Wann die Seeleute Kenia verlassen und zurück in ihre Heimatländer fliegen können, stand auch am Sonntag noch nicht fest. Fünf Mitglieder der Besatzung stammen aus Deutschland, zwölf aus Tuvalu im Südpazifik, drei aus Russland, zwei aus der Ukraine und zwei von den Philippinen.
Die „Hansa Stavanger“ war am 4. April 400 Seemeilen vor der somalischen Küste von Seeräubern überfallen und gekapert worden. Erst am 3. August gaben die Piraten das Schiff gegen ein Millionen-Lösegeld wieder frei. Eskortiert von der Fregatte „Brandenburg“ traf der Frachter am Samstag in Mombasa ein, wo Angehörige, Botschafts- und Reedereivertreter sowie Journalisten aus aller Welt am Kai warteten.
Und während Beamte des Bundeskriminalamts am Sonntag mit der Spurensicherung auf dem Schiff begannen, flammte am Wochenende zum wiederholten Mal die Diskussion darüber auf, der Bundeswehr per Grundgesetzänderung die Befreiung von Geiseln zu ermöglichen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies die Forderung, die Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in der „Bild am Sonntag“ abermals erhoben hatte, erneut zurück. Die Bundeswehr dürfe bereits im Rahmen der Operation „Atalanta“ vor dem Horn von Afrika Geiseln aus der Hand von Piraten befreien, eine Verfassungsänderung sei dazu nicht notwendig, sagte Zypries dem „Hamburger Abendblatt“.
Verständlicherweise schert diese Debatte die Seeleute in Mombasa im Moment herzlich wenig. „Ich bin ein glücklicher Kapitän von einem unglücklichen Schiff“, sagt der erschöpfte Kapitän der „Stavanger“, Krzysztof Kotiuk. „Nach vier Monaten sind wir sehr müde. Wir möchten allen danken, die bei den Verhandlungen dazu beigetragen haben, diese fürchterliche Situation zu beenden. Zuvor hatte er von einem Martyrium mit Scheinhinrichtungen und anderen Schikanen der Piraten während der Geiselhaft berichtet.
Noch bevor das Schiff richtig festgemacht hat, bringt ein Schlepper schon mal einen Zahnarzt und einen Allgemeinmediziner an Bord. „Die Hälfte der Mannschaft musste vom Zahnarzt behandelt werden“, sagt Torsten Ites, der Kommandant der deutschen Fregatte „Brandenburg“, vor den versammelten Journalisten am Kai. Jedes dritte Mannschaftsmitglied sei auch gleich medizinisch versorgt worden. „Ich freue mich, sagen zu können, dass es allen gut geht. Langsam kommt das Lächeln wieder“, meint Ites. „Sie sind alle zuversichtlich, nun da sie in Freiheit sind und wieder erste Schritte in Freiheit tun.“
Doch hinter den Seeleuten liegt ein Martyrium. Gewalt, Angst und psychische Folter waren an der Tagesordnung. „Psychoterror rund um die Uhr“, beschreibt Kapitän Kotiuk die Situation. Die hygienische Situation war furchtbar. Selbst Zahnpasta und Zahnbürsten nahmen ihnen die Seeräuber weg. Die Mannschaft musste auf der Brücke kampieren. Vier Monate lang.
Es war ein Alptraum. Einige Tage nach der Geiselnahme hatte der 170 Meter lange Frachter nahe dem somalischen Piratenunterschlupf Haradhere Anker geworfen. An Bord wurde die Lage immer dramatischer. „Wir haben kein Wasser, kein Essen, keine Medikamente“, schrieb der Kapitän Anfang Juli in einer E-Mail. Jetzt sollen sich die 24 Mann erst einmal in einem Strandhotel in Kenia von den Strapazen erholen, medizinisch und auch psychologisch betreut werden. Die Angst, das lange Bangen ihrer Familien, hat ein Ende.