Studiengebühren werden von 72 Prozent der Menschen in Bayern abgelehnt; nur 25 Prozent sind dafür. Das hat dieser Tage eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Bayerischen Rundfunks ergeben. Gute Aussichten also für das Volksbegehren „Nein zu Studienbeiträgen in Bayern“. Wer für die Abschaffung der Beiträge ist, hat ab diesem Donnerstag zwei Wochen lang Zeit, die Initiative mit seiner Unterschrift bei der Gemeinde zu unterstützen.
Lena Roder wird unterschreiben. Die 23-Jährige aus Winterhausen (Lkr. Würzburg) studiert im sechsten Semester an der Universität Würzburg Germanistik und Digital Humanities („angewandte Informatik für Geisteswissenschaften“). 600 Euro muss sie sich monatlich für den Unterhalt erarbeiten. „Ohne Studiengebühren bräuchte ich weniger.“ Bis zu drei Jobs hat die Studentin – an der Uni als Hilfskraft in der Bibliothek und als Tutorin sowie als Kellnerin im Restaurant ihrer Eltern. Lena Roder kommt so wöchentlich auf „mindestens 20 Arbeitsstunden“. „Wenn die Gebühren wegfallen, könnte ich mir wenigstens eine Tätigkeit sparen – und mehr für mein Studium tun.“
„Bildung ist keine Ware“
Eduard Göbl, Vorsitzender des Sprecherrats der Universität Würzburg, nennt die Gebühren eine „unnötige Barriere“, die vor allem junge Leute aus Nicht-Akademiker-Familien vom Studium abschrecke. Es stelle sich die Frage, ob mit den Beiträgen der vielerorts beklagte Fachkräftemangel behoben werden könne, so Göbl. Bildung sei ein „gesellschaftlicher Wert, keine Ware“.
Eine Einschätzung, der die Verantwortlichen der mainfränkischen Hochschulen durchaus zustimmen. Sie fürchten jedoch, dass ohne Studienbeiträge die mit deren Einführung erreichten Verbesserungen in der Lehre wieder verloren gehen. „Das wäre eine Katastrophe“, sagte Uni-Präsident Alfred Forchel bereits im November, nachdem der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Volksbegehren für zulässig erklärt hatte. 70 Prozent der jährlichen Gebühreneinnahmen in Höhe von 15 Millionen Euro an der Universität dienen der Finanzierung von zusätzlichem Personal. „Das entspricht allein 250 zusätzlichen Vollzeitstellen“, rechnet Pressesprecher Georg Kaiser vor. Ohne dieses Geld drohten wieder überfüllte Seminare. Ähnlich die Einschätzung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften, der FH Würzburg-Schweinfurt. Auch dort kann dank der Gebühren – die FH kassiert 300 Euro pro Semester, an der Uni sind es 500 Euro – in kleineren Gruppen gearbeitet werden. Zudem habe man die digitale Ausstattung verbessern können, so Präsident Robert Grebner.
Die Sorgen der Verantwortlichen an den Hochschulen können auch Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens nachvollziehen. Deshalb fordern sie unisono, der Freistaat müsse die 180 Millionen Euro, die den bayerischen Hochschulen beim Wegfall der Studienbeiträge verloren gehen, aus allgemeinen Haushaltsmitteln kompensieren. An den Universitäten und Fachhochschulen mag man daran aber nicht so recht glauben. „In einem Wahljahr und bei guter konjunktureller Lage wird das vielleicht funktionieren“, sagt ein Insider, der lieber anonym bleiben möchte. Auf Dauer aber könnten die Gelder, selbst wenn sie als Gebührenersatz deklariert werden, an anderer Stelle bei der Hochschulfinanzierung wieder eingespart werden.
Die Oppositionsparteien im bayerischen Landtag hoffen derweil, ein erfolgreiches Volksbegehren könnte ein erster Schritt für einen Regierungswechsel in Bayern sein. Entsprechend wird jetzt mobilisiert. Unter Führung der Freien Wähler (FW), die das Volksbegehren angestoßen haben, formierten sich bayernweit unter dem Motto „Ja zur Bildung, nein zu Studiengebühren“ auf Landkreisebene lokale Bündnisse. Neben Parteien auch außerhalb des Landtags, Gewerkschaften, Jugend- und Sozialverbänden, Lehrer-, Eltern- und Schülerorganisationen gibt es auch von kirchlicher Seite Unterstützung. „Klasse, wer da alles mitmacht“, freut sich der FW-Landtagsabgeordnete Günther Felbinger (Gemünden).
An den Studiengebühren festhalten wollen neben der FDP (siehe Interview) vor allem Vertreter der Wirtschaft. Sie verweisen unter anderem darauf, dass auch in der beruflichen Bildung in vielen Fällen Gebühren bezahlt werden. Eine sozial verträgliche Kostenbeteiligung der Studenten sei zumutbar.
Kommen nun bis zum 30. Januar bayernweit 940 000 Unterschriften – das sind zehn Prozent der Wahlberechtigten – zusammen, muss der Landtag über die Annahme des Volksbegehrens entscheiden. Lehnen es die Abgeordneten mehrheitlich ab, dürfen die Bürger bei einem Volksentscheid endgültig abstimmen.