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„Ich bin treu“

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„Ich bin treu“

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    Man kennt Claudia Roth, die Grünen-Vorsitzende. Man kennt Claudia Roth, die Engagierte, die Talkshow-Streiterin, die ehemalige Managerin von der Kultband „Ton Steine Scherben“. Von ihr ist bekannt, dass sie Managerin war, dass sie sich für die Menschenrechte einsetzt und speziell für die Kurden engagiert. Aber Claudia Roth und Fußball? Doch, doch. Beim Besuch in Würzburg erzählte die Politikerin mit den vielfältigen Interessen von ihrer Leidenschaft zum rollenden Ball.

    Frage: Frau Roth, Ihr Faible für Musik und Ihre Vergangenheit als Managerin für „Ton Steine Scherben“ sind ja bekannt. Die Leidenschaft für Fußball etwas weniger. Wie kommt's?

    Claudia Roth: Als Erstgeborene eines sehr fußballfanatischen Vaters war ich früh drin in dieser Welt. Ich hatte ein tolles hellblaues Album, in das ich die Panini-Bilder von Franz „Bulle“ Roth und all den anderen Fußballern reinkleben konnte. Und die Leidenschaft hat mich die ganze Zeit begleitet. Die Grünen sind mit Sicherheit eine der fußballverrücktesten Parteien. Da werden die Halbzeitergebnisse in Sitzungen durchgegeben und Parteitage schon mal unterbrochen.

    Ihr Fan-Herz schlägt für?

    Roth: Das Herz schlägt immer auf der Seite der entrechteten Armen, Ausgebeuteten. Als treue Seele des SSV Ulm ist es manchmal schon bitter. Aber es gibt ja auch sehr alternative Mannschaften: die Freiburger oder St. Pauli. Und natürlich: FC Augsburg! Ein toller Trainer, sehr guter Manager.

    Haben Sie eigentlich selbst mal Fußball gespielt?

    Roth: Nein, ich bin Fan. Wegen des Sports, aber auch wegen der gesellschaftspolitischen Dimension. Der DFB war ja nicht immer so offen wie heute.

    Und jetzt sitzen Sie als Grüne mit dabei.

    Roth: Früher hätten wir dazu Marsch durch die Institutionen gesagt, das machen wir Grünen jetzt beim DFB auch. Im Ernst: Theo Zwanziger ist jemand, der leidenschaftlich gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Homophobie im Fußball eintritt, und er war sehr angetan von dem Engagement der Grünen im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland.

    Wie kam es zu Ihrem Engagement für den DFB?

    Roth: Das ist Theo Zwanziger zu verdanken, der den Verband öffnen wollte. Das war ja schon eine sehr geschlossene, konservative Männergesellschaft. Ich bin in die DFB-Kulturstiftung berufen worden, die die Aufgabe hat, Kultur und Sport miteinander zu verbinden. Wir hatten beispielsweise vor drei Jahren eine wunderbare Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse, als die Türkei Gastland war. Da ging es sehr konkret um die Frage, warum spielen eigentlich in Deutschland aufgewachsene türkischstämmige Jungs immer in der türkischen Nationalmannschaft und nicht in der deutschen.

    Nicht mehr immer! Siehe Özil, siehe Tasci.

    Roth: Ja, heute, damals war das aber schon ein Thema. Denken Sie nur an die Altintop-Brüder. Wir hatten da eine sehr schöne Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft, wo Vertreter des Fußballverbands sagten: Wieso ändert sich nicht endlich das Staatsbürgerschaftsrecht? Damals ist der Startschuss mit gelegt worden dafür, dass Leute wie Tasci oder Özil heute sehr bewusst beworben werden. Man muss sich dafür einsetzen, dass sie in Deutschland bleiben und spielen.

    Dass die Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika so erfrischend bunt und gemischt und viel von Integration die Rede war, ist nicht selbstverständlich?

    Roth: Das hat ganz viel mit dem Präsidenten Theo Zwanziger zu tun. Er ist da absoluter Türöffner und Vorreiter. Und er hat schon ein klares Bild von der Realität unseres Landes und ihrer Gesellschaft. Die Grünen sind über Jahrzehnte verlacht worden als vermeintliche Multikulti-Spinner. Jetzt haben wir die bunteste Nationalmannschaft und die ganze Welt bekommt tollen Fussball und ein anderes Bild von Deutschland.

