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PARIS: „Cyberkalifat“ hackt TV-Sender in Frankreich

PARIS

„Cyberkalifat“ hackt TV-Sender in Frankreich

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    Das „Cyberkalifat“ hat zugeschlagen. Und seinem Namen entsprechend weder mit Gewehren noch mit scharfen Messern, sondern zu virtuellen Waffen gegriffen, um die französische Fernsehsender-Gruppe TV5 Monde zu treffen: Ab Mittwochabend, kurz nach 22 Uhr, drangen mutmaßliche Terror-Hacker in interne Informatik-Systeme ein und brachten das Programm zum Absturz. Mehr als drei Stunden lang blieb der Bildschirm schwarz.

    Parallel zum Sende-Ausfall ermächtigten sich die Hacker außerdem der Internet-Seite sowie der Konten auf dem Youtube-Kanal und der sozialen Netzwerke Facebook und Twitter, um IS-Propaganda und Drohungen zu verbreiten: Im Namen Allahs werde das „Cyberkalifat“ seinen „Cyberdschihad gegen die Feinde des IS weiterführen“, hieß es. Dazu wurden Ausweise französischer „Kämpfer“ gezeigt, deren Echtheit allerdings nicht erwiesen ist.

    TV5 Monde strahlt sein Programm in französischer Sprache in 200 Ländern aus. Getragen wird es von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Frankreichs, Belgiens, Kanadas und der Schweiz und gilt als einer der größten internationalen Fernsehsender – einer weiten Verbreitung ihrer Botschaften konnten sich die „Cyberdschihadisten“ sicher sein.

    Informationssysteme beschädigt

    Der Direktor von TV5 Monde, Yves Bigot, sprach von einer „extrem starken Cyberattacke“ von einem „nie zuvor da gewesenen Ausmaß“. Seine Mitarbeiter täten alles, um möglichst schnell wieder die Kontrolle über die Homepage, die Konten der sozialen Netzwerke und die elf Sender zu erlangen. Das könne Stunden, wenn nicht sogar Tage dauern – die Informatiksysteme seien stark beschädigt worden, erklärte Bigot. Statt Live-Nachrichtensendungen und tagesaktueller Programme konnten zunächst lediglich zuvor aufgezeichnete Sendungen ausgestrahlt werden. Experten halten die Urheber des Eingriffes in das komplette Computer-System des Senders für Profis.

    Es handle sich um eine „historische Attacke“, sagte auch Hélene Zemmour, Direktorin für Digitales bei TV5 Monde. „Der Ablauf war sehr synchronisiert. Erst brach unser internes Informatik-System zusammen, die Programme folgten. Wir hatten keinen Zugriff mehr auf unser E-Mail-Programm, was es noch komplizierter machte, mit unseren Teams von Twitter und Facebook in Kontakt zu treten.“ Von den Ermittlungen der Behörden erhoffe man sich Klarheit darüber, was genau passiert sei. Premierminister Manuel Valls verurteilte den „inakzeptablen Angriff auf die Informations- und Meinungsfreiheit“.

    Innenminister Bernard Cazeneuve, Kulturministerin Fleur Pellerin und Außenminister Laurent Fabius begaben sich am Donnerstagmorgen zu der Sendergruppe vor Ort – ein Signal dafür, wie ernst die Regierung den Angriff und die dahinterstehende Bedrohung nimmt. Er sei fest entschlossen, gegen die IS-Terroristen als mutmaßliche Drahtzieher vorzugehen, versicherte Cazeneuve. Er kündigte eine personelle und technologische Aufrüstung der französischen Geheimdienste und Kriminalpolizei an.

    Zielscheibe des IS

    Noch vor den Attacken auf das Satireblatt „Charlie Hebdo“ und den jüdischen Supermarkt „Hyper Cacher“ im Januar in Paris, bei denen 17 Menschen ermordet wurden, hatte das französische Parlament eine stärkere Bekämpfung des islamistischen Terrorismus beschlossen. Seither kann potenziellen Dschihadisten die Ausreise in Kampfgebiete etwa in Syrien oder im Irak leichter verboten werden. Auch können Internetseiten wegen Terror verherrlichender Inhalte blockiert werden. Inzwischen wurde der Zugang zu mehreren Webseiten gesperrt, darunter auch des Al-Hayat Media Center, das Propaganda für die IS-Terrormiliz verbreitet.

    Durch sein militärisches Engagement in Afrika und im Mittleren Osten gilt Frankreich, das sich an den Luftschlägen der USA in Syrien beteiligt, als besondere Zielscheibe des IS. Die Zahl junger Franzosen, die das Land in Richtung der Kampfgebiete in Syrien und im Irak verlassen haben, um sich der Terrormiliz anzuschließen, wird einer Erhebung des französischen Senates zufolge auf fast 1500 geschätzt. Damit handle es sich etwa bei der Hälfte der europäischen Dschihadisten um Franzosen.

    In einer der bei der Cyberattacke verbreiteten Botschaften wurde Präsident François Hollande beschuldigt, einen „unverzeihlichen Fehler“ begangen zu haben, indem sich Frankreich an einem Krieg beteilige, der „zu nichts gut ist“: „Deshalb haben die Franzosen im Januar die Geschenke für Charlie Hebdo und den Hyper Casher erhalten“, erklärten die Terror-Hacker.

    In den vergangenen Monaten wurden immer wieder Medien wie die britische Zeitung „The Independent“ sowie die US-Zeitungen „New York Post“ und „Boston Globe“ Ziel von Hackerangriffen. Zu einigen davon bekannte sich allerdings die „Syrian Electronic Army“ („Syrische Elektronische Armee“, die der syrischen Regierung nahesteht.

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