Den hochgerüsteten pro-iranischen Kräften der Hisbollah gelang es innerhalb weniger Stunden, die Zufahrtsstraßen Beiruts, wichtige Kreuzungen in der Stadt sowie die Flug- und Seehäfen in ihre Gewalt zu bringen. Gleichzeitig sollen sie das Regierungsgebäude des Premiers Fuad Seniora und Wohnhäuser der wichtigsten Regierungsvertreter belagern. Sie stürmten die Büros der Zeitung „Al-Mustaqbal“, die dem pro-westlichen Koalitionsführer Saad Hariri gehört, und unterbrachen die Sendungen seiner Radio- und Fernsehstationen.
Der Libanon, dessen Bevölkerung in die Lager pro-westlicher Sunniten und Drusen auf der einen Seite und pro-iranischen Schiiten auf der anderen Seite gespalten ist, befindet sich seit 17 Monaten in einer tiefen Regierungskrise. Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah, der im Süden des Landes inzwischen einen fast autonomen Staat im Staate errichtet hat, fordert ein Vetorecht in der Regierung. Dies wollen ihm aber die Sunniten und ihre westlichen und arabischen Verbündeten nicht zugestehen. Vertreter der Schiiten traten vor diesem Hintergrund im November 2006 aus der Regierung aus und erklärten sie für widerrechtlich. Als die Amtszeit des pro-syrischen Staatspräsidenten Emil Lahoud vor sieben Monaten ablief, war die Krise perfekt, denn man kann sich seither in 18 Parlamentssitzungen nicht auf einen neuen Kandidaten einen.
Anlass der neuen Krise sind zwei Kabinettsbeschlüsse. Einer erklärte das private Kommunikationsnetz der Hisbollah für illegal. Nasrallah deutete dies in einer Rede als „Kriegserklärung“. Daraufhin eskalierten im ganzen Land die Kämpfe. Im sunnitischen Westen Beiruts wurden Geschäfte geplündert und Autos verbrannt, während Kämpfer der Hisbollah die Stadt in ihre Gewalt brachten und allerorts Straßensperren errichteten. Der zweite Kabinettsbeschluss hatte die Entlassung des Hisbollah-nahen Sicherheitsbeauftragten des Beiruter Flughafens, Wafik Schukairi, zur Folge. Regierungsanhänger haben die Hisbollah wiederholt beschuldigt, den Flughafen mit Hilfe Schukairis zu überwachen und als Umschlagplatz für Rüstungsgüter zu missbrauchen.
Beobachter aus dem Libanon erklärten am Freitag im Gespräch mit dieser Zeitung, dass der Beiruter Flughafen für die Hisbollah von strategisch außerordentlich wichtiger Bedeutung sei, da allein er die Versorgung mit iranischen Waffen sicherstellen könne. Der Seeweg wird von Truppen der UNIFIL überwacht, der bisher wichtige Landweg über Syrien ist gefährdet, seitdem es Anzeichen einer Annäherung zwischen Israel und Damaskus gebe.