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London: May will keine halben Sachen

London

May will keine halben Sachen

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    Premierministerin Theresa May bei ihrer Rede zum Brexit
    Premierministerin Theresa May bei ihrer Rede zum Brexit Foto: Foto: Kirsty Wigglesworth, afp

    Allein der für die Brexit-Grundsatzrede gewählte Ort bot eine gewisse Ironie. Im palastartigen Lancaster House, nicht weit vom Londoner Machtzentrum Westminster entfernt, hatte im Jahr 1988 die damalige konservative Premierministerin Margaret Thatcher einen Lobgesang auf den europäischen Binnenmarkt gehalten und den unbeschränkten Handel zwischen den Mitgliedsstaaten gepriesen.

    Am Dienstag, fast 29 Jahre später, verkündete die jetzige und ebenfalls konservative Regierungschefin Theresa May in demselben prachtvollen Herrenhaus das Ende dieser Mitgliedschaft. Großbritannien strebt einen klaren Bruch mit Brüssel an, gab May vor Diplomaten und Medienvertretern in London bekannt. Zugleich erklärte sie zum ersten Mal seit dem Referendum vom 23. Juni 2016 und ihrer Amtsübernahme im Juli in groben Zügen die Pläne für die anstehende Scheidung, wobei sie Details vermissen ließ.

    Mittlerweile sprechen Beobachter nicht mehr so viel von einem „harten“ Brexit, sondern bevorzugen, ihn „sauber“ zu nennen, was im Ergebnis dasselbe heißt: Es werde „keine Teil-Mitgliedschaft in der EU“ geben oder einen Zustand „halb drinnen, halb draußen“, machte May deutlich. Ihre Botschaft: Das Königreich verlässt die Gemeinschaft und das in vollem Ausmaß, insbesondere, um die volle Kontrolle über die Einwanderungspolitik und die nationale Souveränität zurückzugewinnen.

    Kontrolle der Zuwanderung

    Das waren die Kernargumente der Austrittsbefürworter vor der Volksabstimmung. Ein Großteil entschied sich für den Bruch mit Brüssel, um die Zuwanderung aus den EU-Staaten einzuschränken. Die europäischen Partner auf dem Kontinent zeigten sich jedoch stets beharrlich, dass es den vollen Zugang zum Binnenmarkt nur im Paket mit den vier Grundfreiheiten gebe, zu denen auch die Personenfreizügigkeit gehört.

    Deshalb, so konstatierte May, könne das Königreich nicht Teil des gemeinsamen Wirtschaftsraums bleiben. Stattdessen will sie einen umfassenden Freihandelsvertrag mit Brüssel schließen und den „größtmöglichen Zugang“ zum gemeinsamen Markt erreichen.

    Verfolgt London nicht jene „Rosinenpickerei“, vor der Regierungschefs wie Kanzlerin Angela Merkel unaufhörlich warnen? Ratspräsident Donald Tusk bezeichnete den geplanten Brexit per Twitter als „traurigen Vorgang in surrealistischen Zeiten“. Mays Rede zeuge nun aber zumindest von mehr Realismus.

    Ziel ist eine globale Handelsmacht

    Dabei gab sich die Britin selbstbewusst. Etliche Male sprach sie von Großbritanniens Weg hin zu einer „globalen“ Handelsmacht – es schien wie eine Flucht nach vorn. „Kein Deal ist besser für Großbritannien als ein schlechter Deal“, sagte sie zudem und warnte abermals ihre Partner auf der anderen Seite des Ärmelkanals davor, das Königreich für die Brexit-Entscheidung mit einem harten Verhandlungskurs zu bestrafen. Dies wäre „ein verhängnisvoller Akt der Selbstbeschädigung“. Dann könnte das Land eine Änderung seines Wirtschaftsmodells in Betracht ziehen.

    Es ist eine Drohung, die Befürchtungen befeuern wird, die Insel könnte durch eine Absenkung der Körperschaftssteuer zum Steuerparadies werden, um so Unternehmen und Investoren anzulocken. Gleichwohl betonte May, es sei in Großbritanniens „nationalem Interesse, dass die EU Erfolg hat“. Überraschend kam ihr Versprechen, den mit der Europäischen Union ausgehandelten Deal am Ende dem Unterhaus und dem Oberhaus zur Abstimmung vorzulegen. Es darf als Zugeständnis an ihre Kritiker verstanden werden, die ein Mitspracherecht gefordert hatten.

    Weil die Konservativen eine Mehrheit im Parlament besitzen, kann May auf eine Bestätigung ihres Kurses hoffen. Doch was passiert, sollte das Parlament das Abkommen trotzdem ablehnen? Diese Antwort blieb die Regierungschefin den Zuhörern schuldig.

    Gleichzeitig ließ May etliche Beobachter enttäuscht zurück, da sie keineswegs den Vorhang vor ihrem vermeintlichen Master-Brexit-Plan gelüftet hat.

    Die Premierministerin verriet weder Details über den künftigen Status von EU-Einwanderern auf der Insel oder jenen Tausenden Briten auf dem Kontinent, noch gab sie etwa einen genauen Fahrplan bekannt oder machte Angaben zu künftigen Zahlungen in den EU-Haushalt. Klar ist aber, dass die Regierung bis Ende März offiziell den Scheidungsantrag nach Artikel 50 des EU-Vertrags von Lissabon stellen will, womit der auf zwei Jahre befristete Austrittsprozess beginnt.

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