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(K)Ein Platz für Raucher?

Politik

(K)Ein Platz für Raucher?

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    (K)Ein Platz für Raucher?
    (K)Ein Platz für Raucher?

    Es wird eng für Raucher. Genauer gesagt der Raum, wo sie es noch tun dürfen, wird kleiner und kleiner. Jetzt hat ein Gericht sogar Rauchen als einen Wohnungskündigungsgrund bestätigt. „Kein Ort. Nirgends“, möchte ich da als Raucherin seufzend von mir geben. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass die Kippe ein allgegenwärtiges Accessoire war: In TV-Talkrunden wurde gequalmt, dass der Zuschauer auf dem Sofa die Gäste kaum mehr erkennen konnte, in Kneipen, in Büros, im Zug, beim Friseur – überall dampfte es. Und dann ging es ganz schnell – der Raucher wurde zu einer Art Staatsfeind Nummer eins. Im Freistaat dauerte die Diskussion über die rechte Umsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes nur etwa drei Jahre. Ausnahmeregelungen wurden erörtert, die Furcht vor einem Wirtshaus- und Kneipensterben ging um. Nach einem kurzen politischen Eiertanz sprach das Volk im Juli 2010 ein Machtwort: 61 Prozent stimmten für ein striktes Rauchverbot, das den blauen Dunst aus der Gastronomie, aus allen Kneipen und sogar den Bierzelten verbannen sollte. Am 1. August 2010 dann trat das damals bundesweit strengste Nichtraucherschutzgesetz in Kraft. Eine Zäsur – auch in meinem Leben.

    Ich sage es lieber gleich: Ich rauche auch heute noch. Nicht unbedingt gerne, aber weil ich nikotinsüchtig bin, erscheint mir das Rauchen bislang immer noch erträglicher als der Entzug. Kämpfe gegen die Sucht habe ich bis jetzt verloren. Die Hoffnung, dass ich es eines Tages schaffe, endgültig die Finger von den Kippen zu lassen, aber nicht.

    Und obwohl das Nichtraucherschutzgesetz mir mein Leben schwerer macht, bin ich inzwischen fast zu einem Freund davon geworden. Das war nicht von Anfang an so. Aber, hey, auch Raucher sind lernfähig. Und ja, es gibt auch Raucher, die es vorziehen, ihr Essen jenseits der Schwaden zu genießen. Und welche, die es schätzen, in Wohnungen zu leben, die möglichst wenig von Nikotin durchdrungen sind. Die Zigarette, an der man hängt, mag ein zentrales Moment im Leben eines Rauchers sein – das liegt in der Natur der Abhängigkeit. Das heißt aber nicht, dass es abgesehen davon nichts anderes, Wichtiges geben kann, für das man mit der Sucht hin und wieder einen Kompromiss aushandelt.

    Das Rauchverbot oder auch Gesetz zum Schutz der Nichtraucher genannt – je nachdem, von wo aus man es betrachtet – machte solche Kompromisse unumgänglich. Zumindest dann, wenn man nicht in den eigenen vier Wänden versauern und sozial verelenden wollte. Zugegeben, anfangs reagierte ich trotzig. Rauchen nur noch vor der Restaurant- oder Kneipentür? Gut, dann eben gar nicht. Also wurden die privaten Zusammenkünfte in Restaurants und Kneipen drastisch reduziert. Treffen? Gerne, aber nur dort, wo man draußen sitzen kann oder eben privat. Es wurde Herbst und die Gelegenheiten, draußen sitzen zu können, weniger. Das Unangenehme am Vor-der-Tür-Rauchen war allerdings nicht, dass man mal die Runde verlassen musste oder dass es draußen allmählich kälter wurde. Das wirklich Nervtötende waren die immer gleichen Sprüche von Leuten, die an einem vorübergingen: „Jaja, die Sucht“, „Hauptsache die Zigarette wärmt“, „Na, ist euch nicht kalt?“, „Ach, müsst ihr vor die Tür, haha.“

    Derart flache Sprüche sind schon an sich schwer zu ertragen, aber die Häme, die mitschwang, empfand ich als Frechheit. Warum glauben sie, so mit mir sprechen zu können. Ein Glück, dass das Novum – Raucherrunden vor den Kneipen – schnell seinen Reiz verlor. Und selbst die kommentarfreudigsten Passanten langweilte es irgendwann, ihre immer gleichen Sätzlein aufzusagen. Leiser wurde es auch um jene Kneipenwirte, die unermüdlich versuchten, dem neuen Gesetz doch noch ein Schnippchen zu schlagen. Die Raucherclubs gründeten und immer neue Wege ausbaldowerten, um eine allabendliche, „geschlossene Gesellschaften“ zu konstruieren – das einzige Schlupfloch, um das Rauchverbot zu umgehen.

    Zugleich wuchs die Solidarität unter den Verbannten draußen vor der Tür. Man hatte gemeinsame Nenner, man fror zusammen, man gab sich Feuer, kam ins Plaudern und blieb mitunter noch auf eine zweite Kippe beisammen. Zuweilen ergab sich vor der Tür die interessantere Runde als drinnen. Irgendwann waren es die Nichtraucher, die sich ausgeschlossen fühlten, weil sie in der Kneipe saßen, dort die Jacken und Taschen bewachten, während draußen Raucher und ihre nichtrauchenden Sympathisanten Spaß hatten.

