Bayern bereitet sich auf eine mögliche Schließung seiner Grenze zu Österreich vor. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bestätigte auf Anfrage der „Augsburger Allgemeinen“, dass es „entsprechende Vorüberlegungen“ für eine Situation gebe, in der die Bundespolizei die Unterstützung der bayerischen Polizei anfordern könnte. Es gehe darum, „auf eventuelle Entscheidungen des Bundes vorbereitet zu sein“, ließ Herrmann über einen Sprecher seines Ministeriums ausrichten.
Zuvor hatten der Bayerische Rundfunk und die „Passauer Neue Presse“ berichtet, die Polizeipräsidien entlang der Grenze in Niederbayern, Oberbayern Süd sowie Schwaben Süd/West hätten den Auftrag erhalten, Vorbereitungen dafür zu treffen, binnen weniger Stunden alle Grenzübergänge wieder zu kontrollieren.
Mit ihrer Ankündigung will die bayerische Staatsregierung vor dem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise am 7. März ganz offensichtlich den Druck auf die Bundesregierung erhöhen. In der CSU gibt es offene Zweifel, dass bei dem Treffen in der Türkei ein Durchbruch erreicht werden kann. Falls es der EU nicht gelinge, andere Staaten für solche Kontingentlösungen zu gewinnen, müsse Deutschland die Beschränkung auf seinen Anteil mit eigenen Maßnahmen durchsetzen, so Bayerns Innenminister. Denkbar seien 500 bis 600 Flüchtlinge pro Tag, erklärte Herrmann. Eine Abweisung von Flüchtlingen, die über das tägliche Kontingent hinausgehen, sei auf der Grundlage des Grundgesetzes und des Asylgesetzes möglich.
Bei der bayerischen Polizei hat man jedoch Zweifel, ob Maßnahmen wie diese überhaupt umsetzbar sind. Grundsätzlich ist die Sicherung der Grenze Sache der Bundespolizei. Experten gehen jedoch davon aus, dass diese eine sogenannte Vollkontrolle – sprich: Kontrolle aller Fahrzeuge und Zugreisenden an den Übergängen zu Österreich und eine Ausweitung der Schleierfahndung bis zu 30 Kilometer ins Landesinnere – maximal sieben Tage lang aufrechterhalten könnte.
Bei den bayerischen Sicherheitsbehörden gibt es Planspiele, wie eine Grenzsicherung unter Beteiligung der bayerischen Kräfte aussehen könnte. „Rein rechtlich wäre das möglich, wenn die Landespolizei der Bundespolizei unterstellt würde“, sagt Thomas Bentele, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern.
Die Gewerkschaft nimmt an, dass rund 3000 Beamte nötig wären, um die Grenzübergänge zu sichern. Das würde in etwa der Stärke der einstigen Grenzpolizei an den 55 Übergängen vor Aufhebung der Kontrollen 1998 entsprechen. Stellen müsste die zusätzlichen Kräfte vor allem die Bereitschaftspolizei. Doch die ist bereits am Limit. Aber auch an einer anderen Stelle hat man bei der GdP Bedenken. „Wenn das Ganze nicht nur Augenwischerei sein soll, müsste man auch die grüne Grenze mitüberwachen“, sagt Bentele.
Beim Bundesinnenministerium wollte man den Bericht über die Vorgänge in Bayern am Wochenende nicht weiter kommentieren.
Seit September führt die Bundespolizei stellenweise vorübergehend wieder Grenzkontrollen durch, vor allem an der Grenze zu Österreich. Eine vergangene Woche veröffentlichte Studie der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung rechnet bei der dauerhaften Rückkehr zu innereuropäischen Grenzkontrollen mit Wachstumsverlusten zwischen 77 und 235 Milliarden Euro allein für Deutschland bis 2025. Grenzkontrollen würden zu massiven Kosten und Preissteigerungen führen, heißt es darin. Schon in einem optimistischen Szenario summierten sich die Einbußen für die EU insgesamt beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) innerhalb von zehn Jahren auf rund 470 Milliarden Euro.