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BERLIN: Auswahl gehört zur Demokratie

BERLIN

Auswahl gehört zur Demokratie

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    Das Schloss Bellevue in Berlin ist der erste Amtssitz des Bundespräsidenten (der zweite Amtssitz ist übrigens die Villa Hammerschmidt in Bonn). Gesucht wird ein neuer Hausherr, seit Bundespräsident Joachim Gauck auf eine zweite Amtszeit verzichtet hat. Aber die Würfel sind immer noch nicht gefallen.
    Das Schloss Bellevue in Berlin ist der erste Amtssitz des Bundespräsidenten (der zweite Amtssitz ist übrigens die Villa Hammerschmidt in Bonn). Gesucht wird ein neuer Hausherr, seit Bundespräsident Joachim Gauck auf eine zweite Amtszeit verzichtet hat. Aber die Würfel sind immer noch nicht gefallen. Foto: Foto: Lukas Schulze, dpa

    Beim ersten Mal war es noch ganz einfach. Der Mann, der selber der erste Bundeskanzler werden wollte, suchte sich den Mann, der erster Bundespräsident werden sollte, im Alleingang aus. Bei einem Treffen mit Parteifreunden am 21. August 1949 präsentierte Konrad Adenauer seinen Kandidaten für das Amt des Staatsoberhauptes: FDP-Chef Theodor Heuss. Widerspruch war zwecklos, Adenauer setzte sich durch und sicherte sich damit auch seine Macht, band er doch mit diesem Coup die Liberalen fest an die Seite der Union.

    Reichlich kompliziert

    Aber schon beim zweiten Mal war es reichlich kompliziert. Als 1959 die zweite Amtszeit von Heuss endete, zog sich die Suche nach einem Nachfolger quälend in die Länge. Erst wurde erwogen, das Grundgesetz zu ändern, um Heuss nochmals wählen zu können. Dann schlug sich Adenauer selber vor, zog aber seine Kandidatur wieder zurück, als er merkte, dass das Amt doch nicht mit so viel Macht verbunden war, wie er glaubte. Schließlich wurde der eher unbekannte Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke gewählt. Seitdem ist die Wahl eines neuen Bundespräsidenten jedes Mal aufs Neue ein Politikum ersten Ranges. Denn für die Parteien geht es bei der Wahl des Staatsoberhauptes mehr als nur um eine bloße Personalie.

    Es geht um Macht, auch wenn das Amt des ersten Mannes im Staat eher repräsentativen Charakter hat. So schwer wie in diesem Jahr taten sich die Parteien allerdings noch nie, einen geeigneten Kandidaten zu finden. Im Juni bereits hat Joachim Gauck angekündigt, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Aber fünf Monate später ist noch immer nicht klar, wer am 12. Februar zu seinem Nachfolger gewählt werden könnte.

    Die Große Koalition konnte und wollte sich bislang nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, auch ein Treffen der Parteivorsitzenden am Sonntag im Kanzleramt blieb ohne Ergebnis. Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel steht unter massivem Druck. Einerseits hat sie den Anspruch erhoben, dass die Union das nächste Staatsoberhaupt stellen muss, andererseits hat sie sich bislang bei ihrer Suche nur Absagen geholt. Und die SPD hat mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen ebenso populären wie geeigneten Kandidaten. Um ihn glaubhaft ablehnen zu können, brauchen CDU und CSU schon einen herausragenden Vorschlag. Doch der ist nicht in Sicht. Und eine eigene Mehrheit hat die Union auch nicht, für Rot-Rot-Grün würde es im dritten Wahlgang reichen.

    Aber braucht man überhaupt einen gemeinsamen Bewerber? Die Wahl Gaucks 2012 mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen war die absolute Ausnahme, lediglich Richard von Weizsäcker hatte bei seiner Wiederwahl 1989 keinen Herausforderer. Ein überparteilicher Konsenskandidat bedeutet in Wahrheit weniger Demokratie, da die Mitglieder der Bundesversammlung praktisch keine Wahl mehr haben. Die Parteien sollten daher mehr Demokratie wagen und jeder für sich einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. So traten 1994, als der allseits geschätzte Richard von Weizsäcker aus dem Amt ausschied, fünf Frauen und Männer an. Dem Ansehen von Roman Herzog, der sich im dritten Wahlgang schließlich durchsetzte, hat es nicht geschadet. Und sein gescheiterter Gegenkandidat Johannes Rau von der SPD war danach nicht beschädigt, sondern wurde fünf Jahre später ins höchste Amt der Republik gewählt. Auch ein Richard von Weizsäcker hatte es nicht auf Anhieb geschafft. 1974 unterlag er Walter Scheel, 1979 musste er Karl Carstens den Vortritt lassen, erst 1984 war der Weg frei für ihn. Sein Ansehen blieb davon unberührt.

    Politikverdrossenheit

    Für einen Konsenskandidaten besteht keine Notwendigkeit, im Gegenteil. Denn zur Demokratie gehören der Wettbewerb und auch die Niederlage. Eine spannende Bundespräsidentenwahl wäre das beste Mittel gegen die Politikverdrossenheit und das weitverbreitete Vorurteil, dass die da oben alles im dunklen Hinterzimmer auskarteln. In den unklaren Mehrheitsverhältnissen liegt auch eine Chance: Mehr Demokratie wagen!

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