Die 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten können auf ein Ende der unbeliebten Praxisgebühr beim Arzt hoffen. Acht Jahre nach ihrer Einführung stellt nun auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gebühr angesichts der neuen Rekordreserve der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) infrage.
Die Techniker Krankenkasse (TK) prescht vor. Sie zahlt ihren mehr als sechs Millionen Mitgliedern im kommenden Jahr eine Prämie von 80 Euro und erstattet ihren Versicherten die Praxisgebühr. Dazu müssen sie aber an mindestens vier Vorsorgemaßnahmen im Jahr teilgenommen haben. Die per Scheck ausgezahlte Prämie bekommen nur Mitglieder, aber nicht beitragsfrei versicherte Familienangehörige. Eine an Bedingungen geknüpfte Rückerstattung der Praxisgebühr hatte bereits die KKH-Allianz angekündigt.
„Die Bundeskanzlerin betrachtet das Gesamtbild, das sich jetzt im Gesundheitsfonds und auch bei den gesetzlichen Krankenkassen bietet, und denkt intensiv über die Argumente, die da vorgebracht werden, nach“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag überraschend in Berlin mit.
Im September hatte sich an Merkels ablehnender Haltung gegenüber einer Abschaffung der Gebühr laut Seibert noch nichts geändert. Doch seither wachsen die Rücklagen von Gesundheitsfonds und einzelnen Krankenkassen immer weiter – voraussichtlich auf bis zu rund 29 Milliarden Euro zum Jahresende. FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann begrüßte die Bewegung Merkels.
Die 2004 eingeführte Zehn-Euro-Gebühr bringt der Krankenversicherung rund zwei Milliarden Euro im Jahr. Die Kassen wehren sich gegen ein baldiges Aus der Gebühr. AOK-Chef Jürgen Graalmann sagte, eine Abschaffung käme nicht bei den Einkommensschwachen und chronisch Kranken an. Der Barmer-GEK-Vorsitzende Christoph Straub sagte: „Populäre Schnellschüsse sind hier keine Lösung.“ Auf den Prüfstand gehöre die Steuerungswirkung und Belastungsgerechtigkeit sämtlicher Zuzahlungen.