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Ein Fisch, unzählige Geschichten

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Ein Fisch, unzählige Geschichten

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    Der Karpfen ist robust und anpassungsfähig: Er eignet sich besonders gut für die Zucht und ist pflegeleichter als Forelle, Zander oder Saibling.
    Der Karpfen ist robust und anpassungsfähig: Er eignet sich besonders gut für die Zucht und ist pflegeleichter als Forelle, Zander oder Saibling. Foto: Foto: SeaTops

    Der Karpfen ist von jeher ein beliebtes Weihnachts- und Silvesteressen in Franken. Das typische Festtagsgericht ist der gebackene Karpfen. Hierzu wird der Fisch vom Kopf einschließlich des Schwanzes halbiert, gesalzen, in Mehl oder Semmelbrösel gewendet und in heißem Butterschmalz gebacken. Dazu gibt es Kartoffel- und Endiviensalat. Die fettärmere Variante ist Karpfen blau. Dazu lässt man den Fisch in einem Sud aus Wasser und Essig mit viel Wurzelgemüse, Zwiebeln und Wacholderbeeren ziehen.

    Im Aischgründer Karpfenmuseum in den Räumen des Alten Schlosses in Neustadt an der Aisch erfährt man alles, was man schon immer über den dickbauchigen Fisch wissen wollte. Vor fünf Jahren wurde das Heimatmuseum in ein Karpfenmuseum umgewandelt. Die Idee dazu hatte der Geschichts- und Heimatverein des Ortes, dessen Vorsitzende Carola Kabelitz ist. Alle Ausstellungsstücke hat der Verein zusammengetragen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Etwa 8000 Besucher kommen pro Jahr in das neue Museum, das mit seinen interaktiven Elementen auch Kindern Spaß macht.

    Der Karpfen, der ursprünglich aus Asien stammt, kam mit den Römern nach Europa. Schon Karl der Große soll den Anstoß für die Teichwirtschaft in Franken gegeben haben. Ab dem 11. November, dem Martinstag, begann die Fastenzeit vor Weihnachten vor allem in den Klöstern. „Bis zum ersten Weihnachtsfeiertag wurde kein Fleisch gegessen, stattdessen nur Fisch“, erklärt Kabelitz. So kam der Fisch nach Franken. Ihren Höhepunkt erfuhr die Teichwirtschaft im Mittelalter. Heute arbeiten die meisten Teichwirte nur noch im Nebenerwerb. „Das ist eine Nische der Landwirtschaft.“ Im Aischgrund werden 5000 Teiche mit einer Gesamtfläche von 3500 Hektar bewirtschaftet. Daher ist die Teichwirtschaft immer noch ein bedeutender wirtschaftlicher, aber auch kultureller Faktor, der die Region prägt. Davon erzählt das Karpfenmuseum in zehn Schauräumen.

    Vom Ei bis zum Speisefisch hat der Karpfen ein vergleichsweise langes Leben. Das erfährt der Besucher in einem kurzen Film, der auf die Ausstellung einstimmt. Mitte Mai bis Mitte Juni ist Laichzeit der Karpfen. „Mit einem Jahr sind die Fische etwa zwei Zentimeter groß“, erklärt Carola Kabelitz. Nach drei Jahren wird der Karpfen als Dreipfünder „geerntet“. Mit den alten Gerätschaften zeigt das Museum, wie viel Arbeit in der Teichwirtschaft steckt. Zum Beispiel beim Ausmähen des Weihers: „Schilf und Grasbewuchs wurden mit Sensen, Weihersägen und später Mähbooten entfernt“, erklärt Kabelitz.

    Eine Sage erzählt vom Ursprung des Tellerkarpfens: Der Bamberger Bischof soll von seinen Seemeistern verlangt haben, ihm einen Fisch zu züchten, der den Teller ordentlich fülle. Ergebnis dieses frommen Begehrens: der hochrückige Aischgründer Spiegelkarpfen, mit viel Fleisch und wenig Schuppen. Carola Kabelitz weiß, was diesen so einzigartig macht: „Der Karpfen ist ein eiweißreicher Süßwasserfisch, viel weniger fett als der Lachs und reich an Omega-3-Fettsäuren.“

    Auch in Unterfranken gibt es etwa 25 000 Angler und 500 Flussfischer sowie etwa 300 Teichwirte im Haupt- und Nebenerwerb. „Unsere Karpfengebiete sind die Haßberge, der Steigerwald und der Landkreis Kitzingen“, sagt Wolfgang Silkenat, Fachberater für Fischerei beim Bezirk Unterfranken. „Der Karpfen ist robust, anpassungsfähig und er mag es warm. Daher ist er viel pflegeleichter als Forelle, Zander oder Saibling.“

    Der Lebensraum Weiher ist für Kinder interessant: Ein Diorama zeigt am Weiher beheimatete Tiere wie Teichmolch, Salamander, Krebs-, Teich- und Flussmuscheln sowie Biber und Kreuzotter. Auf Knopfdruck werden die lebensecht gestalteten Tiere von einem Scheinwerfer angestrahlt. Stimmen von Teichhuhn, Haubentaucher, Silbermöwe und Eisvogel ertönen. Klar, dass es den Karpfen auch in einem Aquarium in natura zu sehen gibt: Leise zieht er dort seine Bahnen zusammen mit typischen Teichfischen wie Schleie, Rotauge oder Gründling.

