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DUISBURG: Die Loveparade-Tragödie war abzusehen

DUISBURG

Die Loveparade-Tragödie war abzusehen

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    Gedenken: Kreuze mit den Namen von Opfern an der Gedenkstätte für die Loveparade-Katastrophe in Duisburg. 2010 kamen bei einer Massenpanik 21 Menschen ums Leben.
    Gedenken: Kreuze mit den Namen von Opfern an der Gedenkstätte für die Loveparade-Katastrophe in Duisburg. 2010 kamen bei einer Massenpanik 21 Menschen ums Leben. Foto: Foto: Federico Gambarini/dpa

    Die Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten wird zum Fall für die Richter. Rund dreieinhalb Jahre nach dem Unglück hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen mutmaßliche Verantwortliche erhoben. Die Ermittlungen um das tragische Geschehen seien abgeschlossen, teilte die Duisburger Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Wer angeklagt ist und wie der Tatvorwurf lautet, soll an diesem Mittwoch bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden.

    Die Anklageschrift sei beim Landgericht Duisburg eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag. Das Landgericht muss nun prüfen, ob es das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten eröffnet.

    Viel zu kleine Zugangsrampe

    Am 24. Juli 2010 war während der Loveparade eine Massenpanik ausgebrochen. Am Zugang zum Veranstaltungsgelände der Technoparade wurden 21 junge Menschen erdrückt oder zu Tode getreten. Hunderte wurden verletzt. Es hatte für das ganze Gelände nur einen einzigen Ein- und Ausgang gegeben.

    Die Zugangsrampe sei viel zu klein für die Besucherströme gewesen, hatte der britische Massendynamik-Experte Keith Still resümiert. Ihm zufolge war es mit dem von der Stadt genehmigten Konzept nicht einmal theoretisch möglich, das Fest gefahrlos durchzuführen.

    In einem umfangreichen Verfahren war einst gegen 16 Beschuldigte ermittelt worden, unter ihnen Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent. Jüngsten Medienberichten zufolge hat die Staatsanwaltschaft den Kreis der Beschuldigten auf jetzt zehn Personen verkleinert. Die Ermittlungen gegen den Polizeieinsatzleiter und einen leitenden Mitarbeiter der Stadt Duisburg sollen eingestellt worden sein.

    Der in Bamberg geborene Rainer Schaller, Inhaber der Fitness-Kette McFit, deren erste Filiale er 1997 in Würzburg eröffnete, ist auch Geschäftsführer von Lopavent. Er hatte ebenso wie Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nicht zu den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gezählt. Das Duisburger Stadtoberhaupt musste jedoch rund anderthalb Jahre nach der Tragödie abtreten. Eine Bürgerinitiative hatte seine Abwahl durchgesetzt. Er hatte lange Zeit jegliche Verantwortung von sich gewiesen.

    Manchen Augenzeugen zufolge war die Panik schon am Nachmittag abzusehen. Erst klappten Menschen im Tunnel und vor dem Aufgang zum Partygelände zusammen. Sie bekamen kaum Luft, weil immer mehr Besucher nachströmten und andere gleichzeitig gehen wollten. Dann eskalierte die Situation.

    „Wir standen mittendrin. Es hatten immer mehr Menschen noch versucht, zum Gelände zu kommen“, sagte damals der 21-jährige Techno-Fan Fabio aus Duisburg kurz nach dem Unglück. „Wir waren schon durch den Tunnel durch und standen auf dem kurzen Stück vor dem Eingang. Dort ging es aber nicht weiter.“ Einige seien über Zäune und über eine Leiter geklettert oder über eine enge Treppe zum Gelände hoch. „Wir sind danach durch den Tunnel zurück. Meine Freundin und ich haben schon kaum mehr Luft bekommen und haben die Ellbogen ausgefahren, um noch wegzukommen“, erzählte Fabio. „Anschließend haben wir die Polizei alarmiert und gesagt, dass es im Tunnel gleich zur Massenpanik kommen wird.“ Das sei etwa eine Dreiviertelstunde vor dem Unglück gewesen. „Da waren aber schon Leute reihenweise zusammengeklappt.“

    Nach und nach verbreitete sich die Schreckensnachricht. In die wummernde Musik mischte sich Rotorenlärm der Rettungshubschrauber. Partygäste saßen vor der absperrenden Banderole auf dem Loveparade-Gelände, schüttelten den Kopf, das Gesicht voller Tränen. Andere, die nichts mitbekommen hatten, feierten weiter. Aus Angst vor einer weiteren Panik brach der Veranstalter das Fest noch nicht ab.

    Heute noch denkt Fabio, inzwischen 25 und Brauer in London, an das Geschehen zurück. Er sucht die Aussage, die er der Polizei geschickt hat. „Ich stand mitten im Geschehen und habe 45 Minuten vor dem Unglück das Unglück vorausgesagt und einen Veranstalter darauf aufmerksam gemacht. Außerdem habe ich einen Polizisten informiert. Es hätte verhindert werden können.“

    Die Erlebnisse sind noch im Kopf

    Was mit seiner Beschreibung geworden ist, weiß Fabio nicht: „Ich empfinde noch immer, ich wurde nicht ausreichend gehört“, sagt er. „21 Tote – das ist eine große Nummer. Ich weiß bis heute nicht, ob die Menschen, die wir über den Köpfen getragen haben, tot oder lebendig waren. Gruselig, oder?“

    Seine Erlebnisse bekommt Fabio nicht mehr aus dem Kopf: „Wichtig ist, dass so etwas nicht wieder passiert. Ich habe noch häufig in der Öffentlichkeit das Gefühl: Oh, jetzt wird's zu eng.“

    Die Opfer

    Die Loveparade-Tragödie kostete 21 Menschenleben. Die Frauen und Männer im Alter zwischen 17 bis 38 Jahren wurden im Gedränge im Zugangsbereich des Veranstaltungsgeländes erdrückt oder zu Tode getreten. Die Todesopfer stammen aus Deutschland, den Niederlanden, China, Australien, Spanien und Italien. Mehr als 500 Besucher wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Vermutlich Tausende erlitten im Gedränge psychische Schäden. Manche leiden bis heute unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Text: dpa

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