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Das harte Los der Piratenjäger

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Das harte Los der Piratenjäger

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    Schlecht ausgerüstet: Pro Monat 93 Euro bekommt ein Mann, der für die Küstenwache unter der Führung von Ahmed Osman Abdi arbeitet. Ein Pirat „verdient“ pro Schiffsentführung locker 20 000 Dollar.
    Schlecht ausgerüstet: Pro Monat 93 Euro bekommt ein Mann, der für die Küstenwache unter der Führung von Ahmed Osman Abdi arbeitet. Ein Pirat „verdient“ pro Schiffsentführung locker 20 000 Dollar. Foto: Fotos: Philipp Hedemann

    Mein Name ist Omar Abdullahi Abdi. Ich bin ein einfacher Fischer. Ich wollte mit meinen Männern am Korallenriff fischen, da kam die Küstenwache und nahm uns fest“, sagt der Mann mit dem Wickelrock im Gefängnis.

    „Sein Name ist Omar Abdullahi Abdi. Er ist einer der ganz großen Fische unter den Piraten. Wir jagen ihn seit Jahren, endlich haben wir ihn erwischt“, sagt der Mann in der weißen Admirals-Uniform im Hauptquartier der somaliländischen Küstenwache.

    Zwei Geschichten, ein Hauptdarsteller, ein Problem: Piraten machen den Indischen Ozean vor der Küste Somalias zum gefährlichsten Gewässer der Welt. Somaliland, eine international nicht anerkannte Republik im Norden des gescheiterten Landes, hat den Seeräubern jetzt den Kampf angesagt. Kürzlich wurde ein mit Hilfe der UN renoviertes Gefängnis eröffnet. Wenn es nach dem Chef der Küstenwache geht, soll Omar Abdullahi Abdi dort mindestens die nächsten 15 Jahre verbringen.

    Es ist ein Mittwoch, die See vor Rabish, einem Fischernest an der Grenze zwischen Somaliland und der teilautonomen somalischen Republik Puntland, ist spiegelglatt. Von Februar bis April kräuselt kaum eine Welle das Wasser, Hochsaison für die Piraten mit ihren schnellen, aber wenig seetüchtigen Booten. Um 16.40 Uhr tauchen zwei graue Boote der somaliländischen Küstenwache am Horizont auf, steuern mit voller Kraft auf das neun Meter lange Boot von Omar Abdullahi Abdi zu. Abdi sieht an Deck zwei Männer an schweren Maschinengewehren, weitere Küstenwächter haben ihre Kalaschnikows auf ihn gerichtet. Wenig später liegt er gefesselt an Deck des Schnellboots der Küstenwächter.

    Im Indischen Ozean vor Somalia liegen die gefährlichsten Wasserwege der Welt. Laut Internationalem Schifffahrtsbüro wurden in diesem Jahr bislang weltweit 119 Schiffe angegriffen, 83 davon in somalischen Gewässern. Von den entführten 15 Schiffen wurden 14 vor Somalia verschleppt. Derzeit sind 28 Schiffe und 587 Geiseln in der Hand somalischer Piraten. Erst vor einer Woche kaperten Seeräuber im Golf von Aden einen kuwaitischen Öltanker mit 29 Mann Besatzung. „Hirten haben uns den Hinweis gegeben, dass Omar Abdullahi Abdi und seine Männer sich an der Küste ein Versteck eingerichtet haben, um von dort aus auf Kaperfahrt zu gehen. Sie behaupten, sie seien Fischer, doch an Bord fanden wir keine Fischerausrüstung. Ihre Kalaschnikows und schweren Maschinengewehre warfen sie über Bord, bevor wir sie festnehmen konnten“, berichtet Ahmed Osman Abdi, Chef der somaliländischen Küstenwache. „Ich habe noch nie eine Waffe in Händen gehalten. Wir wollten Fische mit bloßen Händen fangen“, behauptet der Häftling im Gefängnis des somaliländischen Küstenstädtchens Berbera. Nach seinem Prozess, soll der mutmaßliche Pirat in das neue Hochsicherheitsgefängnis in der Hauptstadt Hargeisa verlegt werden.

    925 000 Euro hat das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) für die Renovierung des baufälligen Gefängnisses gegeben. 43 der 248 Insassen des Hochsicherheitsgefängnisses sind verurteilte Piraten. Farah ist einer von ihnen. „Ja, ich war an der Entführung eines Öltankers beteiligt, habe 20 000 Dollar erhalten. Kurz danach wurde ich festgenommen, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Sobald ich hier raus bin, werde ich wieder in meinen alten Job zurückkehren“, erzählt der 46-Jährige auf dem staubigen Gefängnishof. Er hat kein Unrechtsbewusstsein, sieht sich selbst als Küstenwächter, der die somalischen Gewässer vor ausländischen Fischereiflotten und Schiffen schützt, die hier Giftmüll verklappen. „Wir holen uns nur zurück, was uns zusteht“, sagt der Häftling in der gelben Sträflingskleidung. Terroristen tragen zum Unterschied blau.

    „Somaliland bekämpft die Piraterie an Land und auf See. Wir werden sie dabei weiter unterstützen“, verspricht UNODC-Chef Yury Fedotov Somalilands Präsident Ahmed Mohammed Mahamoud Silanyo nach der Gefängniseröffnung im Präsidentenpalast. Doch für diesen Kampf fehlen dem Chef der somaliländischen Küstenwache Moneten, Männer und Material.

