Im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) kann US-Präsident Barack Obama auf weitere Verbündete setzen: Zehn arabische Länder schlossen sich nach einer Anti-Terror-Konferenz in der saudischen Hafenstadt Dschidda der „Kern-Koalition“ an, der neben den USA auch Australien und Kanada sowie mehrere europäische Länder angehören. Doch ein wichtiges Land steht weiter abseits: Der Nato-Partner Türkei. US-Außenminister John Kerry wirbt nun in Ankara um Unterstützung.
Als es am Donnerstag in Dschidda zur Unterschrift unter die gemeinsame Abschlusserklärung kommen sollte, eilte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu zum Telefon, um sich Weisung aus Ankara zu holen. Die Order lautete: Nicht unterschreiben. Damit geht die Türkei weiter ihren eigenen Weg – obwohl sie als direkter Nachbar Syriens und des Irak eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Dschihadisten spielen könnte.
Vorausgegangen waren ein Gespräch Obamas mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beim Nato-Gipfel in Cardiff und ein Besuch von US-Verteidigungsminister Chuck Hagel in Ankara. Mehr als vage Versprechen zu „humanitärer Hilfe“ konnten sie ihren türkischen Gesprächspartnern aber nicht abringen.
Geislen aus Nachrichten verbannt
Der Türkei seien die Hände gebunden, heißt es inoffiziell in Ankara: Man sorgt sich um das Leben von 49 Geiseln, die sich in der Gewalt des IS befinden, seit die Dschihadisten vor drei Monaten das türkische Konsulat im nordirakischen Mosul besetzten. Wegen der Erstürmung des Konsulats geriet der damalige Außenminister und heutige Premier Ahmet Davutoglu in die Kritik.
Der Vorwurf: Er habe die Vertretung trotz eindringlicher Warnungen nicht rechtzeitig evakuieren lassen, offenbar im Vertrauen darauf, der IS sei der Türkei wohlgesonnen und werde ihre Interessen nicht antasten. Schließlich konnten die Dschihadisten noch im Frühjahr die Südtürkei als Rückzugsraum nutzen, verwundete IS-Kämpfer wurden in türkischen Hospitälern versorgt.
Inzwischen hat die Regierung in Ankara eine Nachrichtensperre über die Geiselaffäre verhängt. Die türkischen Medien dürfen bei Strafandrohung nicht mehr über den Fall berichten, also auch nicht über die bisher erfolglosen Bemühungen Davutoglus um eine Freilassung der Verschleppten.
Am Freitagnachmittag traf US-Außenminister Kerry in Ankara ein. Man verstehe, dass die türkische Regierung wegen der 49 Konsulats-Geiseln in einer schwierigen Lage sei, sagen US-Diplomaten. Trotzdem will Kerry versuchen, die Türkei doch noch an Bord zu holen. Er trifft seinen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu, Premierminister Ahmet Davutoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan – jenen Mann, der das letzte Wort haben dürfte.
Eine militärische Beteiligung am Kampf gegen IS schließe Erdogan weiter kategorisch aus, heißt es in Ankara. Auch eine Nutzung türkischer Militärinfrastruktur wie der Luftwaffenbasen Incirlik und Batman durch die US-Air-Force komme nicht infrage.
Kerry dürfte dennoch hoffen, dass die türkische Regierung hinter den Kulissen hilft. Das Mindeste, was die USA jetzt erwarten: Ankara soll die Rekrutierungen der Terrormiliz in der Türkei unterbinden und die Grenze zu Syrien wirksamer überwachen, um den Zustrom weiterer Dschihadisten, Waffenlieferungen und den lukrativen Treibstoffschmuggel endlich zu unterbinden.