Jean-Claude Mas, Gründer der französischen Prothesen-Firma Poly Implant Prothese (PIP), unterstellt Patientinnen dieselben Antriebe, die er selbst bei der Herstellung mangelhafter Brust-Implantate hatte. „Die Opfer klagen doch nur wegen der Kohle“, soll er im Oktober bei einem Verhör gesagt haben, dessen Mitschriften die französische Presse nun in Teilen veröffentlicht. Er gibt zu, medizinisch nicht zugelassenes Silikon-Gel verwendet zu haben, das er trotz zunehmender Beschwerden wegen gerissener Prothesen für ungefährlich hält. Einem ehemaligen Mitarbeiter zufolge sparte sich PIP durch die „hauseigene“ Billig-Füllung zehn Euro pro Implantat und damit bei einer Produktion von jährlich 100 000 Exemplaren eine Million Euro.
Ab 1993, zwei Jahre nach Unternehmensgründung, habe Mas angeordnet, den TÜV Rheinland als Prüfdienst zu täuschen, der seinen Besuch stets zehn Tage im Voraus ankündigte. Der TÜV Rheinland hat im vergangenen Frühjahr Strafanzeige eingereicht, muss sich aber auch selbst am 2. Februar vor dem Handelsgericht in Toulon verantworten. Dem Magazin „Focus“ zufolge haben drei Unternehmen, die PIP-Produkte vertrieben, geklagt.
Angst vor Krebs
Gegen den 72-jährigen Mas wird wegen fahrlässiger Tötung und schweren Betrugs ermittelt. Die PIP-Implantate stehen im Verdacht, Entzündungen und möglicherweise sogar Krebs hervorzurufen. In Frankreich waren bis Ende Dezember 20 Fälle von Krebspatientinnen mit PIP-Implantaten bekannt, mindestens eine Frau ist inzwischen gestorben. Bewiesen ist der Zusammenhang nicht. Dennoch riefen die französischen Gesundheitsbehörden die rund 30 000 Französinnen mit PIP-Prothesen dazu auf, sich diese entfernen und bei Bedarf ersetzen zu lassen. Weltweit sind hunderttausende Frauen betroffen.
Der französischen Tageszeitung „Le Parisien“ zufolge könnte sich der Silikon-Skandal auch auf Männer ausweiten. Sie zitiert anonyme Ex-Mitarbeiter der Firma, Mas habe neue Nischen auftun wollen mit der Herstellung von künstlichen Hoden, Brustmuskeln und Pobacken für Männer, die meist aus ästhetischen Gründen darauf zurückgriffen. „Der Großteil der Produktion ging ins Ausland, vor allem nach Südamerika“, heißt es in dem Bericht. Verwendet worden sei dasselbe Industriesilikon wie bei den Brust-Prothesen, die ebenfalls zu 84 Prozent exportiert wurden.
Hingegen gibt die französische Aufsichtsbehörde für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten (Afssaps) an, PIP habe zumindest in Frankreich lediglich die Herstellung von Brust-Implantaten deklariert. Der Behörde wird vorgeworfen, zu spät auf Warnungen von Ärzten reagiert zu haben, die sie jahrelang auf die erhöhte Reiß- und Entzündungsgefahr bei den PIP-Implantaten hingewiesen hatten. Die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde Food and Drug Administration hatte bereits 2000 zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Doch erst Ende 2009 stellte die Afssaps Ermittlungen an und verbot im März 2010 den Vertrieb und die Verwendung von PIP-Produkten. Das Unternehmen meldete daraufhin Insolvenz an.