Für einige Germanwings-Crews war die emotionale Belastung zu groß: Am Tag nach dem Unglück in Südfrankreich mit 150 Toten fühlten sie sich nicht imstande, Dienst zu tun. Kollegen von anderen Airlines übernahmen.
Nach dem Unglück in Südfrankreich herrschen Schock und Trauer auch bei Besatzungen. Für sie ist ein Flugzeug der Arbeitsplatz. Mit welchen Gefühlen steigen sie jetzt in die Maschine?
Die Trauer um die Opfer sei in der gesamten Branche sehr groß, sagt Markus Wahl von der Vereinigung Cockpit. Der erste Gedanke gelte den Familien. Und Nicoley Baublies, Vorsitzender der Gewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO), ergänzt, in der Belegschaft von Germanwings herrsche tiefe Betroffenheit: „Da kennt jeder jeden, viele sind befreundet.“ Die Nachricht von dem Unglück habe alle schockiert: „Man hat sofort ein Bild im Kopf.“ Jeder Mitarbeiter kenne den Airbus A 320 von innen, die Handgriffe der Crew seien allen vertraut. Beim Dienst am Mittwoch habe spürbare Anspannung geherrscht. Mancher habe sich immer wieder gefragt: „Mache ich alles richtig?“ Wenn jemand sich nicht dienstfähig fühle, werde er nicht unter Druck gesetzt, im Gegenteil: „Wenn jemand angeschlagen ist, wird er abgezogen“, sagt Baublies. Das bestätigt auch eine junge Stewardess aus der Rhön. Cockpit habe ihr und Kollegen angeboten, ihren Dienstflug nicht antreten zu müssen, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen würden. Das sei auch Thema bei den regelmäßigen Notfall-Übungen. Krisen-Interventionsteams stünden auf Flughäfen für Gespräche bereit. Krisenbewältigung sei Teil der Ausbildung, betont auch Wahl. „Wichtig ist die Erkenntnis: Jetzt brauche ich externe Hilfe.“ Für Piloten gelte der Grundsatz: „Man steigt nur in die Maschine, wenn man sicher ist, seine Leistung hundertprozentig abrufen zu können.“
Jede erdenkliche Hilfe
Nach einem solchen Unglück stelle sich natürlich jeder Pilot die Frage: „Kann mir das auch passieren?“ Um das zu beantworten, müsse aber die Ursache klar sein. „Die Frage nach dem Warum ist die wichtigste Frage.“ Darauf gab es am Tag nach dem Absturz noch keine Antworten. Im Training werden nach den Worten von Baublies immer wieder unterschiedliche Fallbeispiele durchgespielt – selten sei nur ein einziger Fehler schuld.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat in Düsseldorf mit Angehörigen der Todesopfer des Germanwings-Absturzes gesprochen und sich danach bestürzt gezeigt. „Das war mit Abstand das Schlimmste der letzten 20 Jahre – seit ich in dieser Branche bin“, sagte Spohr nach dem Treffen mit den Angehörigen am Düsseldorfer Airport. Man werde ihnen jede erdenkliche Hilfe gewähren – sei sie psychologischer oder finanzieller Art. Am Donnerstag würden für die Angehörigen und ihre Betreuer Sonderflüge nach Marseille starten.
Die „besten Experten der Welt“ seien nun mit den Untersuchungen zur Absturzursache befasst. Er rechne mit einer raschen Aufklärung. Spohr betonte erneut, dass sich der Airbus A320 der Tochter-Airline Germanwings technisch in einwandfreiem Zustand befunden habe. Außerdem versprach er, sich weiter für mehr Sicherheit im Flugverkehr einzusetzen. „Flugsicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss jeden Tag, jede Nacht hart erarbeitet werden“, sagte Spohr in einer Videobotschaft an „Kunden und Partner“ der Airline. Dies habe ihm sein Besuch an der Unfallstelle in Frankreich am Dienstag noch einmal brutal vor Augen geführt.