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Die Blechkomödianten

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Die Blechkomödianten

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    Oberpfälzer Rasselbande: Kommandant Norbert Neugirg gibt bei der Altneihauser Feierwehrkapell'n den Ton an.FOTOs: dpa, Weiss, Höllerer (2)
    Oberpfälzer Rasselbande: Kommandant Norbert Neugirg gibt bei der Altneihauser Feierwehrkapell'n den Ton an.FOTOs: dpa, Weiss, Höllerer (2)

    Ein Feuer gelöscht haben diese schrägen Typen schon lange nicht mehr. Sie haben eines entfacht: Der Funke ist sofort übergesprungen, die Narren waren Feuer und Flamme, als die „Altneihauser Feierwehrkapell'n“ 2006 zum ersten Mal die Sendung „Fastnacht in Franken“ heimgesucht hat.

    Am 5. Februar (um 19 Uhr live im Bayerischen Fernsehen) legt die Horde um Kommandant Norbert Neugirg nach. Zum fünften Mal rücken die Oberpfälzer an, bringen Leben in die Bude. Einsatzbefehl: Veitshöchheim aufmischen, die Franken im Allgemeinen, deren (Humor-)Häuptlinge im Besonderen hochnehmen, provozieren, mit Hingabe verspotten.

    „Ging es nach dem Narr'nbestand, wär Franken längst ein Bundesland“: Für sich ist der Reim nicht zwangsläufig ein Brüller. Was es ausmacht, ist die unnachahmliche Art des Vortrags: wie der spindeldürre Kommandant mit seiner schlecht sitzenden Uniform dasteht, runde Brille, rußgeschwärztes Gesicht, ein Zahn strahlend weiß, der Rest schwarz, und keine Miene verzieht, stoisch-ernst bleibt, wenn sich alle längst vor Lachen den Bauch halten. Ganz im Stile Karl Valentins, seines hochverehrten Idols, von dem der Familienvater offenbar eines besonders verinnerlicht hat: „Jedes Ding hat drei Seiten: eine positive, eine negative und eine komische.“ Die eigene, komische Seite – die hat der Mann immer gespürt, wie er nach einem Auftritt in Regensburg erzählt. Wer wie Neugirg in den 1960er und 1970er Jahren in Wurz aufwuchs, unweit der böhmischen Grenze, für den waren Feuerwehr und Jugendblaskapelle, die Ausbildung zum „blutigen Amateur“, ein logischer Weg. Andere zog es zum Fußball, zu den Schützen, die Streber zur Jungen Union. „Mit 17 zur JU. Und lernt man nichts dazu, geht man zur CSU,“ kalauert Neugirg unter dem Titel „Parteikarriere“.

    Aus Jux und Tollerei, so Neugirg, und „erheblich beflügelt durch unser heimisches Zoiglbier“, sei die Kapelle zu ihrem ersten Auftritt gekommen: 1985 mischte die schräge Blechcombo unangemeldet den Faschingsball der DJK Windischeschenbach auf. Die verblüfften Leute dort waren völlig aus dem Häuschen, so was hatte vorher noch nie jemand gesehen: Burschen in leicht zerfledderten Uniformen, mit schief sitzenden Helmen, die Blech spielen. Unterbrochen von Neugirg mit seinen urkomischen Versen.

    Der hatte einst auf Busreisen seine Eignung zur Rampensau entdeckt: Die Lehre zum Bürokaufmann im elterlichen Fuhrbetrieb war die eine, die ernste Sache. Doch weit lieber schulte Neugirg als Busfahrer und Reisebegleiter sein komödiantisches Talent, unterhielt die Fahrgäste auf das Trefflichste mit Versen von Karl Valentin oder Heinz Erhard.

    Das Jahr 2010 ist für Norbert Neugirg etwas Besonderes, auch wenn er das im Gespräch herunterspielt: Seit dem ersten Auftritt der Altneihauser sind 25 Jahre vergangen, Neugirg wird 50. Und seit zehn Jahren lebt er nun von der „fragwürdigen Kunst des Schreibens und Vortragens“, wie es im Klappentext zu seinem Buch „Was ich so denk'“ heißt. 12 000 Exemplare sind von dem Erstlingswerk verkauft, vom zweiten Buch „Worte, Reim und Bücherleim“ 8000, ein drittes ist bereits in Arbeit.

    „Es gibt eh so viele, die drei Sätze können und meinen, damit auf die Bühne zu müssen.“

    Norbert Neugirg

    Es läuft gerade gut, die Popularität der Altneihauser ist durch die „Fastnacht in Franken“ oder Auftritte bei der „Entstoiberisierung“ in Berlin und zu Horst Seehofers 60. Geburtstag stetig gewachsen. Als Solist tritt Neugirg selten auf, es sei denn als launiger Laudator – oder bei Buchpräsentationen. „Der Gedanke ist schon da. Aber es gibt eh so viele, die drei Sätze können und meinen, damit auf die Bühne zu müssen.“

    Neugirgs Sache ist das nicht, er verwirft die Planspiele immer wieder, grübelt. „Das Gute wächst langsam,“ sagt er fast andächtig. Genau das hat sich auch bei den Altneihausern bewährt: 50 bis 60 Auftritte im Jahr sind das Maximum, diesen Samstag mischen die Oberpfälzer zum Beispiel die Prunksitzung der 1. Karnevalsgesellschaft Elferrat Würzburg auf. „Mehr geht nicht. Außer mir arbeiten alle in ehrbaren Berufen, haben Familie, Kinder. Auch jetzt ist es manchmal schon spannungsgeladen, bei allem Vergnügen.“

    Deshalb gibt es von den schrägen Auftritten der Altneihauser bisher weder CD noch DVD, vielen Anfragen zum Trotz. „Wenn es etwas Gescheites werden soll, ist viel Zeit und gute Vorbereitung nötig. Die haben wir nicht, und Pfusch wegen ein paar Euro machen wir nicht.“ Das gelte auch für die Proben, wo höchste Konzentration gefordert sei, Rumblödeln die Ausnahme bleibt. „Zählt man den Regisseur dazu, haben sich zehn Mann extra Zeit genommen. Die müssen wir dann auch sinnvoll nutzen.“

    Zum Beispiel wird bis zum Exzess geübt, krumm und schief zu spielen, scheinbar aus Versehen. „Ein Markenzeichen ist unser eineinhalbfacher Tusch, entstanden aus einem Missverständnis: Die Kapelle wollte einen zweiten Tusch spielen, ich habe abgewunken. Fertig war der Eineinhalbfache, wir haben den kultiviert, immer weiter ausgebaut. Er ist so etwas wie unser Markenzeichen.“ Perfektion ist Norbert Neugirgs Ziel. In Regensburg gab es am Ende frenetischen, lang anhaltenden Applaus im Kolpinghaus. Restlos zufrieden war der Boss nachher trotzdem nicht. „Wenn sich bei mir ein gewisses Gefühl auf der Bühne einstellt, dann weiß ich: es passt. Ich kann es nicht beschreiben, aber es ist so.“ An diesem Abend habe es ihn ein paarmal rausgeschmissen, sagt er. „Ich spüre dann, ich bin nicht mehr so dran an den Leuten.“

    Höhere Ziele, gute Vorsätze – davon hält Neugirg nichts. „Ich werde die Welt nicht verändern. Das haben schon andere probiert – und sind daran gescheitert.“ Er hält es da eher mit einem Vers: „Der gute Vorsatz soll nebst Lastern, den Abstieg in die Hölle pflastern. Und wiegen deine Laster schwer, dann brauchst du keinen Vorsatz mehr.“

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