Es gab einen Kummerkasten. Und ein heißes Thema: Darf ein Gatte seine Frau betrügen? Fürs Vorwort hatte der Herausgeber einen berühmten Schriftsteller gewonnen und der wagte sich weit hinaus. Er könne nicht glauben, dass Gott die Frauen nur gemacht habe, „damit sie Haushälterinnen und Köchinnen seien“, schrieb Daniel Defoe. Und dennoch. Nur wenige Wochen nach ihrem ersten Erscheinen im Jahr 1693 musste der Buchhändler John Dunton sein Frauenmagazin „The Ladies Mercury“ auch wieder einstellen. Mit seinem Projekt hatte er sich offenbar verhoben. Wohl auch mit seinem Versprechen: Welcher Mann kann schon auf alle „feinen und neugierigen Fragen der Frauen, seien sie Jungfern, Ehefrauen oder Witwen“, eine Antwort wissen?
Zeitsprung, 320 Jahre später: Was einst mit „The Ladies Mercury“ als erster Frauenzeitschrift der Welt begann, hat sich zum bunten Blätterwald entwickelt. Fast 100 Frauenzeitschriften gibt es alleine auf dem deutschen Markt und Hunderte RedakteurInnen machen nun also das, was einst John Dunton im Alleingang versuchte. Sie beantworten Fragen, die Frauen eben so haben. Zum Beispiel diese: „Kann eine Beziehung zu dritt die Ehe retten?“ Ein Streifzug durch die Welt von „Brigitte“ und „Freundin“, „Vogue“ und „Cosmopolitan“, „InStyle“ und „myself“. Und ein paar Antworten.
Kleidung. Das erste K. Frauenzeitschriften lieben Ks. Dieses besonders. Kleidung steht so natürlich nicht da, sondern: Mode. Oder Fashion. Die wichtigste Modeentscheidung im Sommer lautet: Bikini oder Einteiler? „Jedes Jahr dasselbe“, klagt die „Für Sie“. Oder genauer gesagt Dora Heldt, die Bestsellerautorin. In ihrer Kolumne „Doras Welt“ findet sich jedenfalls ein Satz, der eine allgemeine Wahrheit des Frauenlebens enthält: „Bikinis anzuprobieren, macht fast jede fertig.“ Dora aber nicht. Sie trägt Einteiler. „Da fällt auch nicht auf, dass der Busen zu klein und die Beine zu kurz sind.“ Die Kolumnistin der „Flair“ ist dagegen noch unentschieden, wollte eigentlich erst dann zum Einteiler wechseln, wenn sie ihre Füße nicht mehr von oben sehen kann. Nun aber hat sie die neuen One-Shoulder-Modelle entdeckt. Klingt nach orthopädischem Ernstfall, bedeutet aber nur, eine Schulter bleibt blank! „Seitdem“, so gesteht die Kolumnistin, „lässt mir die Bademode 2013 keine Ruhe mehr.“ Solche Sätze! Muss man die ernst nehmen? Wälzen sich Frauen also nachts im Bett, überlegen sich, ob sie zum trendigen Einteiler wechseln, dessen „riesiger Ausschnitt dort endet, wo der Hollywood Cut beginnt“?
Sind Frauen wirklich happy, dass der Sommer kommt, weil sie nun endlich wieder ihre „heiß geliebten Sonnenbrillen auspacken können“? Oder ändern sie gar ihre Familienplanung angesichts neuer Schwangerschaftsmode: „Die hippste It-Bag trägt man derzeit unterm Pulli – Babykugel“? Puh. Und das also lesen nun all die Frauen, die doch den Männern angeblich Angst machen: Weil sie so zielstrebig sind, so gut ausgebildet, die Schule mit links absolviert haben und demnächst alle mit ihren It-Bags in die Führungsetagen marschieren?
K wie Komfort. Oder Wohlfühlen. Oder so. Die „myself“ hat „Wohn-dich-glücklich-Adressen“. Die „jolie“ bietet Ratschläge, die wirklich helfen, und zwar für folgende drei Themenbereiche: „Facebook, Aufräumen, Sex“. Die „Donna“ hat die Achtsamkeit entdeckt, findet zu wunderbar relaxten Sätzen: „Ich möchte meine Katze sein – nein, ich möchte natürlich nicht meine Katze sein. Aber so entspannt wäre ich gerne.“ Muss man sich da eigentlich wundern, dass die Zeitschrift „Brigitte“ mit Häme und Spott übergossen wurde, als sie einen der rar gesäten Presseplätze für den NSU-Prozess in München per Los erhielt? „Stricken im Gerichtssaal“ zählt noch zu den harmloseren Spitzen. Gefragt wurde von den Kollegen süffisant aber auch, wann es wohl die Homestory über Beate Zschäpe gäbe. Gemein. Weshalb auch Chefredakteurin Brigitte Huber im Editorial die Gegenfrage stellt: „Dürfen sich Frauen für ein hoch brisantes Gerichtsverfahren interessieren und abends mit Begeisterung Spargel kochen?“
K wie Kosmetik. Oder Beauty. Die „Freundin“ räumt mit ein paar hartnäckigen Mythen auf. Mythos Nummer eins. Roter Lippenstift passt nicht zu roten Haaren. Stimmt nicht. Aber, Tipp der „Freundin“: „Tragen Sie immer einen Farbton auf, der etwas stärker leuchtet als Ihr Haar.“ Die relevante Aussage für die Autorin kommt drei Seiten später: Bei lockigem Haar funktioniert Pony eben doch!
