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BERLIN: Der „Herz-Jesu-Marxist“ wird 80

BERLIN

Der „Herz-Jesu-Marxist“ wird 80

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    Pflegt die unverblümte Rede: Norbert Blüm.
    Pflegt die unverblümte Rede: Norbert Blüm. Foto: Foto: Oliver Berg, dpa

    Eigentlich war er immer ein Wanderer zwischen den Welten. Nie habe er irgendwo so richtig dazugehört, hat Norbert Blüm vor kurzem gesagt. In der IG Metall, in die der spätere Sozialminister schon mit 14 eingetreten ist, war er stets der Schwarze – und in der CDU der Rote. Der „Herz-Jesu-Marxist“, der Aufsätze über den „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital“ schrieb und die gesetzliche Rente noch als sicher verteidigte, als das System bereits erste Erosionserscheinungen zeigte. Am 21. Juli wird er 80 Jahre alt, aber deswegen kein bisschen ruhiger. Blüm muss sich einmischen. Er kann nicht anders.

    Ende April erst hat er für einen Fernsehsender, als Tourist getarnt, die WM-Baustellen in Katar unter die Lupe genommen und danach eine bittere Bilanz gezogen: „Ich wünsche mir, dass Herr Blatter mal 14 Tage hier lebt.“ Dann, so Blüm, würde er keine Weltmeisterschaft mehr an ein Land vergeben, das Gastarbeiter wie Sklaven ausbeute, von den klimatischen Strapazen für die Fußballer gar nicht zu reden. „Das ist so ähnlich, als würde ich die Rodel-WM in der Sahara machen.“

    Auf den Mund gefallen war er noch nie. Als junger Werkzeugmacher wurde er so bald Jugendvertreter bei Opel in Rüsselsheim, ehe er über den zweiten Bildungsweg das Abitur ablegte, in Bonn Philosophie, Germanistik, Geschichte und Theologie studierte und promovierte. Auch seine Frau Marita, eine Malerin, lernte er dort kennen – in einer Vorlesung des späteren Papstes Joseph Ratzinger. Zehn Jahre später saß er für die CDU im Bundestag.

    Obwohl Blüm ein Mann ist, der sich immer wieder neu ausprobieren muss, hielt es keiner länger als er im Kabinett von Helmut Kohl aus: Die vollen 16 Jahre diente er dem Pfälzer als Sozialminister und setzte unter anderem den Aufbau der Pflegeversicherung durch.

    Seit dem Spendenskandal der CDU allerdings ist ihr Verhältnis zerrüttet. Blüm hatte Kohl damals aufgefordert, den Ehrenvorsitz niederzulegen, seitdem hält der ihn für einen Verräter. Auch das Adjektiv „hinterfotzig“ soll gefallen sein. Seinen Respekt gegenüber Kohls Leistung, sagt Blüm, schmälere das nicht. Aber auch ein Altkanzler, findet er, darf sich nicht über das Gesetz erheben.

    Als Blüm selbst vor 13 Jahren aus dem Bundestag ausschied, buchte er das im schönsten Arbeiterdeutsch unter „Schichtende“ ab. „Ich muss aufpassen, nicht in die Rolle des nörgelnden Großvaters zu rutschen“, sagte er damals – und konnte es doch nicht lassen, sich einzumischen. Gerade erst hat er ein Buch über die Willkür vor deutschen Gerichten geschrieben, und wenn er sieht, wie viele Flüchtlinge sich verzweifelt über das Mittelmeer nach Europa zu retten versuchen, bestätigt das nur den Herz-Jesu-Marxisten in ihm: „Wenn der Abstand zwischen Reich und Arm nicht kleiner wird, wird die Welt in große Turbulenzen geraten.“ Von Norbert Blüm, so viel ist sicher, wird weiter zu hören sein.

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