Das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald erinnert an die tausenden Juden, die von diesem Gleis mit Zügen der Deutschen Reichsbahn aus Berlin deportiert wurden. Im einstigen Machtzentrum der Nazis an der Ecke Wilhelmstraße/An der Kolonnade wird „Hitler-Attentäter“ Georg Elser geehrt. Im Tiergarten erinnert ein Mahnmal an die ermordeten Sinti und Roma. Vor dem Reichstagsgebäude steht ein Denkmal für 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete.
Und dann ist da natürlich noch die zentrale Holocaust-Gedenkstätte Deutschlands: Das Mahnmal in der historischen Mitte Berlins erinnert an die rund sechs Millionen ermordeten Juden.
Schon lange fordern polnische Bürger, die Berliner Denkmäler um ein weiteres „in die Höhe strebendes, weithin sichtbares Gedenkzeichen“ aufzustocken. Denn mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 stehe das Land als erstes deutsches Weltkriegsopfer beispielhaft für die rassistische NS-Politik. Dies solle sich künftig in Berlin an einem öffentlichen Ort des Gedenkens widerspiegeln.
Die Bundesregierung steht dem Thema grundsätzlich offen gegenüber. „Es wird ja auch jetzt schon durch Museen und Gedenkstätten, die der Bund fördert, vielfältig in Deutschland an das Leid der polnischen Opfer erinnert“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Als Beispiele nannte er die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, das Deutsche Historische Museum sowie die KZ-Gedenkstätte in Dachau.
Alleine entscheiden will die Regierung nicht. „Ein Denkmal, wie es jetzt in der Diskussion ist, bedürfte einer öffentlichen Debatte im Deutschen Bundestag. Denn auch der Errichtung anderer Denkmäler hat ein Beschluss des Deutschen Bundestags zugrunde gelegen“, sagte Seibert.
Wo das Denkmal stehen soll, dazu machte Florian Mausbach, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Ende 2017 einen konkreten Vorschlag: auf einer Grünfläche direkt gegenüber des künftigen Dokumentationszentrums der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Deutschlandhaus am Askanischen Platz.
Befürworter des Denkmals beklagen, dass die Kriegsleiden der Polen zu wenig im Bewusstsein der Deutschen verankert seien. Im Zweiten Weltkrieg kamen nach Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung in Polen sechs Millionen Menschen ums Leben.
Unterstützung bekam Mausbach unter anderem von Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und ihrem Nachfolger Wolfgang Thierse. Auch der 2015 verstorbene Auschwitz-Überlebenden und Schirmherr deutsch-polnischer Versöhnung, Wladyslaw Bartoszewskis, wünschte sich ein Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung.
Anfang dieses Jahres hatte die Linksfraktion einen Aufruf für solch einen Gedenkort in Berlin an den Deutschen Bundestag gerichtet. Nach einer kontroversen Debatte sollte dieser bis zum 1. September eine Entscheidung treffen. Denn dann jährt sich der deutsche Überfall auf Polen und somit der Beginn des zweiten Weltkriegs, zum 80. Mal. Mittlerweile gibt es im Bundestag 240 Unterstützer aus allen Fraktionen mit Ausnahme der AfD.
Nicht jeder befürwortet die Idee für ein solches Denkmal. Zum einen wird die Diskussion über ein Denkmal von aktuell geforderten Reparationen der Polen begleitet und bekommt somit für einige den Beigeschmack, bloße Reaktion auf polnischen Druck zu sein.
Außerdem verstärke solch ein Denkmal die „Nationalisierung des Gedenkens“, sagt etwa der Theologe Markus Meckel, einst Bürgerrechtler in der DDR und ihr letzter Außenminister. Als Konsequenz müsse dann jede einzelne Opfergruppe des von Hitlerdeutschland begonnenen Krieges ein eigenes Denkmal bekommen, um sich nicht vernachlässigt zu fühlen. Besser sei seiner Ansicht nach ein Dokumentationszentrum zur Erinnerung an den Vernichtungskrieg der Deutschen im Osten.
Von linken Kreisen kam die Idee auf, ein Sammel-Denkmal für alle osteuropäischen Opfer der NS-Politik zu errichten. In Warschau fand dieser Vorschlag wenig Begeisterung. So erinnerte etwas der polnische Historiker Pawel Ukielski an den Einmarsch der Sowjetarmee in Polen, damals als Verbündeter Hitlers, am 17. September 1939.