Vor der Fassade des Rathauses in der spanischen Hauptstadt weht eine riesige Regenbogenflagge im Wind. Madrids progressive Bürgermeisterin Manuela Carmena ließ Hunderte Ampeln umrüsten, so dass nun die Grün- und Rotphasen nicht mehr durch das traditionelle Ampelmännchen, sondern durch das Bild gleichgeschlechtlicher Paare signalisiert wird. „Wen du auch immer liebst“, rief Carmena zur Eröffnung des gigantischen World-Pride-Festivals, „Madrid hat dich gerne.“
Spaniens größte Stadt steht in diesen Tagen ganz im Zeichen des weltweit größten Festes der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGTB). Bis zu zwei Millionen Besucher werden an diesem Wochenende zu dem Riesenfest erwartet, dessen Höhepunkt eine prachtvolle Parade durchs Stadtzentrum am Samstag sein wird. Es ist ein internationales Ereignis, zu dem Debatten, Konzerte, Theater und Ausstellungen gehören. Und ein Festival des Stolzes, das auch dazu dient, gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung zu demonstrieren. Die ganze Stadt, in der drei Millionen Menschen leben, scheint unter dem Regenbogen zu erleuchten: Flaggen mit den Farben der Lesben- und Schwulenbewegung wehen auf Straßen, an Fenstern, Balkonen und vor Geschäften.
In Madrids kreativem Stadtviertel Chueca, dem Epizentrum der Szene, schillert sogar die gesamte Metro-Station in diesem Farbspektrum, das weltweit zum Symbol der Akzeptanz und Vielfalt geworden ist. Sogar Brunnen und Monumente erstrahlen nachts im Regenbogenlicht.
„Wir müssen auf die Straße gehen und rufen, dass wir frei sind, das wir gleich sind, dass wir anders sind, dass wir Rechte haben und Lust, das Leben zu feiern“, fordert Juan Carlos Alonso, der Koordinator des World-Pride-Festes. Das früher so erzkonservative und katholische Spanien habe sich zwar heute in ein liberales und tolerantes Land gewandelt. Doch es gebe immer noch viele Staaten in dieser Welt, in denen die Angehörigen der LGBT-Gemeinschaft „ihr Leben aufs Spiel setzen, und zwar nur, weil sie lieben, wen sie lieben wollen“.
Madrid als globale Hochburg 2017 der Homosexuellen ist gut gewählt: Vor 40 Jahren demonstrierten in dieser Stadt erstmals Lesben und Schwule für ihre Rechte. In einer Zeit, in der der Mief der 1975 untergegangenen Franco-Rechtsdiktatur und des begleitenden National-Katholizismus noch Spanien prägte. Während der Franco-Diktatur (1939–1975) wurden Homosexuelle verfolgt und eingesperrt. Heute gilt Spanien als Vorreiter bei der Anerkennung der Rechte gleichgeschlechtlicher Paare.
Im Jahr 2005 wurde von der damaligen sozialistischen Regierung die Homo-Ehe legalisiert. Das war eine Revolution, die auch vom aktuellen konservativen Regierungschef Mariano Rajoy nicht angetastet wurde. Das Klima der Toleranz, das sich in Spanien ausbreitet, führt dazu, dass inzwischen viele Prominente, darunter Spitzenpolitiker aller Parteien, offen zu ihrer Homosexualität stehen.
Aber auch Spanien ist noch nicht frei von Diskriminierung und Homophobie: Allein in Madrid registrierte die Beobachtungsstelle für homophobe Gewalt 240 Fälle von verbalen oder körperlichen Aggressionen. Hierbei handle es sich um die Spitze des Eisberges, heißt es im Jahresbericht 2016, da die Mehrheit der Betroffenen die Attacken nicht anzeigt. „Seid tapfer“, ermuntert Madrids Bürgermeisterin Carmena die Teilnehmer des World-Pride-Festivals. „Noch fehlen viele Gesetze und viel Anerkennung, die erkämpft werden müssen.“
„Wen du auch immer liebst, Madrid hat dich gerne.“
Manuela Carmena, Madrids Bürgermeisterin