In der Not kann Jubel der anderen Trost spenden. Bei der CDU war es am Montag der Blick über die Grenze nach Österreich, der vor dem Hintergrund schlechter Landtagswahlen und Umfragewerte im eigenen Land für bessere Laune sorgte. Dass Sebastian Kurz und seine ÖVP den Sieg davongetragen hatten, hob die Laune der deutschen Konservativen. Fast 40 Prozent für die Österreichische Volkspartei zeigen zweierlei: Gegen Rechtspopulisten lassen sich Wahlen gewinnen und Zweier-Koalitionen (Kurz könnte in Wien mit den Grünen regieren) gehören doch noch nicht der Vergangenheit an. Die gute Stimmung bei den deutschen Christdemokraten ist nicht allein fremdbestimmt. Die CDU verspürt gerade Auftrieb.
Friedrich Merz war einer der ersten Gratulanten nach der Kurz-Wahl. Im Anschluss an seine Niederlage beim Parteitag Anfang Dezember letzten Jahres war er nie gänzlich von der Bühne abgetreten. Viele Parteimitglieder würden sich sehr freuen, wenn der 63-Jährige mehr Verantwortung bekäme. Viele sähen ihn gerne als Parteichef. Doch in knapp zwei Monaten steht bereits der nächste CDU-Bundesparteitag an, und derzeit sieht es nicht so aus, als ob die aktuelle Parteiführung bereit ist, sich von Männern wie Merz das Zepter aus der Hand nehmen zu lassen. CDU 5.0 scheint das interne Motto zu sein, zurück in die Vergangenheit will gerade niemand.
Nach außen zeigt sich das in den neuen Kommunikationsstrukturen der Partei. Der von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigte Newsroom rückt näher. Die Christdemokraten wollen sich nicht noch einmal von einem Internet-Kobold mit blauen Haaren überrumpeln lassen. Künftig, so die klare Ansage, wird auf ein kritisches Video wie das des Youtubers Rezo ziemlich schnell eine Antwort folgen. Dass dem Internet stunden- und tagelang die Deutungshoheit über christdemokratische Politik überlassen wird, wollen die Hauptamtlichen im Konrad-Adenauer-Haus nicht mehr hinnehmen.
Funktionäre sollen sich wieder mehr dem Politischen zuwenden
Darüber hinaus sind weitere Neuerungen geplant, die der Partei bis in die Kreisverbände hinein Durchzug verleihen sollen. Künftig, so der Plan, sollen Funktionäre und Mitglieder weniger Zeit mit Organisatorischem verbringen müssen, sondern ihre Kraft wieder stärker dem Politischen zuwenden können.
Für eine neuere, frischere CDU steht ein Antrag, der auf dem Bundesparteitag am 22. und 23. November in Leipzig die „Christdemokratische Digitalpolitik“ manifestiert. Gerade im Vergleich zum oft belanglosen Wischiwaschi üblicher Parteitagsanträge ist das Papier mutig nach vorne geschrieben. Inhalt und Sprache dürften auch die Jüngeren interessieren. So tritt die CDU der Überwachung des einzelnen Menschen durch den Staat, durch Institutionen oder Unternehmen „entschieden entgegen“. Gleichzeitig spricht sich die CDU dafür aus, dass der Staat bei IT-Projekten offene Schnittstellen anbietet, an die andere andocken können. Vergleichbares gibt es etwa mit der Finanzamt-Software „Elster“.
Ein zweiter Antrag für den Bundesparteitag verfällt unter der Überschrift „Nachhaltigkeit, Wachstum, Wohlstand – Die soziale Marktwirtschaft von morgen“ zwar in alte Muster. Er stellt aber klar, dass die CDU zur schwarzen Null und zur Schuldenbremse steht.
Äußerungen der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer hatten da zuletzt für einige Irritationen gesorgt. Apropos AKK: Für ein Zerwürfnis zwischen ihr und Kanzlerin Angela Merkel lassen sich derzeit keine Belege finden. Beste Freundinnen werden die beiden Frauen wohl nie, aber ihr politisches Bündnis scheint stabil. Auch getrennte Flüge in die USA können daran nichts ändern.
Klare Worte fand CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zur CO2-Bepreisung. In den letzten Tagen hatten auch Politiker aus seiner Partei laut darüber nachgedacht, den Preis für eine Tonne CO2 schneller anzuheben als im Klimapaket geplant. Es sei doch befremdlich, wenn man eine Woche nach Vorlage des Klimapakets „schon wieder über Einzelfragen debattiert“, sagte Ziemiak am Montag nach einem Treffen der Parteispitze. Er wies damit Parteikollegen wie Andreas Jung in die Schranken, der für eine höhere Bepreisung plädiert, erteilte gleichzeitig aber auch Änderungswünschen der Grünen am Klimapaket eine Absage.
Frischer Wind in der CDU bläst auch in Richtung der Grünen
Die Grünen sind zwar in den Umfragen gerade stärkste Kraft neben der Union und könnten mal der neue Regierungspartner werden, doch der frische Wind in der CDU bläst selbstbewusst auch in ihre Richtung. Beim Klima gebe es bei den Grünen im Vergleich zu seiner Partei „ganz unterschiedliche Aussagen“, sagte Ziemiak und stellte provozierend fest. „Ich weiß nicht, wofür die Grünen stehen.“
Ziemiak wusste jedoch, wofür Sebastian Kurz steht. Der alte und wohl auch neue Kanzler der Republik Österreich habe einen klaren Kurs gehabt, lobte der CDU-Generalsekretär und ergänzte, Kurz? ÖVP habe „eine klare Botschaft gesendet“. Es scheint, als ob es die CDU nach den missverständlichen Signalen der Vergangenheit den Österreichern in diesem Punkt nun nachmachen will.