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Leitartikel: Eine Koalition gegen Waffen

Politik

Leitartikel: Eine Koalition gegen Waffen

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    Leitartikel: Eine Koalition gegen Waffen
    Leitartikel: Eine Koalition gegen Waffen

    Die Front scheint tatsächlich zu bröckeln: Nach dem Blutbad in der US-Kleinstadt Newtown rufen sogar Politiker nach einer Waffendiskussion, die bislang fest an der Seite der Schützenlobby marschierten. Das ist auch ein Verdienst des Präsidenten, der sehr feinfühlig agiert. Barack Obama hat in Newtown eine meisterhafte Trauerrede gehalten. Er hat die Menschen in ihrem Leid angesprochen, für Mitgefühl und Respekt die richtigen Worte gefunden. Er hat das Land zusammengeführt und die Betroffenen diese Solidarität spüren lassen.

    Seine Authentizität – er sprach auch von der Angst um seine eigenen Kinder – könnte ihm helfen, eine politische Verständigung anzustoßen. Die Bedachtsamkeit, mit der er Festlegungen vermeidet, ebenfalls. Nichts, das weiß Obama seit der Gesundheitsreform, schadet einer vernünftigen Diskussion so sehr wie eine frühzeitige Frontstellung. Der Präsident selbst muss zwar um keine Wiederwahl mehr kämpfen, aber im Kongress stehen schon 2014 wieder Wahlen an.

    Wenige Tage nach dem Kino-Massaker in Aurora im Sommer dieses Jahres wurden US-Bürger gefragt, ob sie die Kontrolle von Waffen oder das Recht auf ihren Besitz für wichtiger hielten. Die Grenze verlief durch die Mitte des Teilnehmerfelds – wer Waffenfreunde vor den Kopf stößt, verliert also schon mal die Hälfte der Bürger.

    Diese Menschen sind nicht alle dumm. Es ist manchmal schwierig, sich in einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik vorzustellen, was es bedeutet, in einem Flächenstaat zu leben, in dem es Bären und Pumas gibt, in dem Menschen aus schierer Armut jagen gehen, in dem jeder Militärangehörige kennt. Andere halten es für naiv, auf einem Kontinent, auf dem bereits Abermillionen Waffen im Umlauf sind, nachträglich ein Verbot durchzusetzen; am Ende, so die Sorge, stehen nur die Gesetzestreuen ohne da – und die Polizei ist oftmals weit. Diese Argumente kann man auch würdigen, ohne sich auf den Verteidigungswahn einzulassen, der sich aus dem Unabhängigkeitskrieg erhalten hat.

    Der Verweis auf psychische Ursachen wird oft zur Ablenkung missbraucht, aber er ist deswegen noch nicht falsch. Im Gegenteil: Ohne zumindest den Versuch zu unternehmen, sich dieser Problematik zu nähern, laufen Waffengegner Gefahr, ihrerseits einfache Lösungen zu suchen. Zu einem ernsthaften Ansatz gehört nicht nur, Krankheiten zu erkennen und zu behandeln, sondern auch die Beschäftigung mit Sinnvermittlung und Zukunftsaussichten. Und warum eigentlich, auch das sollte man ohne vorschnelle Antworten fragen, vermittelt unsere Kultur in ihren Filmen und Medien oft ein so glamouröses Bild von tötenden Männern?

    Präsident Obama hat ein Bewusstsein für diese Dimensionen erkennen lassen, als er ankündigte, eine breite Koalition mit dem Problem zu befassen. Die Waffenlobby kann sich allenfalls verbesserte Hintergrund-Checks vorstellen – dass Obama das Thema Psyche anerkannt hat, könnte zumindest an ihren Rändern Gesprächsbereitschaft entstehen lassen. Inzwischen dämpft das Weiße Haus die Hoffnung auf schnelle Resultate. Die Entschlossenheit, die der Präsident zuletzt demonstrierte, sollte er aber zumindest dort beibehalten, wo keine ernsthaften Zweifel möglich sind: In einer zivilen Gesellschaft sind Sturmwaffen überflüssig.

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