„Es ist unglaublich, aber wahr. Frauenzeitschriften sind bis heute im Muff der 50er Jahre gefangen.“ Am interessantesten an diesem Satz ist, von wem er stammt. Nämlich von Bettina Wündrich. Selbst eine Fragenbeantworterin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von „Glamour“ und „Vogue Business“. Eigentlich ein klasse Job, wie sie sagt. Und dennoch: In der „Süddeutschen Zeitung“ fällte sie unter der Überschrift „Do. Dont. Doof“ folgendes Urteil: Als Seismografen des weiblichen Lebensgefühls würden Frauenzeitschriften nicht taugen. Zu viele Ks. Kleidung, Kosmetik, Komfort, Küche, Kinder – komplettiert mit einem K wie Karriere. Zu viel werbegesteuerte Inhalte. Zu wenig mutig? Ja, vom Gefühl her, meint Bettina Wündrich, war man da schon mal weiter. „Wie gesagt, der Job ist widersprüchlich.“
K wie Küche. „Herrlich einfache Rezepte, herrlich unbeschwerter Genuss.“ Verspricht die „Brigitte“ und widmet 14 Seiten der „neuen, leichten Sommerküche“. Sieht gut aus. Vor allem der Flammkuchen. Aber: Gibt es eigentlich auch eine alte, schwere Küche? Und: Zählt Diät eigentlich auch zum Thema Küche? Dann punktet die „Für Sie“ doppelt. Mit Lieblingsrezepten aus Italien und dem Versprechen: „Fit & schlank ein Leben lang! Wie Ernährung den Anti-Age-Effekt pusht.“ Was drinsteht: „Fülle den Magen nur zu acht Teilen.“ Schnell weitergeblättert. Widersprüchlich. Gutes Stichwort. Kathrin Friederike Müller kann etwas dazu sagen. Sie ist Kommunikationswissenschaftlerin, hat über das Thema eine Doktorarbeit verfasst. Die könnte man auch als eine Art Ehrenrettung lesen. Für die Frauenzeitschriften, für ihre Leserinnen. Was Kathrin Müller sagt: Dass Frauen ja nicht nur Frauenzeitschriften lesen. Sondern auch andere Medien nutzen. Dass die anderen Medien aber aussparen, was sich bei Frauenzeitschriften findet: eine Wertschätzung spezifisch weiblicher Themen und Erfahrungen. Und eine Auseinandersetzung damit. Sachlich formuliert: Hinter dem Griff zur „Cosmopolitan“ und Co. steckt sozusagen immer ein Stück weibliche Identitätsfindung. Noch eine Anmerkung: Emanzipiert, aufgeklärt und politisch interessiert – so beschreibt sich laut Müller die typische „Brigitte“-Leserin selbst. Und interessant auch, wann und warum sie liest: gerne zwischendurch oder abends, zur Entspannung und Unterhaltung. Was Kathrin Müller daher zur Diskussion sagt: „Ich plädiere dafür, das Ganze im Kontext zu sehen.“
K wie Karriere. Oder auch Beruf. Der Artikel in der „Cover“ über den „Dresscode der Macht“ gehört irgendwie auch dazu. „Was Angela Merkels Blazer und Michelle Obamas ärmellose Kleider bedeuten“. . . Der Kollege blickt über die Schulter, sagt, das würde ihn auch interessieren. Wegen der Oberarme von Michelle? „Brigitte“ hat ein Interview mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Fragen eher emotional weiblich. „Wie streiten Sie mit Philipp Rösler.“ Die Antwort, eher politisch nüchtern: „Wir streiten nicht, wir bewerten Dinge nur anders.“ Dem Kollegen eine 40 Jahre alte Ausgabe der „Yasmin“ gezeigt. Da warnt die Zeitschrift vor Berufskrankheiten und listet Gefahren für drei Frauenberufe auf: Verkäuferin, Fließbandarbeiterin, Sekretärin. Noch interessanter aber doch der Artikel: Besser schlecht als gar nicht heiraten!
„Plötzlich Chef“ steht über einem Artikel in der „Cosmopolitan“. Kerstin Weng hat ihn nicht geschrieben. Hätte es aber tun können. Seit Februar ist die Augsburgerin Chefredakteurin der Zeitschrift, davor hatte sie unter anderem bereits bei „Cover“ und „myself“ gearbeitet. Kerstin Weng ist 31, ein It-Girl in Sachen Karriere. Und als solches gefordert. Ob „Cosmopolitan“, „Brigitte“ oder „Madame“ – die Printkrise ist längst im bunten Blätterwald der Frauenzeitschriften angekommen. Eine Branche im Sinkflug. Wie Kerstin Weng dagegenhalten will? Nicht mit Ks, „das wäre rückständig“, sagt sie, und sei auch nicht Programm der Zeitschrift, sondern mit einer anderen Kombination: „Beziehung, Job und Stil“. 18 Prozent der „Cosmopolitan“-Leser sind übrigens Männer. Es arbeiten dort auch einige. „Eine Bereicherung“, wie Kerstin Weng sagt, und unerlässlich. Weil eben nur Männer wirklich wissen, wie Männer ticken. Noch ein K also. K wie Kerle. Um die geht es auch.