Doping in Deutschland im Auftrag des Bundes? Dieser Zeitung liegen Beweise dafür vor, dass dies so gewesen ist. Mit Steuermitteln wurden vor über 40 Jahren hierzulande wissenschaftliche Versuche mit Anabolika, Insulin, ja sogar mit Wachstumshormonen gefördert. Lange her, werden Funktionäre sagen. Was sollen die Geschichten aus den Zeiten des Kalten Krieges? Nach den Schrecken des „Dritten Reichs“ wollte eine junge Nation eben in die internationale Gemeinschaft zurückkehren und auch auf dem Feld des Sports eine gute Rolle spielen. Und schließlich: Im Osten wurde ja auch gedopt. Wer so argumentiert, ist ein Verräter von Werten, die unsere Gesellschaft kitten.
Auch als Anti-Doping-Kampf können die Projekte der Universität Freiburg nicht missverstanden werden. Dafür sind die nun entdeckten Anträge zu klar formuliert, und dafür ist auch aus den Folgejahren zu viel bekannt geworden über die verkommenen Strukturen nicht nur im Breisgau. Denn: Aktueller könnte das Thema ja kaum sein. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die beiden Sprinter Asafa Powell (Jamaika) und Tyson Gay (USA) positiv getestet worden sind. Schließlich veröffentlichten die französische Anti-Doping-Behörde und der Senat einen Untersuchungsbericht über die Tour de France 1998, aus welchem hervorgeht, dass auch die längst gefallenen deutschen Rad-Helden Jan Ullrich und Erik Zabel damals mit EPO gedopt waren. Zabel hat das nun umfassend zugegeben und damit sein tränenreiches Geständnis aus dem Jahre 2007 in Bonn („Ich habe nur eine Woche EPO genommen, aber nicht vertragen“) als Schmierentheater enthüllt. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaften will indes den Abschlussbericht der Studie „Doping in Deutschland“ nicht veröffentlichen.
Das macht deutlich, wie überfordert der Sport mit der Aufarbeitung seiner Probleme ist. Deshalb wird es interessant sein zu beobachten, wie er mit seinem obersten Vertreter in Deutschland, Thomas Bach, auf die Aktenfunde über bundesfinanzierte Dopingforschung reagieren wird. Sitzt der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, in den 70er Jahren als Fechter selbst Olympionike, die Affäre aus, oder wird von ihm ein klares Statement zu hören sein? Bach behandelt Probleme gerne unter der wohligen Decke der Sport-Familie, ein Begriff, den FIFA-Boss Sepp Blatter bei der Aufarbeitung seiner zahlreichen Affären auch verwendet. Zudem möchte sich der Tauberbischofsheimer Bach im September zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees wählen lassen, da könnte sich eine Doping-Affäre im eigenen Land als Stolperstein erweisen.
Vielleicht aber führen ja die Enthüllungen der vergangenen Tage dazu, dass endlich eine seriöse Diskussion über ein Anti-Doping-Gesetz in diesem Land geführt wird. Anti-Doping-Kämpfer wie der Berliner Wissenschaftler Giselher Spitzer oder vor allem auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) fordern dies längst angesichts des Hase-und-Igel-Spiels, das die Betrüger und Forscher mit den Aufklärern aufführen. Für Sportler dürfen, auch zum Schutz der sauberen Athleten, keine Kompromisse mehr gelten: Entsprechend konsequent fordert Merk eine Strafbarkeit schon bei Besitz von Arzneimitteln oder Wirkstoffen zu Dopingzwecken ab dem ersten Milligramm. Für diese Gesetzesinitiative verdient sie jede Unterstützung.