Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

LONDON: Die Auferstehung des John Galliano

LONDON

Die Auferstehung des John Galliano

    • |
    • |
    Enfant terrible: Der Brite John Galliano feierte am Montagabend in London seine Rückkehr in der Modewelt (das Foto zeigt ihn bei einer Präsentation im Jahre 2010 in Paris).
    Enfant terrible: Der Brite John Galliano feierte am Montagabend in London seine Rückkehr in der Modewelt (das Foto zeigt ihn bei einer Präsentation im Jahre 2010 in Paris). Foto: Foto: Francois Guillot, Afp

    Es war ein Comeback durch die Hintertür. Den offiziellen Eingang vermied Modeschöpfer John Galliano am Montagabend, zu viele Fotografen wuselten herum, die alle den Stardesigner zu Gesicht bekommen wollten. Der Brite entschied sich für den leisen Weg – in jeglicher Hinsicht. Die Schau in London, wo der 54-Jährige seine erste Damenkollektion für das Pariser Modehaus Maison Martin Margiela vor einer ausgewählten Runde in schlichtem Ambiente vorführte, war klein, sie wurde nicht einmal auf dem offiziellen Programm der Men's Fashion Week angepriesen.

    Die Couture-Präsentation stand im krassen Gegensatz zu den früheren Auftritten des schrillen Paradiesvogels, der es eigentlich laut, auffällig und exzentrisch mag. Doch die Zeiten haben sich geändert für John Galliano – und dass er jetzt wieder sozusagen auferstanden, also auf die Modebühne zurückkehrt ist, hat er wohl seinen einflussreichen Freunden in der Branche wie Supermodel Kate Moss und vor allem Anna Wintour, mächtige Chefin der US-„Vogue“, zu verdanken.

    Märchenhafte Kreationen

    Anderen Prominenten wäre nach ähnlich antisemitischen und rassistischen Entgleisungen der Weg zurück ins Geschäft sicherlich versperrt geblieben. „Ich liebe Hitler“, lallte er im Februar 2011 in einem Pariser Café im historischen jüdischen Marais-Viertel Gäste an, Schimpfworte wie „dreckiges Judengesicht“ fielen. Alles wurde per Handy auf Video festgehalten. Es ging um die Welt.

    In der Folge feuerte das französische Modehaus Dior den verehrten Wunder-Designer – beliebt vor allem aufgrund seiner märchenhaften, opulenten und fantasievollen Kreationen. Die Fashion-Ikone, die sich am Rande ihrer Schauen selbst häufig als Kunstwerk präsentierte, war gefallen – auch wenn Galliano sich in Schadensbegrenzung versuchte und seine beleidigenden Ausfälle auf Alkohol und Medikamente schob.

    Galliano zog sich zurück, machte einen Entzug, gab sich reumütig. Er habe es nicht so gemeint, sagte er einige Zeit später. Doch jedes Mal, wenn er sich einen Schritt in die Öffentlichkeit wagte, erntete er heftigen Widerstand. Bis Oktober vergangenen Jahres, als er zum neuen Kreativchef bei Maison Martin Margiela ernannt wurde. In der Branche sorgte die Berufung aber nicht nur wegen seiner Vergangenheit für Verwunderung, die zurückhaltenden und geradlinigen Entwürfe Margielas gelten als das genaue Gegenteil von den exzentrischen Schnitten Gallianos. Doch die Zusammenarbeit scheint aufzugehen.

    Manche bezeichneten die Entscheidung, Pariser Damenmode während der Londoner Herrenmodewoche zu zeigen, als „merkwürdig“ – viele vermuteten hinter dem Schritt, die Kollektion zwei Wochen vor den Pariser Couture-Schauen zu präsentieren, dass Galliano den Heimvorteil sowie die ihm eher versöhnliche Presse auf der Insel nutzen wollte.

    Immerhin studierte „eines der größten Talente aller Zeiten“ an der Designerschmiede Central St. Martins in der britischen Hauptstadt. Seine Anhängerschar wollte ihm eine zweite Chance geben. Galliano nutzte sie. Er vermied zwar Modeorgien und Kostümreigen, seine Show wurde dennoch von vielen Seiten gefeiert. „Bravo John“, hieß es auf Twitter. Und: „John Galliano scheint sogar stärker und kreativer als jemals zuvor zurückgekommen zu sein.“

    Schwarz. Rot. Samtig. Bodenlang. Schlicht. Zwischendurch blitzte der alte Galliano auf – etwa bei einem Mantel, dessen Vorderteil wie eine riesige Muschel geformt war, wodurch der Eindruck entstand, als würden Organe hervorquellen. Galliano selbst zeigte sich nur kurz, verbeugte sich schnell – und weg war der Auferstandene. Entschwunden durch den Hinterausgang.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden