönlichen Ebene, nicht wissenschaftlich, das hat mich am Anfang getroffen“, sagte die Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion in einem Interview. Viele schrieben ihr auf subtile Weise: „Man denke an mich und hoffe, ich werde nicht krank und müsse dann homöopathische Mittel nehmen.“

    Die Verbraucherschutz-Expertin hatte eine gesetzliche Regelung gefordert, die Zutatenliste der Globuli nicht länger auf Latein, sondern auf Deutsch zu kennzeichnen. „Nur wer versteht, was in einem Mittel drin ist, kann sich auch damit auseinandersetzen“, betont Heil. Schon lange spotten die Homöopathie ablehnende Pharmazeuten und Mediziner über hochverdünnte Ingredienzien wie „Excrementum caninum“ bei Schlafmangel oder „Blatta orientalis“ bei Husten – die lateinischen Bezeichnungen stehen für Hundekot und Küchenschaben.

    Mehr noch wehrt sich die Globuli-Branche aber gegen einen anderen Vorstoß, den die Unions-Verbraucherschutzbeauftragte in der neuen Legislaturperiode gern auf den Weg bringen würde: Das Ende der Apothekenpflicht für homöopathische Produkte. „Der ausschließliche Verkauf in Apotheken erweckt den Anschein, es handele sich um wissenschaftlich anerkannte Alternativen zu Medikamenten der Schulmedizin“, sagt CDU-Politikerin Heil.

    Allerdings sind selbst der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und die Techniker Krankenkasse gegen eine Aufhebung der Apotheken-Pflicht. Fraglich ist vor allem, ob eine mögliche neue Koalition wirklich Lust hat, sich in den Glaubenskrieg um Sinn und Unsinn der Homöopathie hineinziehen zu lassen. Denn kaum eine Therapieform ist derart umstritten.

    Viele Patienten versprechen sich eine sanfte Heilung durch die Zuckerkügelchen oder Tropfen, während Wissenschaftler warnen: Globuli besitzen keine Wirkung, sondern stellen nur eine Schein-Behandlung dar.

    Kassen dürfen eigentlich nur die Kosten von anerkannt wirksamen Therapien erstatten, doch für Homöopathie und ähnliche Verfahren hat der Gesetzgeber Sonderregeln geschaffen. Sie müssen nicht in aufwendigen Studien ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen.

    Jüngst hat der Streit darüber wieder Fahrt aufgenommen: So erregte der bayerische Hals-Nasen-Ohren-Arzt Christian Lübbers deutschlandweit Aufmerksamkeit: Er twitterte über ein Kind mit eitriger Mittelohrentzündung, bei dem er Globuli im Gehörgang fand. Lübbers setzt sich zusammen mit dem „Informationsnetzwerk Homöopathie“ dafür ein, dass gesetzliche Krankenkassen die Therapien nicht mehr bezahlen sollen.

    „Nur wer versteht, was in einem Mittel drin ist, kann sich auch damit auseinandersetzen.“

    Mechthild Heil, Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion

    Das Informationsnetzwerk verweist auf eine Studie von Forschern der Berliner Charité: Diese haben anhand von Langzeit-Daten der Techniker Krankenkasse errechnet, dass homöopathisch behandelte Patienten höhere Kosten verursachen als mit herkömmlichen Methoden therapierte. Als ein potenzieller Grund gilt die Verschleppung von Krankheiten bei alleiniger Therapie mit Homöopathika.

    Doch auch das Thema Kostenübernahme ist für Gesundheitspolitiker ein heikles Thema. Der SPD-Landesparteitag Bremen hatte im Mai ein Ende der Kostenerstattung gefordert. Außerdem solle es Warnhinweise über fehlende Wirknachweise auf den Mitteln geben. Doch auf dem SPD-Bundesparteitag wurde der Bremer Antrag weder angenommen noch abgelehnt – sondern an die SPD-Bundestagsfraktion „überwiesen“. Die SPD-Fraktion hat bereits 2010 klargestellt, dass sie an der Homöopathie als Wahlleistung der gesetzlichen Krankenkassen festhält.

    Dabei sind die Boom-Zeiten des in Deutschland über eine halbe Milliarde Euro schweren Homöopathie-Marktes womöglich vorbei. Noch vor wenigen Jahren stiegen die Zahlen der verkauften Packungen nach Angaben der Pharma-Marktforschungsfirma IQVIA um jährlich bis zu zehn Prozent, doch 2016 brach die Absatzsteigerung auf nur noch 0,3 Prozent ein. Und dieses Jahr wurden bislang sogar rund drei Prozent weniger Homöopathika verkauft. Vor allem aber verschrieben Ärzte 13 Prozent weniger homöopathische Mittel auf Kassenrezept als im Vorjahreszeitraum.

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