Kassenpatienten müssen ab 1. Juli für viele Medikamente deutlich mehr bezahlen als bisher. Dies betrifft manche Antibiotika und vor allem Mittel gegen Sodbrennen und gegen Bluthochdruck. Patienten, die ihre bewährten Mittel weiter nehmen wollen, müssen mit drastischen Aufzahlungen von mehreren Dutzend Euro rechnen. Der Branchendienst Apotheke Adhoc hat zum Beispiel gemeldet, dass Patienten, die ab Juli in ihrer Apotheke die Blutdrucksenker Olmetec und Votum verlangen, dafür dann bei der Großpackung der 40 Milligramm-Variante insgesamt 86,17 Euro zu- und aufzahlen müssen.
Kann denn das wirklich sein, dass eine alte Frau mit Bluthochdruck und magerer Rente, die für ihr Blutdrucksenkungsmittel jahrelang nur die Zuzahlung von maximal zehn Euro berappen musste, am Dienstag, dem 1. Juli, in ihrer Apotheke dafür plötzlich 76,17 Euro mehr zahlen muss? „Ja, das kann sein“, bestätigt der Sprecher des in München ansässigen bayerischen Apothekerverbands, Thomas Metz. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass die neuen Aufzahlungen sogar zulassungsbefreite Patienten treffen können. Dass Medikamente ab Dienstag schnell mal 40, 50, oder auch 70 Euro mehr als bisher kosten können, bestätigt auch die Pressesprecherin des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in Berlin, Ann Marini. Auch die chronisch kranke Rentnerin müsse fürs alte Medikament mehr Geld zahlen, wolle sie nicht auf ein anderes Produkt umsteigen.
Hintergrund der Teuerung ist ein Tauziehen zwischen Pharmaunternehmen einerseits und Kassen andererseits: Zum 1. Juli hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) insbesondere für Mittel gegen Sodbrennen und Bluthochdruck neue Erstattungshöchstgrenzen für Arzneimittel festgelegt, sogenannte Festbeträge. Gilt ein solcher Festbetrag, den die Kassen maximal erstatten, können die Pharmaunternehmen ihre Preise dem niedrigeren Festbetrag anpassen; sie können – aber sie müssen nicht. Bleibt der Pharmahersteller – wie etwa bei den Mitteln Olmetec und Votum angekündigt – beim bisherigen Preis, muss der Kunde selbst die Differenz zahlen.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen hält die Festbeträge für ein „Instrument, mit dem den zum Teil überzogenen Preisvorstellungen der Pharmaindustrie dauerhaft und effizient entgegengewirkt“ werden kann. So formuliert es jedenfalls der Vize-Vorstandsvorsitzende der GKV, Johann-Magnus von Stackelberg. „Die Erfahrung zeigt, dass die Unternehmen sich nach einer Weile dem neuen Festpreis anpassen“, sagt GKV-Sprecherin Ann Marini. Blieben sie beim höheren Preis, würden Konkurrenzprodukte von billiger produzierenden Rivalen vorgezogen. Marini betont, dass die Senkung der Festbeträge und die daraus resultierende Teuerung bei Medikamenten, deren Hersteller im Preis nicht heruntergingen, Patienten nicht schade: „Die Patienten können ja auf andere Medikamente ausweichen.“ Sie verweist aufs Gesetz, das vorsieht, dass „eine für die medizinisch notwendige Versorgung ausreichende Zahl qualitativ hochwertiger Arzneimittel“ verfügbar ist, für die Versicherte keine Aufzahlung leisten müssen. Die „ausreichende Zahl“ liegt laut Spitzenverband bei rund 20 Prozent der Arzneimittelpackungen.
Nach Einschätzung von Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband werden die neuen Festbeträge Ärzten wie Apothekern Probleme bescheren: Ärzte müssten ihre aufgeregten Patienten beraten und gegebenenfalls auf neue Produkte umstellen. Auch Apotheker müssten sich ab Dienstag viel mehr Zeit für verunsicherte Kunden nehmen. Außerdem müssten viele Apotheker durch die sehr kurzfristig kommunizierten Änderungen Lagerwertverluste in Kauf nehmen. Metz: „Wir haben Medikamente zum alten Preis eingekauft, bekommen aber nur den neuen Preis erstattet.“
„Den Ärger haben wir; den haben wir immer, wenn die Kassen neue Festbeträge festlegen“, sagt der Apotheker Bernd Kelm aus der Brunnen-Apotheke Waldbüttelbrunn. Er findet es unschön für Patienten, wenn „nur aus finanziellen Gründen nach einer neuen Medikation“ gesucht werden müsse. „Da haben die Patienten dann Ängste; und es gibt eine Menge Diskussionen.“
Beispiele für mögliche Teuerungen bei Arzneimitteln
Nicht nur bei Blutdrucksenkern wie Olmetec rechnet der Bayerische Apothekerverband mit Preisänderungen für Patienten. Fraglich sei, wie sich die Anbieter von Eprosartan (Blutdrucksenker) verhalten würden, sagt Apotheker Thomas Metz. Das Original, Teveten von Abbott, koste 96,76 Euro. Neben den entsprechenden Reimporten gebe es Generika nur von CT (71,13 Euro) sowie Ratiopharm und Aristo (je 68,84 Euro). Metz: „Senken die Firmen ihre Preise nicht auf 30,33 Euro, drohen den Patienten auch hier Mehrkosten von 71,43 Euro, 45,80 Euro beziehungsweise 43,51 Euro.“ Laut Arzneiverordnungsreport wurde dieser Wirkstoff zuletzt 157 000 Mal auf Kassenrezept verordnet.
Ein Beispiel kann laut Apothekerverband auch beim Wirkstoff Omeprazol (Sodbrennen) konstruiert werden. Es gebe einen Hersteller, dessen aktueller Verkaufspreis bei einer bestimmten Packungsgröße und Wirkstärke derzeit 44,72 beträgt. Ab Juli sei der Festbetrag mit 25,24 Euro angesetzt. Passe der Hersteller den Preis nicht an, müsse der Patient die Differenz von knapp 20 Euro tragen. Text: grr