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BERLIN: Der Solidaritätszuschlag bleibt – aber wie?

BERLIN

Der Solidaritätszuschlag bleibt – aber wie?

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    Helmut Kohl irrte. „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg“, dachte der Kanzler der Einheit. Das war 1996. Die Mauer ist seit 25 Jahren Geschichte, der eigentlich für den Aufbau Ost gedachte „Soli“ ist aber noch da. Und er soll noch lange bleiben – da dürften sich von Kohls CDU-Erbin Angela Merkel bis zum ersten linken Ministerpräsidenten aus Thüringen, Bodo Ramelow, ausnahmsweise alle einig sein, als die Länderfürsten am Donnerstag zum Finanzbasar bei der Kanzlerin erscheinen.

    Zu groß sind für die Politiker in Bund und Ländern die Nöte, um die erwarteten Einnahmen nach 2019 von fast 20 Milliarden Euro jährlich (aktuell: 15 Milliarden) aus dem „Soli“ nicht fest einzuplanen. Rechtlich ist das unangreifbar: Anders als der Solidarpakt, der 2019 ausläuft, muss der „Soli“ als Ergänzungsabgabe – 5,5 Prozent auf die Steuerschuld – nicht befristet werden. Doch bis zum fair verteilten Geldsegen für klamme Länderhaushalte und die Bundeskasse auch im nächsten Jahrzehnt ist es ein komplizierter Weg. Das bekamen zuletzt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zu spüren. Die Vordenker streuten den Plan, den „Soli“ in die Einkommen-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer einzubauen.

    Versteckte Steuererhöhung?

    SPD und Grüne in den Ländern würden mitmachen. Kein Wunder: Sie würden zusammen mit den Kommunen mehr als die Hälfte der „Soli“-Einnahmen abgreifen. Doch Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer senkten den Daumen. So würden die Unwuchten im System zwischen „reichen“ Geber- und „armen“ Nehmerländern zementiert. Noch mehr fürchtet die Unionsspitze, dass das bei den Bürgern wie eine versteckte Steuererhöhung ankommen könnte – das wäre ein Bruch ihrer Wahlversprechen.

    Die Gefahr ist durchaus real: Würde der „Soli“ vollständig im Tarif der Einkommensteuer aufgehen, könnte das im Extremfall für mehr als 24 Millionen Bürger zu einer höheren Belastung führen. Das würde vor allem Familien mit mehreren Kindern treffen, die aktuell bei niedrigem oder mittlerem Einkommen Kindergeld und zusätzlich einen Kinderfreibetrag für den „Soli“ bekommen. Dieser Freibetrag würde dann wegfallen. Eine Familie mit einem Kind könnte bis zu 203 Euro Steuern im Jahr mehr zahlen, bei vier Kindern wären es sogar bis zu 526 Euro. Auch Firmen wären betroffen, die ihre Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer anrechnen können.

    „Familien zahlen drauf“

    Die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus meinte dazu: „Der Finanzminister muss sich von seinem eigenen Haus vorrechnen lassen, dass er sich zusammen mit Olaf Scholz verkalkuliert hat. Mit dem Schäuble-Scholz-Vorschlag zahlen vor allem Familien mit Kindern und Unternehmen drauf.“ So hat sich Schäuble von dem Ziel verabschiedet, noch im alten Jahr ein Gerüst für die neuen Bund-Länder-Finanzen zu schaffen. Jetzt ist vom Frühjahr 2015 die Rede.

    Dann wird es aber auch Zeit, weil die höchst delikate Gesetzgebung bis zur nächsten Bundestagswahl 2017 abgeschlossen sein soll. Erst wenn eine Deadline näherrückt, dürften gerade jene Länderfürsten, die ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen dürfen, zu Kompromissen bereit sein. Zu Kernfragen sind die Verhandler bislang noch gar nicht vorgedrungen: Finanzausgleich, Steuerwettbewerb mit Zu- und Abschlagsrechten; Verteilung der Umsatzsteuer; gemeinsame Anleihen, Zuständigkeiten für Sozialausgaben; Altschulden.

    Nicht täuschen lassen sollten sich die Bürger von Beschlüssen, die kalte Progression – wo der Fiskus bei sauer verdienten Lohnerhöhungen den Bürgern in die Tasche greift – von 2017 an abzumildern. Erstens: Das Problem ist derzeit überschaubar, weil die Preissteigerung gering ist. Zweitens: Ein Steuerzahler würde dann 2015 laut Schäuble-Haus im Schnitt nur um etwa fünf Euro monatlich entlastet. Drittens: Die Gegenfinanzierung der Entlastung ist völlig offen. Viertens: Eine Zustimmung im Bundesrat ist offen.

    Die Knackpunkte zwischen Bund und Ländern

    Bund und Länder wollen die Finanzbeziehungen für die Zeit nach 2019 neu regeln, wenn der Solidarpakt für den Aufbau Ost ausläuft. Diese Punkte müssen gelöst werden:

    Solidaritätszuschlag: Die Länder wollen an den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag („Soli“) beteiligt werden. Finanzausgleich: Der Ausgleich, der die Verteilung der Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen regelt, muss umgebaut werden. Das Grundgesetz gibt die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ vor. Gemeinschaftsteuern: Bei Soli-Einführung etwa trat der Bund Umsatzsteueranteile an die Länder ab, aktuell 12,5 Milliarden Euro. Das möchten die Länder – neben „Soli“-Geld – behalten. Altlasten: Einige Länder pochen auf Entlastungen bei Altschulden. So könnten Altlasten der Länder in einem Fonds gebündelt werden, der Bund oder andere könnten Zinshilfen leisten. Schuldenbremse: Sie schreibt vor, dass die Länder von 2020 an keine Kredite mehr aufnehmen dürfen. Wettbewerb: Mehr Steuerautonomie und Wettbewerb zwischen den Ländern durch Zu- und Abschlagsrechte etwa bei Lohn- und Einkommensteuer, um Firmen und Einwohner anzulocken. Deutschland-Bons: Gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern, um von Topbonität und niedrigen Zinsen zu profitieren. Text: dpa

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