Die Beziehungen zwischen Österreichs Identitären Chef Martin Sellner, 30, und dem neuseeländischen Christchurch-Attentäter sind enger als zunächst angenommen. Im März 2019 wurde bekannt, dass er 1500 Euro an die Identitären gespendet hat. Jetzt belegen Dokumente, dass die Kontakte zwischen dem Attentäter, der in zwei Moscheen 51 Menschen getötet hat, und dem Chef der rechtsextremen österreichischen Identitären Sellner umfassender waren. Das hatte Sellner bestritten. Sellner hatte dem Mann geschrieben : "Wir sollten auf einen Kaffee oder ein Bier gehen, wenn du in Wien bist."
Für die "unglaubliche Spende" des Australiers in Höhe von 1500 Euro bedankte er sich mit seiner privaten Email-Adresse. Der antwortete: "Es ist eine kleine Summe im Vergleich zu der unglaublichen Arbeit, die du leistest. Es wird ein langer Weg zum Sieg, aber unsere Leute werden jeden Tag stärker". Nach Bekanntwerden der Verbindung hatte der österreichische Verfassungsschutz Sellners Haus durchsucht und Computer beschlagnahmt. Sellner, so heißt es, dürfte gewarnt worden sein. Der Mailverkehr war gelöscht.
Die Beamten fanden jedoch einige Screenshots auf dem Computer. Sowohl die österreichische Nachrichtensendung ZIB2 als auch das Recherchenetzwerk von WDR, NDR und SZ gelangten in den Besitz dieser Screenshots. Sie zitieren den Wunsch des Australiers: "Kämpfe den guten Kampf weiter". Sellner antwortete: "Das gibt mir wirklich Mut und Energie".
Sellner, ein Arztsohn aus dem Wiener Umland, präsentiert sich und die Identitären als den bürgerlich-smarten Arm der Neonaziszene. Er ist nach Deutschland gut vernetzt. Auch die deutschen Identitären werden vom Verfassungsschutz beobachtet. In Österreich scheiterten zwei Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Jetzt sind neue Verfahren wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 100 000 Euro anhängig. Ein großer Teil der Spenden stammt offenbar aus Deutschland. Sie werden von Kommentaren begleitet, die auf rechtes Gedankengut der Absender schließen lassen, wie zum Beispiel "Kampfspende".
Österreichs Innenminister Herbert Kickl sagte, die Annahme, dass Sellner Teil eines rechtsextremen Netzwerkes sein könne, sei nichts Neues. Die Ermittlungen liefen in diese Richtung. Doch da der Attentäter durch verschiedene Länder gereist sei, seien jetzt Absprachen mit neuseeländischen Behörden nötig. Die Polizei in Oberösterreich und der Steiermark prüfe derzeit, ob eine Auflösung der Identitären möglich sei.
Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands stufte die Identitären mehrfach als rechtsextrem ein. Sie sind auf verschiedenste Weisen mit der Freiheitlichen Partei verbunden, der auch Kickl angehört. In den vergangenen Wochen wurde versucht, einige Verbindungen zu kappen. Es sollen auf Druck von Kanzler Sebastian Kurz sogar Mitarbeiter aus Ministerien und der Fraktion entlassen worden sein, die zu den Identitären gehören.
"Eine Abgrenzung zur Ideologie der Identitären hat jedoch nicht stattgefunden", sagt Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. Der Attentäter von Christchurch habe ebenso wie FPÖ-Chef Heinz Christian Strache den Begriff "Bevölkerungsaustausch" anstelle "Migration" benutzt. Strache hält im Wahlkampf daran fest.