Die Kommission gibt sich entschlossen: Spätestens in zwei Jahren könnte Island zur EU gehören. Schon am Mittwoch nächster Woche will Brüssel den 27 Mitgliedstaaten empfehlen, Beitrittsverhandlungen zu eröffnen. Doch es scheint, als ob die Mehrheit der 320 000 Einwohner das gar nicht will. Glaubt man den Umfragen rund um die Hauptstadt Reykjavik, wird die Volksabstimmung am 6. März ein ziemlich klares Ergebnis bringen: Nein zur EU.
Der Stolperstein ist das sogenannte Icesave-Abkommen. Die Internetbank war im Herbst 2008 zusammengebrochen und zwangsverstaatlicht worden. Rund 3,5 Milliarden Euro vorwiegend von britischen und niederländischen Sparern wurden dabei vernichtet. Die Regierungen in London und Den Haag legten jedem Anleger 20 778 Euro aus. Für diesen Betrag müssen die Mitgliedstaaten nach geltenden EU-Regeln geradestehen. Nun wollen beide Länder das Geld von Island zurückhaben.
Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir ließ sich ein Abkommen aufdrücken, das bei ihren Landsleuten auf verbitterte Ablehnung stieß: Binnen 15 Jahren sollten die „Darlehen“ zu einem Zinssatz von 5,5 Prozent beglichen werden. Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson stoppte den Deal und setzte ein Referendum an. Inzwischen bemühen sich alle um eine moderate Vereinbarung.
Tatsächlich weiß in Reykjavik niemand, woher diese Rückzahlung eigentlich kommen soll. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, ausländische Hilfskredite sind nötig, um die Währung überhaupt noch künstlich am Leben zu erhalten. Hinzu kommt die wachsende öffentliche Verärgerung über die Schuld an der Krise.
Derzeit sucht Sonderstaatsanwalt Olafur Hauksson nach den Sündenböcken für das Desaster der ebenfalls verstaatlichten Kauphting-Bank. Nach Hausdurchsuchungen unter anderem in Luxemburg zeichnet sich ab, dass ein Großteil der Kredite dieses Institutes an einige wenige Haupteigentümer und ausgewählte Kunden geflossen sein soll – nahezu ohne Sicherheiten. Nun sollen die Steuerzahler für den Schaden aufkommen?
Das Problem wird noch dadurch verstärkt, dass seit dem Ausbruch der Krise immer mehr Menschen die Insel verlassen. Im Jahr eins nach dem Ausbruch des Desasters verließen nach Angaben des Statistischen Amtes der Regierung 4835 Personen Island, das sind 1,5 Prozent – so viele wie noch nie zuvor.
In Brüssel verspricht man sich dennoch von einem offiziellen Aufnahmeangebot viel. In den Armen der EU könne Island wieder auf die Beine kommen, heißt es bei der Kommission. Vorausgesetzt, die noch verbleibenden Bürger des Landes wollen das dann auch.
Island
Hauptstadt: Reykjavik (117 000 Einwohner) Gesamtbevölkerung: 319 326 Währung: Isländische Krone (ein Euro entspricht 179,23 ISK) Bruttoinlandsprodukt: zirka 30 000 Euro je Einwohner Religion: evangelisch-lutherische islandische Staatskirche, der 82 Prozent angehören Politik: parlamentarische Demokratie Wirtschaft: Die Insel lebt vom Fisch, der 76 Prozent der Exporte ausmacht. Zweitgrößter Wirtschaftszweig ist der Tourismus. Telefonvorwahl: 00 354