Dicke Luft im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Nicht nur die Militär- und Sicherheitspolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei sind empört und entrüstet, sondern auch ihre Kollegen von den Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP hadern mit ihrer Regierung. Am Dienstag haben sie eher beiläufig aus der Presse erfahren, dass Verteidigungsminister Thomas de Maiziere aus einem Prestigeprojekt der Bundeswehr aussteigt, der Entwicklung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“, in das bislang 562 Millionen Euro investiert worden sind.
Am Mittwoch schickt der Minister seinen für das Rüstungsprojekt zuständigen Staatssekretär Stéphane Beemelmans in den Ausschuss, um die Abgeordneten über den Ausstieg zu informieren, doch die geben sich mit dessen Ausführungen nicht zufrieden und fordern weitere Auskünfte – nach Möglichkeit durch de Maiziere persönlich.
Nach der Sitzung fahren die Vertreter der Opposition schwere Geschütze auf. Die Linke nimmt dabei de Maiziere direkt ins Visier. Nach der „grandiosen Fehlinvestition“ sei ein Ministerwechsel fällig, sagt Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. „Herr de Maiziere, es sind schon Minister für sehr viel weniger zurückgetreten.“ Sozialdemokraten und Grüne wollen so weit nicht gehen, gleichwohl werfen sie der Regierung eine monatelange Täuschung des Parlaments vor und sprechen von einem „Vertrauensbruch“. Die Probleme seien bereits Ende 2011 sichtbar gewesen, aber „niemand war bereit, das Parlament zu informieren“, sagt der Obmann der SPD, Rainer Arnold. Und sein Kollege Omid Nouripour von den Grünen höhnt: „Es ist nicht besonders heldenhaft, eine Reißleine nach dem Aufprall zu ziehen.“ Es müsse geklärt werden, zu welchem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass das Drohnen-Projekt nicht zustande kommt.
Mit Unverständnis reagiert auch der Bundeswehrverband. „Die Euro-Hawk-Pleite ist ein schlimmer Verlust“, sagt der Vorsitzende des Verbands, Oberst Ulrich Kirsch dieser Zeitung. „Das Geld hätten wir an anderer Stelle gut gebrauchen können. Bei vielen Rüstungsprojekten müssen aus Kostengründen die Stückzahlen reduziert werden. Da sorgt eine solche Geschichte bei den Soldatinnen und Soldaten für Kopfschütteln.“
Weil der Hersteller der Drohne, der US-Waffenkonzern Northorp Grumman, sich geweigert hatte, sicherheitsrelevante Konstruktionspläne zur Verfügung zu stellen, sah das Verteidigungsministerium keine Aussichten, eine Zulassung für den regulären Flugbetrieb in Deutschland und Europa zu erhalten und stieg aus dem Projekt aus. Zudem fehlte ein vorgeschriebenes Gerät zum automatischen Ausweichen bei Kollisionsgefahr. Zwar wäre es möglich, die Drohne so umzubauen und nachzurüsten, dass sie eine Zulassung erhalte, doch dies würde noch einmal Zusatzkosten von 600 Millionen verursachen, was bei einem Stückpreis von 500 Millionen Euro nicht sinnvoll sei. Die Bundeswehr hatte vor, vier eigene unbemannte Aufklärungsdrohnen zu kaufen, seit Oktober 2011 fanden in Manching bei Ingolstadt Testflüge mit einem ausgelieferten Exemplar statt.
Das Verteidigungsministerium will aus dem Debakel Konsequenzen für weitere Rüstungskäufe aus dem Ausland ziehen. Derzeit werde geprüft, ob beim Hersteller Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Gleichwohl halte die Regierung an ihren Plänen zur Anschaffung von bewaffneten und unbewaffneten Drohnen fest.