Vor knapp vier Wochen ist das Internetportal „lebensmittelklarheit.de“ an den Start gegangen. Die Verbraucherzentrale Hessen, die das Portal betreut, kann fast eine Beschwerdewelle vermelden. Allein in den ersten Tagen gingen über 2500 Nachrichten ein, sagt Ernährungswissenschaftlerin Andrea Schauff von der Verbraucherzentrale Hessen.
Hat sich das Portal nach vier Wochen denn schon bewährt?
Andrea Schauff: Ja, der große Ansturm auf das Portal zeigt, dass das Interesse der Verbraucher an mehr Informationen rund das Thema Lebensmittel bei Verbrauchern sehr hoch ist. Es zeigt sich auch, das Verbraucher nicht beschummelt werden wollen und ihr Recht auf wahre und klare Lebensmittelkennzeichnung nutzen. Und es zeigt sich, dass einige Hersteller das Portal auch als Chance begriffen haben in den Dialog mit Verbrauchern zu treten. Sie zeigen Bereitschaft etwas zu verändern zum Beispiel in der Aufmachung ihrer Produkte Internetportal ist ein notwendiger Weg dorthin
Wie viele Anfragen, Beschwerden Meldungen bekommt das Portal derzeit täglich? Ist die Zahl konstant?
Andrea Schauff: Die Zahl der eingehenden Produktmeldungen, Forenanfragen und auch Kontaktanfragen täglich. Im Durchschnitt erreichen uns täglich allein 40 bis 50 Produktmeldungen.
1600 bislang gemeldete Produkte ist eine enorme Zahl - gehen Sie jeder Meldung nach? Wie schnell geht das? Wie lange wird es dauern, bis alles aufgearbeitet ist?
Andrea Schauff: Wie lange es dauern wird, ist schwer zu sagen. Der zeitliche Aufwand zur Bearbeitung einer Anfrage ist in der Regel recht hoch. Die eingehenden Produktmeldungen müssen erst einmal überprüft werden, ob sie zur Einstellung ins Portal geeignet sind. So werden bei Produktmeldungen, bei klaren Verstößen gegen Kennzeichnungsvorschriften, die zuständigen Behörden, zum Beispiel die Lebensmittelüberwachung eingeschaltet. Hersteller werden kontaktiert und um Stellungnahme innerhalb von sieben Tagen gebeten. Eine präzise rechtliche Einordnung des Falles muss vorgenommen werden um die Beschwerde zu bewerten. Nach Ablauf der Rückmeldefrist wird die Beschwerde mit Stellungnahme veröffentlicht und der Verbraucher informiert. Wenn der Hersteller was ändert, wird dies in der entsprechenden Rubrik ins Portal gestellt.
Klingt nach viel Arbeit.
Andreas Schauff: Momentan konzentrieren wir uns zunächst einmal darauf, die rund 3000 Produktmeldungen und Forenanfragen, die uns in den vergangenen Wochen erreicht haben, schnellstmöglich zu sichten und zu bearbeiten. Hinzu kommen noch mehrere Hundert Kontaktanfragen. Um die Arbeit bewältigen zu können, arbeiten die Expertinnen in unserer hessischen Zentralredaktion eng mit den Kolleginnen in den Verbraucherzentralen bundesweit zusammen.
Über was und/ welche Produkte ärgern sich die Verbraucher vor allem?
Andrea Schauff: Sehr häufig handelt es sich um Produkte, bei denen bestimmte Zutaten wie zum Beispiel Früchte auf der Frontseite der Verpackung abgebildet sind, dann aber im Produkt nicht oder nur in geringsten Mengen vorkommen. Oft beschweren sich auch Verbraucher darüber, dass Hersteller ihr Produkt mit sogenannten Clean-Label bewerben also zum Beispiel „Ohne Geschmacksverstärker Glutamat“ in der Zutatenliste findet sich dann aber ein geschmacksverstärkender Ersatzstoff wie Hefeextrakt.
Also ist das ein "Mecker-Portal"?
Andrea Schauff: Nein, bei vielen Beschwerden zeigt sich, dass sich Verbraucher zurecht und durchaus nachvollziehbar durch Kennzeichnungen, Produktaufmachungen oder Bewerbung der Produkte getäuscht fühlen und beschweren und auch viele Anfragen sind berechtigt.
Kann das neue Portal langfristig etwas bewirken/ verbessern?
Andrea Schauff: Ja, davon sind wir überzeugt. Die veröffentlichten Beschwerden der Verbraucher spiegeln die Realität im Supermarkt wider. Unternehmen bekommen damit Hinweise, wie sie ihre Produkte besser und erfolgreicher gestalten können. Wir sehen unser Portal daher nicht nur als Gewinn für Verbraucher, sondern als eine echte Chance für die Anbieter, in einen ehrlichen Dialog mit den Verbrauchern zu treten. Die ersten Erfahrungen mit dem Portal zeigen, dass das einige Hersteller verstanden haben. Sie nehmen die Verunsicherung der Kunden ernst und haben ihre Produktaufmachung angepasst. Außerdem hat das Portal die klare Aufgabe Argumente für die Änderung fragwürdiger Kennzeichnungsregeln zu sammeln, die häufig dazu führen, dass sich Verbraucher getäuscht fühlen. Abfrageergebnisse der Verbraucher können dann zukünftig dazu beitragen, unsere Forderungen auf Nachbesserung bei bestehenden Kennzeichnungsmängeln oder Lücken zu untermauern.