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WASHINGTON: Der letzte Republikaner

WASHINGTON

Der letzte Republikaner

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    Der einflussreiche US-Politiker und Angehörige der Republikanischen Partei, John McCain, ist gestorben.
    Der einflussreiche US-Politiker und Angehörige der Republikanischen Partei, John McCain, ist gestorben. Foto: Foto: MARIO TAMA/GETTY IMAGES, afp

    Wenige Stunden, nachdem seine Familie den Abbruch der Chemotherapie bekanntgegeben hatte, stellte jemand das Video ins Internet. Es zeigt den damaligen Präsidentschaftskandidaten bei einer Kundgebung in Minnesota. „Ich kann Obama nicht trauen“, meldet sich eine republikanische Anhängerin zu Wort: „Ich habe über ihn gelesen und er ist nicht – hm – er ist ein Araber.“ Da greift John McCain beherzt das Mikrofon, schüttelt den Kopf und sagt: „Nein, meine Dame. Er ist ein ehrenwerter Familienmann und ein Bürger, mit dem ich in zentralen Fragen nicht übereinstimme. Darum geht es in der Kampagne. Er ist kein Araber.“

    Zehn Jahre liegt die Szene nun zurück. Doch innerhalb kürzester Zeit wurde der 30-sekündige Clip Hunderttausende Mal geteilt. Als der 81-jährige Senator am Samstagnachmittag auf seiner Ranch in Arizona dem aggressiven Tumor erlag, der seit einem Jahr in seinem Kopf wütete, war er nicht nur im Netz längst zum Idol und Helden geworden. „Ein Löwe ist von uns gegangen“, klagte die republikanische Senatorin Susan Collins. So empfinden es sehr viele Menschen in den USA.

    Mit McCains Tod verlieren die Republikaner den prominentesten und angesehensten Kritiker von Präsident Donald Trump. Zugleich schrumpft ihre Mehrheit im Senat auf eine einzige Stimme. Mittelfristig wird das Regieren für Trump möglicherweise aber leichter. Nicht nur McCain, der den Verteidigungsausschuss leitete, fällt als mächtiger Gegenspieler weg. Auch Bob Corker, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, tritt bei den Zwischenwahlen im November nicht erneut an. Die beiden potenziellen Nachfolger gelten als deutlich pflegeleichter.

    Heroischer Kriegsveteran, Folteropfer der Vietcong, zweimaliger Präsidentschaftskandidat – die bemerkenswerte Lebensgeschichte des konservativen Admiralssohns McCain gibt genug her, um ihn zu einer Legende zu machen. Doch wirklich verständlich ist das bedrückende kollektive Verlustgefühl, das nun die Amerikaner befällt, nur aus dem scharfen Kontrast eines Menschen, der von Charakter, Prinzipien und Selbstdisziplin geprägt war, mit dem derzeitigen Amtsinhaber im Weißen Haus, der den in Gefangenschaft gefolterten Marinepiloten nicht als Kriegshelden bezeichnen wollte.

    Es ist noch gar nicht so lange her, da galt McCain als rechter Hardliner und Relikt des Kalten Krieges. Im vermeintlichen Dienst der Demokratie hat er stets eine interventionistische Politik der USA unterstützt. Bis zuletzt hat er den Irakkrieg verteidigt. Mit der Berufung von Sarah Palin zu seiner Stellvertreterin, die er im Nachhinein als Fehler bezeichnete, hat McCain die Republikaner für Rechtspopulisten geöffnet. Doch als Vertreter des traditionellen Parteiflügels stand er stets für demokratische Werte, freien Handel und liberale Einwanderungsgesetze, die Trump offen bekämpft.

    Seine Autobiographie, die McCain im Frühjahr veröffentliche, macht den Kontrast überdeutlich: „Er scheint nicht interessiert am moralischen Charakter von Führern und ihren Regierungen“, schrieb der Senator da über den Präsidenten: „Der Anschein von Härte scheint ihm mehr als Werte zu bedeuten. Schmeicheln sichert seine Freundschaft, Kritik seine Feindschaft.“

    Eingefleischte Trump-Fans begannen, den Kriegsveteranen, der nach schweren Misshandlungen seine Arme nicht mehr bis zum Kopf heben kann, zu verhöhnen. Eine Sprecherin des Weißen Hauses kommentierte McCains Kritik an der durch Foltervorwürfe belasteten neuen CIA-Chefin Gina Haspel mit den Worten: „Das ist egal. Der stirbt sowieso.“ Und als Trump kürzlich vor Soldaten eine halbe Stunde lang das nach dem Senator benannte Militärausgabengesetz lobte, erwähnte er den Namen McCains nicht ein einziges Mal.

    Denkbar knapp fällt nun auch die Würdigung aus, die der Präsident dem Verstorbenen zukommen lässt. Nur eine Beileidsbekundung für die Familie, der er seiner Gebete versicherte, brachte Trump heraus.

    Hingegen erklärte der ehemalige Präsident George W. Bush: „John McCain war ein Mann von tiefer Überzeugung und ein Patriot höchsten Ranges“. Und Ex-Präsident Barack Obama betonte, er habe trotz vieler Unterschiede gemeinsame Ideale mit McCain gehabt. Dieser habe dem Land gezeigt, wie man das Wohl der Allgemeinheit über das eigene stellen könne: „Dafür stehen wir alle in seiner Schuld.“

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