    Nach und nach erhöhte sich wieder meine Ausgeh-Frequenz, Raucher und Nichtraucher begannen sich an die neue Situation zu gewöhnen. Und je mehr es zur Normalität wurde, desto mehr lernte ich es zu schätzen, mein Essen in rauchfreier Umgebung zu genießen. Mit Blick auf wein- oder bierselige Runden war und ist es jedoch ungleich schwieriger. Jeder Raucher weiß, Alkohol- und Zigarettenkonsum steigen proportional zueinander an. Immer wieder nach draußen zu gehen, das Glas drin zu lassen, das ist, na ja, sagen wir mal, ungemütlich. Das kann man nicht schönreden. Auffällig auch: Obwohl doch der Traum der Nichtraucher wahr geworden und alle Kneipen nun unverqualmt waren, hatte ich nicht den Eindruck, dass die Nichtraucher ihr neues Territorium freudig erstürmten. In den Kneipen saßen die Gleichen wie zuvor. Nur eben ein paar weniger.

    Der Speisegastronomie tat das neue Gesetz keinen Abbruch. Wohl aber den Kneipenwirten: 28 Prozent Umsatzrückgang lautete das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, die das Münchner Instituts für Marktforschung im Auftrag des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes erhob. Die Folge laut Umfrage: Neun Prozent der befragten Wirte mussten Personal entlassen, 15 Prozent haben die Arbeitszeiten gekürzt, ein Drittel denke darüber nach, die Türe für immer zuzusperren.

    Wer beim Wein oder Bier partout Schmauchen wollte, musste eben in eines der anderen Bundesländer fahren. In 14 davon ist es noch erlaubt, dass in kleinen Kneipen, in Gaststätten bis zu einer gewissen Größe oder in separaten Nebenräumen geraucht werden darf. Doch auch wenn ich mich heute in einem dieser Bundesländer mit Freunden zum Essen verabrede, bin inzwischen ich es, die darum bittet, im Nichtraucherbereich einen Tisch zu nehmen.

    Diskriminierend, fast schon demütigend, empfinde ich hingegen zum Beispiel die Situation an einigen Flughäfen. Bei einem vergangenen Flug gab es einen Zwischenstopp in Doha (Katar). Was dort – in einem der reichsten Länder der Welt! – als Raucherbereich ausgewiesen wurde, war grenzwertig: ein fensterloser, voll-gekachelter Raum, zwei versiffte Aschenbecher und eine funktionslose Lüftungsanlage. Und das inmitten eines schicken Flughafens, der jedem kristallklar vor Augen führt, dass in dem kleinen Öl-Emirat Luxus und Reichtum zu Hause sind. In solch einem Umfeld kann ein so schäbiges Raucher-Kabuff kein Zufall sein – das ist Absicht.

    Nur mit absichtlicher Provokation kann ich mir auch das Verhalten einiger Nichtraucher erklären. Ich als Raucherin befolge brav die – mitunter merkwürdigen – Spielregeln und ernte dennoch Feindseligkeit. Ich laufe also einen Bahnsteig entlang hin zu einem Fleckchen, innerhalb dessen gelber Linien man rauchen darf. Absurd genug, dass auf einem zugigen Bahnsteig ein gelbes Rechteck dem Nichtraucherschutz dienen kann. Wenn dann aber jene zu schützende Spezies sich direkt neben mich stellt, am besten so, dass der Wind den Rauch auch exakt zu ihr trägt. Und wenn sie nach einer demonstrativen Hüstelphase dann zu ihren Schimpftiraden anhebt – dann bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich alle Nichtraucher schützen möchte. Dann frage ich mich, wer eigentlich mich vor solchen Exemplaren schützt?

    Angesichts immer neuer Rauchverbote gewinne ich ohnehin zunehmend den Eindruck, dass es nicht mehr darum geht, andere vor dem Passivrauchen zu schützen, sondern darum, dem Raucher das Leben schwer zu machen. Das Ziel: ihn auf den rechten Weg zu leiten, notfalls zu zwingen, hin zum richtigen, zum rauchfreien Leben. Unbestritten, es gibt kaum etwas Vernünftigeres, als mit dem Rauchen Schluss zu machen. Schadet man aber keinem anderen, ist und bleibt es eine persönliche Entscheidung, samt ihrer Konsequenzen. Und sich für etwas Dummes oder Falsches zu entscheiden ist eben auch Teil jener Freiheit, die wir doch alle so schätzen – Raucher und Nichtraucher.

    Kampf gegen die Kippen

    Jährlich sterben bundesweit 110 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Hinzu kommen über 3000 Passivraucher. Zum Schutz für Nichtraucher gibt es bereits viele Vorschriften:

    Oktober 1981: Erste Warnhinweise werden eingeführt. Auf jeder Zigarettenschachtel ist zu lesen: „Der Bundesgesundheitsminister: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit.“

    März 2007: Als erstes Bundesland bringt Bayern ein Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg. Danach ist von Januar 2008 an Rauchen in öffentlichen Gebäuden größtenteils verboten. In abgetrennten Raucherräumen sowie in Bier- und Discozelten darf weiter geraucht werden.

    September 2007: Das Bundesnichtraucherschutzgesetz verbietet das Rauchen in allen öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bahnen, Bussen, Flugzeugen, Fähren und Taxis sowie in rund 450 Behörden und Einrichtungen des Bundes.

    Juli 2008: Nach Klagen von Gastronomen gegen strenge Rauchverbote in Bundesländern fällt das Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung. So dürfen Ausnahmen wie Raucherräume die Kleingastronomie nicht benachteiligen. Viele Bundesländer richten ihre Gesetze seit 2009 danach aus und erlauben in kleinen Kneipen das Rauchen.

    Juli 2010: Ein Volksbegehren bringt in Bayern ein striktes Rauchverbot. Qualmen in Gaststätten, Kneipen und Bierzelten ist komplett verboten.

    Mai 2013: Das neue Nichtraucherschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen macht Schluss mit vielen Ausnahmen: Dort gilt nun ein ebenso striktes Verbot wie in Bayern. Text: dpa

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