    Ernährungsphysiologisch gesehen ist der Karpfen ein hochwertiges Naturprodukt: kalorien- und fettarm, eiweißreich und mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Ähnlich wie Muscheln isst man Karpfen in den Monaten mit „r“, also von September bis April. Zwar wäre die Verfügbarkeit außerhalb dieses Zeitraums heute kein Hindernis mehr, dennoch wird diese Tradition im Aischgrund beibehalten. Der Geschmack des Fisches selbst ist auch unter Gourmets umstritten. Manche finden ihn strohig oder fade. Andere schätzen dagegen sein „nussiges“ Aroma. Geschmack und Konsistenz des Karpfens hängen stark von den Haltungsbedingungen und der verwendeten Zufütterung ab. „Normalerweise ernährt sich der Fisch von Plankton und Rädertierchen“, sagt Kabelitz. Viele Züchter füttern Roggen, Gerste, Triticale, Soja oder Pelletfutter zu.

    Wichtig ist neben der richtigen Zubereitung auch die Wasserqualität in den letzten Tagen vor dem Töten des Tieres. Wird der Fisch direkt aus dem Ursprungsgewässer heraus zubereitet, schmeckt er oft strohig oder schlammig. Der Fisch wird deshalb zuvor in frisches Wasser (eine Hälterung) eingesetzt. „Etwa 14 Tage sollte der Fisch nur noch in klarem Wasser schwimmen“, sagt die Karpfenexpertin Kabelitz. Das Entfernen der Kiemen wird auch empfohlen, da sich besonders in diesen Schlamm anlagert und so den Geschmack des Gerichtes negativ beeinflussen kann.

    „Fisch ist gesund und bekömmlich. Weil er nicht schwer im Magen liegt, ist er das ideale Essen an den Feiertagen “, bestätigt Silkenat. Und keine Angst vor den berüchtigten Y-Gräten. Das Essen eines Karpfens sei reine Übungssache. Nur werde das heute in vielen Familien nicht mehr geübt. „Viele Kinder kennen nur noch Fischstäbchen“, klagt Silkenat. Um Esskultur geht es auch im Rittersaal des Karpfenmuseums. Hier dürfen sich die Besucher an eine festliche Tafel setzen. An jedem Platz befindet sich eine Servierhaube, unter der sich ein Karpfen befindet: Karpfen blau, Karpfen gebacken oder nur noch Gräten – über den Kopfhörer gibt es Informationen. Zu sehen sind auch Fischpfannen, Zangen zum Wenden des Karpfens und natürlich Fischbesteck. Außerdem verraten Spitzenköche ihre Lieblingsrezepte.

    Auch allerlei Kurioses hat seinen Platz in der Ausstellung: Gezeigt werden Krawatten, Geldbörsen und Kleider aus Karpfenleder, Schuppenstickerei und ein Collier aus bernsteinfarbenen Karpfensteinen. „Der Karpfenstein befindet sich im Kopf des Tieres“, erklärt Carola Kabelitz. Es handelt sich dabei um die Kauplatte des Fisches. Nach alter fränkischer Tradition sollen Karpfensteine oder auch Schuppen im Geldbeutel dafür sorgen, dass das Geld nie ausgeht.

    Der Karpfen als Festtagsessen hat in Franken Tradition. Beim Gebackenen werden Haut und Flossen mitgegessen, bei Karpfen blau lässt man die Haut am Teller liegen. Wolfgang Silkenat rät, den Fisch ganz frisch bei einem Teichwirt aus der Region zu kaufen. Adressen von Teichwirten gibt es auf der Homepage des Bezirks Unterfrankens. Wer mehr über den Fisch wissen möchte, kann in den Ferien einen Abstecher zum Karpfenmuseum machen.

    Aischgründer Karpfenmuseum

    Seit 2008 gibt es in Neustadt an der Aisch das „Aischgründer Karpfenmuseum“ im Alten Schloss. In zehn Schauräumen dreht sich alles um die Karpfenzucht und ihre Geschichte, die Arbeit des Teichwirts sowie die Flora und Fauna der Teiche. Noch dazu können die Besucher den Fischen einmal tief in die Augen schauen. In einem großen Aquarium drehen Karpfen mit anderen typischen Teichfischen ihre Runden.

    Weitere Informationen und Öffnungszeiten im Internet unter: www.karpfenmuseum.de

    Wer Fische ganz frisch beim Teichwirt kaufen möchte, findet dazu auf den Internetseiten der Fischereifachberatung beim Bezirk Unterfranken Informationen. Unter Veröffentlichungen findet man einen Link zum „Fischeinkauf bei Flussfischern und Teichwirten“ und außerdem ausgezeichnete Fischlokale in der Region:

    www.bezirk-unterfranken.de

    Gebacken, im Bierteig oder gar blau – der Karpfen ist der liebste Fisch der Franken. Dazu ist im Herbst 2013 im Ars Vivendi Verlag ein Kochbuch erschienen: „Karpfen, Kräuter, Kren und Kirschen“. Das Buch richtet sich an Hobbyköche und Karpfenliebhaber und bietet mehr als 40 verschiedene Karpfenrezepte.

    Gebackener Karpfen nach fränkischer Art:

    Für vier Personen braucht man zwei küchenfertige Karpfen (1,5 Kilo), Salz, Pfeffer, etwas Weizenmehl, Butterschmalz zum Ausbacken.

    Nach dem Säubern die Karpfen trocken tupfen und längst halbieren. Dann salzen und pfeffern. Butterschmalz in der Fritteuse auf 180 Grad erhitzen. Anschließend Karpfenhälften im Mehl wenden und in etwa acht Minuten goldgelb backen. Das Fett auf einem Küchenpapier gut abtropfen lassen. Als Beilagen eignen sich ein Kartoffelsalat oder ein gemischter Salatteller.

    „Der Karpfen ist ein eiweißreicher Süßwasserfisch und viel weniger fett als Lachs.“

    Carola Kabelitz Initiatorin des Karpfenmuseums

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