    Ist denn Deutschland so offen, wie diese Nationalmannschaft suggeriert?

    Roth: Fußball wird mehr und mehr zu einem Modell für Integration. Gesellschaftspolitisch hat sich viel verändert. Wenn ich sehe, dass auf der Fanmeile in Berlin mit 300 000 Menschen die Özil-T-Shirts in der Mehrzahl waren – das waren ja nicht alles türkischstämmige Fans, die diese Trikots getragen haben. Wenn sich diese große Begeisterung tatsächlich in reale Politik umwandeln würde, dann wären wir schon weiter. Die Politiker, die jetzt mitjubeln, sollten mal was tun: die doppelte Staatsbürgerschaft einführen, Einbürgerungen erleichtern, dafür sorgen, dass es Menschen einfacher haben, die nicht so viel Durchsetzungsvermögen mitbringen wie Mesut Özil.

    Sie sind Sprecherin des Umweltbeirats des DFB. Was tut der denn?

    Roth: Mithelfen, Druck machen, dass die Frauen-Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr zwar nicht klimaneutral – das können wir leider nicht garantieren –, aber klima-fair wird. In allen Bereichen: Verkehr, Anreise, Strom, Wasser, Catering. Für Stadien und Verwaltung soll vor allem Energie aus erneuerbaren Quellen genutzt werden.

    Und man sieht Sie auch im Stadion, nicht nur beim FC Augsburg.

    Roth: Ich bin so oft ich kann bei Spielen dabei. Auch bei der U20-Frauenfussball-WM. Im Verband gab es natürlich auch Leute, die skeptisch waren: Was will die denn? Aber ich bin treu und gehe auch zu Spielen, die keinen großen Glamour-Faktor haben. Es gibt im Politikgeschäft ja genug Leute, die dann immer beim Endspiel ihren Kopf in die Kamera hängen. Mein Interesse gehört dem Fußball. Ich glaube, dass man dadurch etwas im Verband verändern kann.

    Wenn der Fußballverband Klimaschutz betreibt?

    Roth: Wir als Grüne sind sehr froh darüber, dass der Umweltgedanke in einen solch großen Verband kommt. Wenn ein Philipp Lahm oder eine Steffi Jones etwas zur Umwelt oder zur Bewahrung der Schöpfung sagen – da muss die Politik insgesamt, also auch wir Grüne, sich sehr anstrengen, ein ähnliches Massenpublikum zu erreichen. Aber es muss ein echtes Anliegen sein und darf kein Greenwashing werden.

    Sie sind im Kuratorium für die Frauen-Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr. Gibt das dem Frauenfußball Auftrieb?

    Roth: Die Begeisterung für eine Frauen-WM ist nicht selbstverständlich. In der Männerdomäne Fußball war das eines der letzten großen Tabus. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Frauen nicht Fußball spielen durften.

    Dann ist das jetzt ein letzter Erfolg der Emanzipation?

    Roth: Es ist ein weiterer Schritt hin zu gleichen Rechten. Dass Frauen in Deutschland 23 Prozent weniger verdienen als Männer, macht deutlich, dass noch lange nicht alles erreicht ist. Aber die gesellschaftliche Anerkennung des Frauenfußballs ist wichtig. Natürlich geht es zuerst um den Sport, um die Lust und die Leidenschaft. Aber tatsächlich kann der Sport gesellschaftspolitisch etwas bewirken.

    Pflicht-Frage zum Schluss: Wer wird in der nächsten Saison deutscher Meister?

    Roth: Favorit ist natürlich immer der Meister, aber Bremen und Dortmund haben sicher auch gute Chancen. Und Pauli kommt auf einen UEFA-Pokal-Platz.

    Claudia Roth

    Die Politikerin, 1955 im schwäbischen Ulm geboren, ist seit 2004 Teil der Doppelspitze der Grünen. Zu der Partei kam sie 1985 als Pressesprecherin der Bundestagsfraktion. Claudia Roth saß für die Grünen im Europaparlament und machte sich in Brüssel als Menschenrechtsexpertin einen Namen. 1998 kam Claudia Roth über die bayerische Landesliste erstmals in den Bundestag. Von 2001 bis Herbst 2002 war sie Parteivorsitzende, seit Oktober 2004 ist die Schwäbin wieder Teil der Doppelspitze der Grünen. FOTO: Public Adress/intertopics

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