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ISTANBUL: „Für Hrant Dink und die Gerechtigkeit“

ISTANBUL

„Für Hrant Dink und die Gerechtigkeit“

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    Ein Paar Schuhe, ein lebloser Körper unter einigen Zeitungen: Das war das letzte Foto von Hrant Dink. Am 19. Januar 2007 wurde der armenische Bürgerrechtler vor dem Redaktionsgebäude seiner türkisch-armenischen Wochenzeitung „Agos“ in Istanbul ermordet. Mit der Aufklärung des Falls tut die türkische Justiz sich schwer.

    Freunde und Verwandte Dinks haben für diesen Samstag, den ersten Jahrestag des Mordes, zu einer Versammlung vor dem „Agos“-Gebäude aufgerufen. Um 15 Uhr zu Dinks Todesstunde. „Am gleichen Ort, zur gleichen Zeit, für Hrant und die Gerechtigkeit“, lautet das Motto der Gedenkfeier. Auch in Deutschland wird es eine geben.

    Polizei wusste von Mordplänen

    Seit Juli 2007 wird in Istanbul gegen den 17-jährigen Todesschützen und 18 mutmaßliche Drahtzieher des Mordes prozessiert. Doch ob die Hintergründe des Verbrechens je geklärt werden, ist zweifelhaft. „Die Justiz bemüht sich nicht um eine wirkliche Aufklärung“, kritisiert Etyen Mahcupyan, der nach Dinks Tod Herausgeber von „Agos“ wurde. Anwälte von Dinks Familie haben zum Jahrestag eine Dokumentation vorgelegt. Darin heißt es: „Nennenswerte Fortschritte bei den Ermittlungen gibt es nicht, insbesondere nicht hinsichtlich möglicher Versäumnisse der Sicherheitskräfte.“

    Die Polizei, so weiß man inzwischen, wusste schon Monate vor dem Attentat von den Mordplänen und kannte die Namen der Hintermänner. Dennoch verhinderte sie das Attentat nicht. Die Polizeichefs von Istanbul und Trabzon, der Stadt, wo die Verschwörer ihre Mordpläne schmiedeten, wurden zwar abberufen. Ermittelt wird gegen sie aber nicht. Einer der 19 Angeklagten ist ein Polizeispitzel. Auch seine Rolle bei der Vorbereitung des Attentats bleibt unklar. Es ist ein Fall voller Merkwürdigkeiten: Die Aufzeichnungen einer Überwachungskamera am Tatort sind auf mysteriöse Weise verschwunden. Wie der Todesschütze von Trabzon nach Istanbul kam, wen er dort traf, die Ermittler wissen es nicht, wollten es vielleicht auch gar nicht wissen.

    Religionsfreiheit für Muslime

    Auch mit der politischen Aufarbeitung des Falles tut sich die Regierung schwer. Nicht-muslimische Glaubensgemeinschaften – wie die rund 60 000 christlichen Armenier – sind in der Türkei immer noch weitgehend rechtlos. Religionsfreiheit gibt es nur für Muslime. Wie gefährlich Christen in der Türkei leben, zeigte vergangenes Jahr das Schicksal dreier Missionare, darunter eines Deutschen: Sie wurden in Malatya von türkischen Ultra-Nationalisten stundenlang gefoltert, bevor die Täter ihre Kehlen durchschnitten.

    Er habe Dink erschossen, weil er ein „Feind des Türkentums“ gewesen sei, soll der Schütze zu Protokoll gegeben haben. Kurz vor seinem Tod war Dink wegen „Herabwürdigung des Türkentums“ zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden – er hatte die Armenierverfolgungen im Osmanischen Reich als „Völkermord“ bezeichnet.

    Im Blickpunkt

    Türkentum-Paragraph

    Der Türkentum-Paragraph 301, dessen Abschaffung auch die EU seit Jahren fordert, ist trotz aller Reformbeteuerungen der Regierung weiter in Kraft. Allein in den ersten neun Monaten 2007 wurden 182 Türken wegen „Herabwürdigung des Türkentums“ angeklagt. Einer von ihnen ist Arat Dink. Der Sohn des Ermordeten erhielt zwölf Monate auf Bewährung. Er hatte nachgedruckt, was sein ermordeter Vater über den Völkermord an den Armeniern geschrieben hatte.

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