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WÜRZBURG/BOBO DIOULASSO: „In Timbuktu fühlten wir uns nicht mehr sicher“

WÜRZBURG/BOBO DIOULASSO

„In Timbuktu fühlten wir uns nicht mehr sicher“

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    Bad in der Menge: Auch 2012 Jahr kommen die beiden Tuareg aus Mali, Alhous Ag Tajou (vorne) und El Kassim, nach einigen Irrungen und Wirrungen an Pfingsten wohl wieder zum Africa Festival nach Würzburg.
    Bad in der Menge: Auch 2012 Jahr kommen die beiden Tuareg aus Mali, Alhous Ag Tajou (vorne) und El Kassim, nach einigen Irrungen und Wirrungen an Pfingsten wohl wieder zum Africa Festival nach Würzburg. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    An Pfingsten will er auf jeden Fall zum Africa Festival nach Würzburg kommen, so wie immer seit 2004, als er zum ersten Mal sein großes Nomadenzelt auf den Mainwiesen aufbaute und den Festivalbesuchern das Leben der Tuareg in der Wüste von Mali erklärte. Alhous Ag Tajou gehört zum Volk der Tuareg und lebte bisher in der Wüstenstadt Timbuktu. Jetzt ist er im Nachbarland Burkina Faso untergekommen, denn er musste vor den Rebellen, die den Norden Malis vor Kurzem einnahmen, fliehen.

    „Es geht mir gut“, sagt er am Telefon, als wir in diesen Tagen mit ihm sprachen, und er ist zufrieden, dass er wie viele andere die Stadt in Richtung Burkina Faso verlassen konnte. Nachdem die Rebellen in Timbuktu einmarschiert waren, packte er seine Familie ins Auto und fuhr mit ihr in den Norden des Nachbarstaates – 500 Kilometer weg von zu Hause. In Bobo Dioulasso, einer Stadt im Norden des Landes, konnten sie ein kleines Haus mieten, wo sie nun zu siebt wohnen.

    Ein stolzes Volk

    Die Tuareg sind ein stolzes Volk, und Alhous ist Tuareg durch und durch. Nie würde er sein Leid klagen. Aber er gesteht zu, dass er im Moment Hilfe brauchen kann, und fügt hinzu: „Auch für die Leute, die ich hinter mir gelassen habe, Onkel, Tanten und deren Kinder“. Sie gehören wie Alhous zu den gemäßigten Tuareg, die mit den islamistischen Rebellen nichts zu tun haben wollen. Sie sind noch in der Nähe von Timbuktu, leben aber aus Furcht in Verstecken.

    Jeden Tag ruft Alhous dort an und spricht mit ihnen. Dass er gut daran getan hat, seine Stadt zu verlassen, zeigt sich daran, dass die Rebellen kurz nach seiner Flucht über sein Hotel hergefallen sind. Man berichtete ihm, dass sie alles, was nicht niet- und nagelfest war, mitgenommen hätten. Auch sein kleines Reisebüro „Tafouk Voyages“, in dem er Wüstentouren und andere Ausflüge anbot, existiert nicht mehr.

    Alhous ist sich sicher, warum er ins Visier der Rebellen geraten ist: „Ich habe im Tourismusgewerbe mit Menschen aus dem Westen zu tun gehabt, ich habe im Hotel Alkohol an die Reisenden verkauft, das ist zu viel für die Islamisten.

    Gauner im Schlepptau

    Sie hatten eine Rechnung mit mir offen“, sagt er. Aber nicht alle Plünderungen seien politisch motiviert, erklärt Alhous weiter, denn nach Augenzeugenberichten hätten die Rebellen „auch ganz einfache Gauner im Schlepptau, die alles mitnehmen, was sie irgendwo verkaufen können“. Deshalb habe er sich nicht mehr sicher gefühlt und seine Stadt verlassen – und er war nicht der Einzige. Etwa 15 000 der zuletzt geschätzten 30 000 Einwohner Timbuktus seien ebenfalls geflohen – ein Großteil nach Mauretanien und Burkina Faso. In Timbuktu seien inzwischen alle Bars geschlossen, es gibt keinen Alkohol mehr zu kaufen und die Frauen müssen einen Schleier tragen – und das, obwohl Tuareg-Frauen bisher nie verschleiert waren.

    Alhous hat Ende März den Einmarsch der Rebellen in Timbuktu noch selbst miterlebt. Sie seien mit vielen Autos und schwer bewaffnet eingetroffen. Es seien auch Schüsse gefallen und einige Menschen verletzt worden. Auffällig sei, dass die islamistischen Rebellen deutlich besser mit Waffen ausgerüstet gewesen seien als die Tuareg. Das sei darauf zurückzuführen, dass sie in den letzten Jahren durch Geiselnahmen sehr viel Lösegeld erpresst hätten. Wie es in Mali weitergehen wird, kann Alhous derzeit nicht sagen, zu verworren ist die Lage. „Die Sache ist noch nicht erledigt“, meint er.

    Wieder Schießereien

    Sehr optimistisch ist er jedoch, was seinen Besuch in Würzburg angeht. Er habe eine Einladung und werde sich in diesen Tagen mit dem Botschafter treffen, um alle Formalitäten zu klären, sagt er am Telefon: „Das wird sicher klappen“, fügt er hoffnungsvoll hinzu. Und inzwischen ist es so gut wie sicher, dass die beiden Tuareg nach Würzburg kommen werden. Allerdings auf anderen Wegen als geplant. Ursprünglich wollten sie von der malischen Hauptstadt Bamako aus nach Deutschland fliegen. Doch dort kam es jüngst wieder zu Schießereien. Allerdings blieb unklar, wer dabei gegen wen das Feuer eröffnete. Da nicht sicher war, ob der dortige Flughafen geöffnet sein würde, ist es den Veranstaltern des Africa Festivals jetzt gelungen, den Flug umzubuchen. Jetzt werden Alhous und El Kassim die Reise von der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou aus antreten.

    Inzwischen ist sicher, dass die beiden Tuareg Alhous Ag Tajou und El Kassim auch in diesem Jahr vom 25. bis 28. Mai nach Würzburg kommen können. Da sie im Moment Flüchtlinge in einem fremden Land sind, können sie kein Geld verdienen. Deshalb wollen die Veranstalter des Festivals ihnen helfen und haben sich Folgendes überlegt: Zwei Euro von jedem Produkt, das am Afro-Project-Infostand beim Festival verkauft wird, kommen direkt den beiden Tuareg und ihren Familien zugute. Außerdem werden sie beim Festival original Tuareg-Schmuck anbieten, um damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Schon jetzt werden alle Besucher gebeten, von diesen Angeboten regen Gebrauch zu machen.

    Täglich zwischen 11 und 12 Uhr werden die Tuareg aus Mali über ihr Leben in der Wüste sprechen. Folgende Themen sind vorgesehen: Freitag: Überleben in der Wüste Samstag: Liebe und Hochzeitsbräuche bei den Tuareg Sonntag: Die aktuelle Situation in Mali-Nord Montag: Der Ehrenkodex der Tuareg

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