    14 Boote, ein paar Raketenwerfer, Maschinengewehre und Kalaschnikows, Funkgeräte, 14 von den Engländern gespendete Geländewagen und 615 Mann hat Ahmed Osman Abdi an der 860 Kilometer langen Küste zur Verfügung. Umgerechnet rund 93 Euro kann er seinen Männern, die im Kampf gegen die oft viel schwerer bewaffneten Piraten ihr Leben riskieren, pro Monat zahlen.

    Die Piraten ködern ihren Nachwuchs mit Zehntausenden von Dollars für die Teilnahme an einer einzigen erfolgreichen Schiffsentführung. Der jetzt festgenommene Omar Abdullahi Abdi soll dem unmoralischen Angebot erlegen sein. Mehrere Küstenwächter berichten, dass er früher mit ihnen Jagd auf Piraten machte, bis er die Seiten wechselte. Und auch der gut bezahlte Mitarbeiter einer internationalen Organisation erzählt: „Ich habe mit den Piraten zusammengesessen und Khat gekaut. Ich spreche gut Englisch. Sie haben mir 700 000 Dollar geboten, wenn ich vier Tage zwischen ihnen und den Schiffseignern verhandle. 680 000 Dollar hatte ein Pirat in einer schwarzen Plastiktüte dabei.“ Der junge Mann lehnte ab. Nicht aus moralischen Bedenken übrigens. Er befürchtete vielmehr, dass die Piraten ihn umbringen würden, sobald er sein Geld erhalten hätte.

    Die immer höheren Lösegelder, die für entführte Schiffe gezahlt werden, machen Chef-Küstenwächter Ahmed Osman Abdi zu schaffen. „Die Piraten haben nach jeder Entführung viel Geld, das sie in schwerere Waffen, bessere Kommunikationstechnologie und schnellere Boote investieren. Wir kommen mit unseren langsamen Booten kaum noch hinterher. Statt Milliarden in ATALANTA zu investieren, sollte die internationale Gemeinschaft lieber uns etwas geben“, sagt der ehemalige Admiral der somaliländischen Marine. Er macht kein Hehl daraus, dass er von der EU-Antipiraten-Mission, an der sich auch die Bundeswehr mit mehreren Hundert Soldaten beteiligt, nicht viel hält.

    „Die meinen es doch gar nicht ernst! Die nehmen die Piraten nur fest, wenn sie sie auf frischer Tat ertappen. Werfen die Seeräuber zuvor ihre Waffen über Bord, versorgen sie sie sogar mit Essen und Trinken und lassen sie ziehen. Das bringt doch nichts. Wenn wir auf Piraten stoßen, jagen wir sie“, sagt der ehemalige Soldat. Dass dabei Piraten und Küstenwächter auf See sterben, gehört für ihn dazu.

    Kann einem Piraten ein Mord nachgewiesen werden, droht ihm die Todesstrafe durch Erschießen. Doch tatsächlich werden viele Piraten nach Berufungsverfahren oft schon nach kurzer Zeit entlassen. Bestechliche Richter sollen dafür verantwortlich sein. „Korruption gibt es überall“, sagt Justizminister Ismail Moummin Aar, um nach kurzer Bedenkzeit hinterherzuschieben, „aber mir ist kein solcher Fall bekannt.“

    Die somaliländische Regierung hofft, mit der Verfolgung, Verurteilung und Inhaftierung von Piraten dem Tag X, dem Tag der internationalen Anerkennung, einen Schritt näher zu kommen. Nachdem Warlords 1991 den somalischen Diktator Siad Barre stürzten, erklärte Somaliland sich einseitig für unabhängig. Während der Süden des Landes seit 20 Jahren in Bürgerkrieg, Terror und Anarchie versinkt, haben die Somaliländer in den letzten 20 Jahren ein erstaunlich gut funktionierendes Staatsgebilde mit eigener Identität, Regierung, Armee, Polizei, Flagge und Währung aufgebaut.

    Dennoch hat bislang kein Staat das vom Clandenken geprägte Somaliland anerkannt. Der kleine Möchtegern-Staat (3,5 Millionen Einwohner), in dem die Lebenserwartung für Männer bei 50, für Frauen bei 55 Jahren liegt und in dem 70 Prozent der Männer von der in Europa illegalen Kaudroge Khat abhängig sind, bleibt eine der ärmsten Regionen der Welt. Denn ohne internationale Anerkennung fließen kaum Entwicklungshilfegelder in das Land am Horn von Afrika. Doch nach einem friedlichen Regierungswechsel im vergangenen Jahr und dem erfolgreichen Referendum zur Abspaltung des Südsudan, glauben die Somaliländer wieder fest daran, dass der Tag der internationalen Anerkennung nur noch eine Frage der Zeit ist.

    „Wenn wir unter Beweis stellen, dass wir Extremismus, Terrorismus und Piraterie bekämpfen können, werden wir eines Tages auch international anerkannt“, sagt Innenminister Mohamed Abdi Gaboose. Der jetzt festgenommene Omar Abdullahi Abdi wird dann vielleicht noch hinter Gittern sitzen.

    In den nächsten Tagen berichten wir über den aus Somalia stammenden Arzt Ahmed Abucar, der sich von Bad Kissingen aus seit rund 15 Jahren mit dem Verein Samofal – Hilfe zur Selbsthilfe in seinem Heimatland engagiert.

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