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AUGSBURG: Chronologie: Eine Streifenfahrt in den Tod

AUGSBURG

Chronologie: Eine Streifenfahrt in den Tod

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    Suche nach den Tätern: Ein großes Polizeiaufgebot fahndete am Freitag in Augsburg im Siebentischwald nach den Flüchtigen.
    Suche nach den Tätern: Ein großes Polizeiaufgebot fahndete am Freitag in Augsburg im Siebentischwald nach den Flüchtigen. Foto: Foto: dpa

    Es ist stockfinster im Siebentischwald, als die tödlichen Schüsse fallen. Nur die Scheinwerfer des Streifenwagens leuchten die Szenerie aus. Mehrere Schüsse aus einer Pistole treffen den Polizeibeamten Mathias Vieth (41). Der Täter feuert aus nächster Nähe. Der 41-Jährige ringt einige Minuten mit dem Tod, dann stirbt er. Seine Kollegin (30) wird durch einen Streifschuss an der Hüfte verletzt.

    Der Täter und sein Komplize rennen in den Wald, der Nebel verschluckt sie förmlich. Sie sind verschwunden. Es ist Freitag, 3 Uhr. Die Polizei in Augsburg hat den dritten Polizisten zu beklagen, der seit 1945 im Dienst getötet wurde. Die Chronologie des Tages:

    Gegen 2.50 Uhr:

    Mathias Vieth und seine Kollegin sind unterwegs auf Streife in Hochzoll. Auf dem Parkplatz beim Kuhsee sehen sie zwei Männer mit einem Motorrad, die ihnen seltsam vorkommen. Sie wollen die Männer kontrollieren. Doch die starten sofort das Motorrad und rasen davon. Jetzt spielen sich Szenen ab, die Oberstaatsanwalt Günther Zechmann später mit einem James-Bond-Film vergleichen wird. Das Motorrad rast über den Hochablass, an dem der Lech aufgestaut wird. Die Polizisten fahren hinterher. Der Weg über das Stauwehr ist eng, sie müssen rangieren, verlieren die Täter aus den Augen.

    Wenige Minuten später: das Motorrad fährt in den Siebentischwald, erst auf einem Weg, dann offenbar einige Meter querfeldein. Der Fahrer verliert die Kontrolle, er und sein Beifahrer stürzen. Die beiden Beamten halten an und steigen aus. Einer ruft: „Halt, Polizei!“ Sie dürften da weniger als zehn Meter von den Flüchtigen entfernt sein. Kurz darauf eröffnet einer der Täter das Feuer.

    Obwohl Vieth unter der Uniform eine Schutzweste trägt, treffen ihn die Kugeln tödlich, unter anderem im Halsbereich, heißt es. Seine Kollegin schießt zurück, doch sie trifft offenbar keinen der beiden Männer. Die Täter flüchten.

    Gegen 3 Uhr:

    Weitere Streifenwagen treffen ein, kurz darauf auch ein Notarzt. Doch der Arzt kann nichts mehr für den 41-jährigen Beamten tun. Er stirbt noch am Tatort. Eine Großfahndung beginnt. Die Dunkelheit und dichter Nebel erschweren die Suche. Ein Hubschrauber kann wegen des Nebels zuerst nicht eingesetzt werden.

    6.35 Uhr:

    Erste Spaziergänger sind unterwegs, andere sind mit dem Rad auf dem Weg zur Arbeit und wollen dafür den Wald durchqueren. Die Polizei hat inzwischen viele Zugänge ins Waldgebiet abgesperrt. Auch auf dem Hochablass steht ein Polizeibus. Doch es gelingt nicht, den Wald komplett abzuschirmen. Immer wieder kommen in den Morgenstunden Radler und Fußgänger aus dem Wald, die nichts wissen.

    7.05 Uhr:

    Ein weiteres großes Aufgebot von Spezialisten und Spurensicherern trifft am Tatort ein und nimmt die Arbeit auf.

    8.30 Uhr:

    Polizeisprecher Andreas Schröter steht am Kuhsee und beantwortet Fragen von Reportern, die nach und nach eintreffen. Schröter kannte den getöteten Beamten, sie hatten schon gemeinsam Dienst gemacht. „Natürlich sind die Emotionen groß, aber wir müssen jetzt ganz professionell arbeiten“, sagt er. „Dafür sind wir ausgebildet.“

    9.10 Uhr:

    Oberstaatsanwalt Günther Zechmann, der stellvertretende Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, trifft mit einem Kollegen am Tatort ein. Noch immer ist es neblig. Die Eindrücke vor Ort lassen auch ihn nicht kalt. „Das ist etwas, was sich auch ein erfahrener Ermittler nicht vorstellen kann“, sagt er später. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes.

    9.26 Uhr:

    Ein Leichenwagen verlässt langsam den Tatort.

    10.05 Uhr:

    Ein blauer BMW der Kriminalpolizei fährt vor. Die Beamten sitzen mit versteinerter Miene in dem Wagen, sie sind tief betroffen. Im Fond sitzt die Ehefrau des Getöteten. Sie bringen die Frau zum Ort des Geschehens.

    10.40 Uhr:

    Aus dem Wald kommt ein Geräusch, das nach Schüssen klingt. Auch im nahen Wohngebiet Spickel ist das Geräusch zu hören. Doch kurz darauf gibt es Entwarnung von der Einsatzleitung. Es gab keinen erneuten Schusswechsel.

    11.05 Uhr:

    Ein Sondereinsatzkommando fährt in den Siebentischwald, die Beamten sind vermummt und tragen Gewehre. Sie suchen „Quadratmeter um Quadratmeter“ ab, wie Polizeipräsident Gerhard Schlögl sagt. Auch das Kanu-Zentrum am Eiskanal wird durchsucht. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte durchkämmen das Lechufer und prüfen Toiletten am Kuhsee.

    12.45 Uhr:

    Zwei Hubschrauber der Polizei kreisen jetzt direkt über dem Gebiet. Inzwischen sind mehrere Hundert Beamte im Einsatz.

    14 Uhr:

    Im Präsidium an der Gögginger Straße informieren die Ermittler über den Stand der Dinge. Die Polizei glaubt, dass es sich bei den Tätern um zwei Schwerkriminelle handelt. Was sie mitten in der Nacht am Kuhsee wollten, stellt auch die Ermittler vor ein Rätsel. „Wir wissen es nicht“, sagt ein Kriminaler. Es gibt Spekulationen.

    Vielleicht, heißt es, wurden die Täter bei einem Drogengeschäft gestört. Angesichts des Fluchtwegs geht man davon aus, dass die Flüchtigen sich in Augsburg auskennen. Innenminister Joachim Herrmann ist nach Augsburg geeilt. Er spricht von einem „feigen Mord“.

    15.15 Uhr:

    Die Ermittlungen laufen weiterhin auf Hochtouren. Eine Sonderkommission mit rund 35 Beamten ist inzwischen gebildet worden. Die Polizisten befragen mehrere Personen, die in der Nähe des Waldes kontrolliert wurden. Doch es ergibt sich keine heiße Spur. Die Ermittler hoffen, dass die Tatwaffe sie weiterbringt. Die Pistole wurde nach Informationen unserer Zeitung gefunden. Sie wird untersucht, auch auf mögliche DNA des Schützen.

    17.40 Uhr:

    Noch immer sind die Täter nicht gefasst. „Wir werden die Täter bekommen“, sagt ein erfahrener Ermittler der Kripo. „Das sind wir dem Kollegen schuldig.“

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