Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

BERLIN: Die Ermordung des Journalisten James Foley stellt Medien und ihre Nutzer vor Gewissensfragen

BERLIN

Die Ermordung des Journalisten James Foley stellt Medien und ihre Nutzer vor Gewissensfragen

    • |
    • |
    Brutal ermordet: US-Journalist James Foley auf einem Foto im Januar 2013.
    Brutal ermordet: US-Journalist James Foley auf einem Foto im Januar 2013. Foto: Foto: Nicole Tung, dpa

    Es sind abscheuliche, verstörende Bilder: Ein Mann schaut in die Kamera, kahl geschoren, bald soll er enthauptet werden. Kaum waren am Mittwoch die Bilder des US-Journalisten James Foley vor seiner Ermordung aufgetaucht, verbreitete sich auf Twitter und Facebook dieser Anblick des Leidens millionenfach in Sekundenschnelle. Bald brüstete sich die Miliz vom Islamischen Staat (IS) mit den Fotos. Die Terroristen hatten ihren Propagandaerfolg. Mit den Bildern war es ihnen gelungen, auch im Netz Angst und Schrecken zu verbreiten.

    Zwar sperrten soziale Netzwerke bald die Videos von der Enthauptung, dessen Echtheit am Mittwochabend vom Weißen Haus in Washington bestätigt wurde. Doch solche Darstellungen der Gewalt stellen die Medien immer wieder vor die Frage, wie sie mit den Terrorbildern umgehen sollen. Fotos von enthaupteten IS-Opfern werden bereits seit Wochen auch in etablierten Medien gezeigt.

    Mehrheit verzichtet auf Bilder

    Auf Foleys Hinrichtungsfotos wollte die Mehrheit der Nachrichtenmedien hingegen verzichten, wie aus einer dpa-Umfrage hervorging. „Man darf sich nicht zum nützlichen Idioten von terroristischen Verbrechern machen“, sagte etwa Heribert Prantl, Politikchef der „Süddeutschen Zeitung“. Die Redaktion werde das Verbrechen nur schriftlich schildern. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ wollte ebenfalls auf „Schockbilder“ verzichten. Auch „Spiegel Online“ und „Zeit Online“ zeigten das IS-Material nicht. Die ARD wollte lediglich als Auszug Foleys verpixeltes Standbild zeigen – zur Dokumentation.

    Wie weit sollen Redaktionen gehen, um ein Ereignis für die Leser plastisch und informativ darzustellen? Das Dilemma ist nicht neu, hat sich aber im Internetzeitalter verschärft, sagte die Kunsthistorikerin und Medienwissenschaftlerin Charlotte Klonk von der Berliner Humboldt-Universität.

    Das Netz habe den Druck auf die Printmedien enorm erhöht. „Jedes Bild ist nur einen Klick entfernt.“ Dennoch sollten sich Redaktionen diesem Druck nicht beugen und ihre Rolle als „Schleusenwärter“ weiter wahrnehmen, sagte Klonk.

    Der Deutsche Presserat hat als Selbstkontrollorgan Regeln für den Umgang mit Gewaltdarstellungen aufgestellt. Eine Veröffentlichung von Bildern Foleys etwa kurz vor seiner Ermordung aus Informationsgründen und Ereignis der Zeitgeschichte sei zwar denkbar, sagt Geschäftsführer Lutz Tillmanns. Doch sollte das Opfer unkenntlich gemacht werden. „Wer Bilder veröffentlicht, auf denen der Journalist erkennbar wird, macht sich ethisch angreifbar.“

    Öffentliche Debatte gefordert

    Der Stuttgarter Medienwissenschaftler Oliver Zöllner plädiert dagegen für Komplettverzicht. „Welche Zusatzinformationen sollen eigentlich solche Bilder liefern?“, fragt Zöllner und erinnert daran: „Für diese Fotos musste ein Mensch sterben.“ Zöllner, der an der Hochschule der Medien lehrt, wünscht sich eine öffentliche Debatte: „Wollen wir etwa in einer Gesellschaft leben, in der solche Bilder akzeptabel sind?“ Schon in der Schule sollten Kinder über den ethischen Umgang mit Bildern aufgeklärt werden.

    „Die Horrorbilder sind Strategie“, schrieb der Reporter Daniel Etter auf „Zeit Online“, der Foley zuletzt im Sommer 2012 in Aleppo begegnet war. „Sie verbreiten Terror in den sozialen Medien, die kaum zu kontrollieren sind, und werden oft genug von den traditionellen Medien aufgegriffen.“ Er wolle sich nicht vorstellen, wie es für Foleys Familie gewesen sein müsse, vom Tod des Sohnes und Bruders im Internet zu erfahren.

    Für Charlotte Klonk stehen angesichts der digitalen Bilderflut Nutzer und Leser mehr denn je in der Verantwortung. „Jeder einzelne Betrachter entscheidet, welches Bild er sich anschauen will – und welches nicht.“

    James Foley – vom Lehrer zum Kriegsreporter

    Der Journalist James („Jim“) Foley (40) war ein Kriegsreporter aus Leidenschaft. „Jim überzeugte uns, dass die Berichterstattung vom Ort des Geschehens einer der besten Wege ist, der Welt die Wahrheit zu zeigen“, sagte sein Vater John in einem Interview mit der Fachzeitschrift „Columbia Journalism Review“ 2013. Foley reiste in Krisengebiete, um für internationale Medien zu schreiben, zu fotografieren und Videos zu drehen. Kollegen loben seinen Mut, seine Hingabe für die Wahrheit und Verständlichkeit der Berichterstattung über das Schicksal der Menschen in Kriegsgebieten. Bereits 2011 war er 45 Tage von dem Regime in Libyen festgehalten worden. Der Journalismus war erst seine zweite Karriere. James Foley wurde am 18. Oktober 1973 in New Hampshire geboren und wuchs mit vier Geschwistern auf. Er studierte Geschichte in Wisconsin und kreatives Schreiben in Massachusetts. Anschließend arbeitete er zunächst als Lehrer in Arizona. Mit 35 entschied er sich, Journalismus zu studieren. Nach dem Abschluss gehörte zu seinen ersten Aufträgen, eingebettet in den Reihen der US-Armee vom Krieg in Afghanistan zu berichten. Text: dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden