Die Metallkleiderbügel klimpern leise im Wind. Manche sind mit blutroter Farbe bekleckst. Auch Monika Marecka hat als eine von mehreren tausend Demonstranten zwei Bügel zur Warschauer Frauen-Demo mitgebracht: „Damit haben unser Mütter und Großmütter abtreiben müssen. Wann hört diese Barbarei endlich auf?“, empört sich die 24-Jährige, schwenkt die Bügel hoch über dem Kopf. Sie skandiert mit den tausenden jungen Frauen und Männern: „Mein Körper, meine Entscheidung“.
Polens Frauen droht ein totales Abtreibungsverbot. Die katholischen Bischöfe des Landes fordern es, eine Gruppe fanatischer Katholiken brachte bereits eine Gesetzesinitiative ins Parlament ein, und Polens Regierungschefin Beata Szydlo sagt: „Wenn es um meine Meinung geht, so bin ich für diese Initiative.“
Vergewaltigungen, schwerste Missbildungen des Fötus und angeblich sogar eine Gefahr für die Gesundheit der Frau sollen demnächst keine Abtreibung mehr rechtfertigen. Polnische Frauen sollen gezwungen werden, das Kind ihres Vergewaltigers auszutragen und es mit dem Ehepartner und den gemeinsamen Kindern aufzuziehen, oder aber es nach der Geburt zur Adoption freizugeben.
Auch die Diagnose schwerster Krankheiten oder Missbildungen dürfe künftig keinen „Mord des ungeborenen Lebens“ nach sich ziehen, argumentieren Bischöfe und tausende Unterzeichner der Gesetzesinitiative.
Auch in der umstrittenen rechtspopulistischen Regierung könnte sich diese Meinung durchzusetzen. In der Gesetzesinitiative, die die Bürgerinitiative Ordo Iuris eingebracht hat, ist auch von der „Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter“ die Rede, allerdings in so verschwommener Weise, dass viel Raum für Interpretation bleibt. Am Ende, so befürchten viele Polinnen, wird es der Arzt sein, der darüber entscheidet, ob der Frau eine bleibende Behinderung zugemutet werden kann oder der gar den Tod den Frau in Kauf nimmt, um das Babys zu retten.
Der Gesetzesinitiative zufolge würde eine Frau in Polen in dem Moment jede Selbstbestimmung verlieren, in dem sie schwanger wird. „Die Priester und Bischöfe wollen keinen Sex, keine Ehefrau und keine Kinder, sie wollen keine Familie“, ruft eine junge Frau von der Protest-Bühne vor dem Parlament herab. „Das ist ihre Entscheidung. Wir kritisieren das nicht. Aber niemand gibt den Bischöfen das Recht, über unseren Bauch zu bestimmen! Auch nicht Gott.“
Die Masse jubelt und skandiert erneut: „Unser Körper! Unsere Entscheidung!“ In vielen Städten Polens gingen am Samstag und Sonntag Menschen gegen ein Abtreibungsverbot auf die Straße. Im Internet haben sich bereits mehr als 87 000 Menschen dem Protest-Bündnis gegen ein neues Gesetz angeschlossen.
Offiziell gab es in Polen im vergangenen Jahr knapp 1000 legale Abtreibungen. Allerdings wird geschätzt, dass bis zu 100 000 Polinnen jährlich illegal oder im Ausland abtreiben lassen. Da viele Ärzte berufliche Schwierigkeiten befürchten, schicken sie selbst Frauen weiter, denen Polens Gesetz eine legale Abtreibung erlaubt. Aus diesem Grund ersparen sich viele Polinnen den Spießrutenlauf durch die gynäkologischen Praxen und fahren lieber gleich ins Ausland: nach Deutschland oder Österreich, in die Slowakei, die Ukraine oder nach Kaliningrad. Billiger, aber auch weitaus gefährlicher ist es, die Dienste der illegalen „Engelmacher“ in Anspruch zu nehmen.
Laut der Gesetzesvorlage, die bereits den polnischen Abgeordneten vorliegt würde sogar jede Polin, die in Zukunft eine Fehlgeburt erleidet, automatisch unter Mordverdacht stehen. Es müssten Ermittlungen gegen sie und den behandelnden Gynäkologen eingeleitet werden.
Beata Szydlo rückte inzwischen von ihrer Unterstützung des totalen Abtreibungsverbots etwas ab. Denn tausende Frauen schildern auf der Facebook-Seite der Regierungschefin den aktuellen Stand ihres Menstruationszyklus, wie die Hormone der Antibabypille bei ihnen wirkten und fragen, ob bald eine Menstruations-Kontrolle eingeführt werde.
Mit Informationen von dpa