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Die Kanzlerin kann TV-Duell

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Die Kanzlerin kann TV-Duell

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    In den vergangenen TV-Duellen konnte Angela Merkel die Mehrheit der befragten Zuschauer nicht überzeugen. Nach der Debatte gegen den SPD-Herausforderer Martin Schulz jedoch lag sie in den Umfragen vorne.
    In den vergangenen TV-Duellen konnte Angela Merkel die Mehrheit der befragten Zuschauer nicht überzeugen. Nach der Debatte gegen den SPD-Herausforderer Martin Schulz jedoch lag sie in den Umfragen vorne. Foto: Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Schade, dass es kein zweites TV-Duell gibt.“ Der Satz sorgt für hämisches Gelächter, er fällt in einer Runde von Landes- und Bundespolitikern der CDU. Die stehen Sonntagnacht nach dem Ende des wohl wichtigsten Termins in diesem Bundestagswahlkampf noch zusammen im Fernsehstudio in Berlin-Adlershof. Die erste Aufregung nach dem 90-minütigen medialen Schlagabtausch zwischen Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz von der SPD hat sich gelegt. Die Bundeskanzlerin ist nach einem schnellen Glas Weißwein schon gegangen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier genehmigt sich jetzt ein Pils, die Stimmung ist gelöst.

    Wenn in diesem Grüppchen nun bedauert wird, dass es bei dem einen Duell bleibt, ist das als Scherz gemeint, als böser Spott in Richtung SPD. War es doch das Merkel-Lager, das sich zuvor gegen ein zweites Aufeinandertreffen der Kanzlerin mit Schulz im Fernsehen erbittert gesträubt hatte. Weil Angela Merkel das Format nicht mag, weil es ihr eigentlich nicht liegt. Weil sie nach allen ihrer drei Fernsehduelle zuvor, 2005 gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder, 2009 gegen Frank-Walter Steinmeier und 2013 gegen Peer Steinbrück, eher als Verliererin galt. Die freilich die Wahlen darauf jeweils trotzdem gewonnen hat.

    „Das TV-Duell verdient den Pokal für das am meisten überschätzte Fernsehereignis.“

    Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, Universität Tübingen

    Und jetzt, ausgerechnet gegen Martin Schulz, der als „Rampensau“ gilt, der so gerne ein zweites Duell gehabt hätte, da geht Merkel auch noch als Siegerin hervor. Dass sie das bei der CDU so sehen, ist klar. Doch dieses Mal sieht es offenbar auch das Publikum so: In einer Infratest-Umfrage im Auftrag der ARD liegt die Kanzlerin bei der Frage, wen die Zuschauer überzeugender fanden, mit 55 Prozent klar vor Martin Schulz mit 35 Prozent.

    Nach dem Ende der Livesendung vor rund 16,1 Millionen Zuschauern reklamiert auch das SPD-Lager den Sieg für sich. Lauter noch als nebenan bei der Union ist das Jubeln und Klatschen. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, strahlt demonstrativ, und Justizminister Heiko Maas ist überzeugt: „Martin Schulz und der gesamten SPD wird das Duell Rückenwind geben.“ Doch die meisten SPD-Granden machen sich recht schnell auf den Heimweg. In Gesprächsfetzen klingt das Wort „versemmelt“ durch. Dass Schulz mit dem Duell die erhoffte Aufholjagd starten kann, scheint mehr als fraglich.

    In Umfragen zur Wählergunst liegt er seit Monaten abgeschlagen zurück. 17 Prozent Vorsprung hat die Union momentan auf die SPD. So hat sich der Kanzlerkandidat aus Würselen zuletzt vor allem an Schätzungen geklammert, wonach die Hälfte der Wahlberechtigten noch unentschlossen ist. Und dass ein großer Teil der Wankelmütigen für die SPD zu begeistern wäre.

    Doch der Fernsehsender RTL hat nach dem Duell genau diese Gruppe befragt. 62 Prozent der Unentschlossenen unter den Zuschauern konnten keinen Sieger ausmachen. Und vom Rest sieht die Mehrheit (21 Prozent) Angela Merkel vorn, nur für 18 Prozent ist Schulz der Gewinner. Von Kehrtwende also keine Spur.

    Woran das liegt, das versuchen die Strategen im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, jetzt zu analysieren. Waren Schulz? Angriffe auf Merkel noch zu zahm? Schon zu Beginn des Streitgesprächs macht Schulz klar, dass er Merkel zwar attackieren will, aber eben nicht zu scharf. Seinen kürzlich erhobenen Vorwurf, die Kanzlerin drücke sich um inhaltliche Auseinandersetzung, dies sei ein „Anschlag auf die Demokratie“, will er im Fernsehen nicht wiederholen.

    In der Flüchtlingsfrage, Merkels wundem Punkt, kritisiert Schulz nur, dass Merkel die europäischen Nachbarn nicht besser eingebunden hat. Später nötigt er Merkel ein klares Nein zur „Rente mit 70“ ab. Doch die wenigen Angriffe lässt eine bestens präparierte, meist souverän auftretende Kanzlerin an sich abprallen. Ansonsten herrscht in vielen Punkten eine Einigkeit, die von den Jahren Großer Koalition zwischen Union und SPD zeugt. Und eine Fortführung auch als Möglichkeit stehen lässt.

    Selbst wenn es, was ausgeschlossen scheint, vor dem 24. September noch einen zweiten öffentlichen Schlagabtausch mit Merkel gäbe – Martin Schulz hätte es schwer, noch genügend Unentschlossene davon zu überzeugen, dass er Kanzler kann. Denn jetzt kann die Kanzlerin auch Fernsehduell.

    Außerdem fällt das Fazit des Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen von der Universität Tübingen deutlich aus: „Es gab zu viele Moderatoren, zu wenig thematische Vielfalt, zu häufige Unterbrechungen, zu wenig wirkliches Gespräch und zu viele Versuche, im engen Korsett des Formats noch irgendwie zu punkten.“ Die Sendung habe dem Zuschauer so gut wie nichts Neues gebracht. Pörksens Fazit: „Das TV-Duell verdient schon jetzt den Pokal für das am meisten überschätzte Fernsehereignis des Jahres.“

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