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BERLIN: Für die Große Koalition tickt die Uhr

BERLIN

Für die Große Koalition tickt die Uhr

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    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Foto: Tobias Hase (dpa)

    Mit 67 Jahren ist Schluss. Gerda Hasselfeldt war Bau- und Gesundheitsministerin unter Helmut Kohl, später Bundestagsvizepräsidentin und seit 2011 Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Doch im nächsten Jahr will sie nicht mehr für den Bundestag kandidieren, dem sie dann 30 Jahre angehört hat.

    Für Horst Seehofer ist das eine eher gute Nachricht, für Angela Merkel hingegen eine ziemlich schlechte Botschaft. Denn sollte die Kanzlerin auch nach den Wahlen im nächsten Jahr wieder an der Spitze der Regierung stehen, dürfte die stets um ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bedachte CSU-Landesgruppe anders auftreten als bislang. Hatte doch die ruhige, ausgleichende, nie provozierende und stets freundliche Hasselfeldt oftmals zum Leidwesen Seehofers nichts gemein mit dem krachledernen und rauflustigen Politikstil ihrer Vorgänger Michael Glos und Peter Ramsauer, die gerne Freund und Feind provozierten. Auf Hasselfeldt konnte Merkel sich verlassen, mehr noch, in den zuletzt an Schärfe und Intensität zunehmenden Konflikten zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik fungierte die Landesgruppenchefin wie eine Art wandelnder Vermittlungsausschuss.

    Zuletzt half aber selbst das ausgleichende Wesen von Hasselfeldt nicht mehr. Das Verhältnis zwischen den beiden Schwesterparteien ist an einem Tiefpunkt angekommen, CSU-Chef Seehofer warnt vor Ergebnissen „unter 30 Prozent“, sollte Merkel an ihrer Flüchtlingspolitik festhalten. Doch die denkt nicht daran, auch nur einen Millimeter von ihrem Kurs abzuweichen, und lässt die lautstarke Kritik aus München kühl und regungslos an sich abperlen. Mit der Folge, dass die Arbeit der Großen Koalition praktisch zum Erliegen gekommen ist.

    So ging auch ein Treffen der drei Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel am Mittwoch im Kanzleramt ohne konkretes Ergebnis zu Ende. Am Sonntag wollen sich die Spitzen von CDU und CSU ein weiteres Mal in großer Runde treffen, um die nächste Sitzung des Koalitionsausschusses am kommenden Mittwoch vorzubereiten. Schon fordert die SPD ein „Machtwort“ Merkels gegen die „Störenfriede“ der CSU.

    Dabei ist die Liste der unerledigten Themen und offenen Fragen lang. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform des Erbschaftssteuerrechts liegt nach einem Veto der CSU auf Eis, in der Union gibt es massive Widerstände gegen die von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geplante Neuregelung der Leiharbeit, der CDU-Wirtschaftsflügel rebelliert gegen die geplante Lebensleistungsrente, im Gegenzug lehnt die SPD das von Innenminister Thomas de Maiziere geplante Integrationsgesetz ab.

    Weitere Streitthemen sind die weitere Ausgestaltung der Energiewende, die Förderung von Elektroautos sowie die Neufassung des Behindertenrechts, zudem muss der Länderfinanzausgleich neu geregelt werden.

    Alle Beteiligten wissen: Die Uhr tickt. Was in diesem Jahr nicht beschlossen wird, wird im Wahljahr 2017 erst recht nicht mehr beschlossen. Eine völlig neue Situation aber ist, dass die Konfliktlinie nicht so sehr zwischen CDU und SPD, sondern sehr viel schärfer zwischen CDU und CSU verläuft.

    Horst Seehofer und sein Generalsekretär Andreas Scheuer, aber auch der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber haben keine Scheu mehr, die Kanzlerin und ihre Unterstützer offen zu attackieren. Ihnen gefällt die gesamte Politik Merkels nicht, abfällig spricht Stoiber von einer „Einheitspartei“, bestehend aus CDU, SPD und den Grünen, bei der die CSU „nie mitmachen“ wird.

    Das aber ist mehr als eine bloße Kampfansage, es ist praktisch die Drohung, im Ernstfall die Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen. Die viel beschworene Geschlossenheit der Union ist nur noch Fassade. Gerda Hasselfeldt weiß genau, warum sie aufhört.

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