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BERLIN/PARIS: Mehr Mut zu mehr Europa?

BERLIN/PARIS

Mehr Mut zu mehr Europa?

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    Angela Merkel und Emmanuel Macron reden immer wieder miteinander. Aber offiziell hat die Kanzlerin auf die Vorschläge des Präsidenten bisher nicht reagiert.
    Angela Merkel und Emmanuel Macron reden immer wieder miteinander. Aber offiziell hat die Kanzlerin auf die Vorschläge des Präsidenten bisher nicht reagiert. Foto: Foto: Francois Mori, dpa

    Den ersten Termin, den der französische Präsident Emmanuel Macron in seinem jugendlichen Elan gesetzt hat, kann Deutschland, wie bereits heute feststeht, nicht mehr einhalten: Am 22. Januar sollten zum 55. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags beide Nationen „einen neuen Élysée-Vertrag auflegen“ – in den Fußstapfen von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, aber orientiert an den heutigen Herausforderungen. Das neue Dokument sollte all die gemeinsamen Initiativen enthalten, mit denen Deutschland und Frankreich Europa voranbringen können.

    Macrons Rede an der Sorbonne gibt die Richtung vor

    Als Macron in seiner Rede an der Pariser Universität Sorbonne kurz nach der Bundestagswahl, diesen Plan vorstellte, rechneten weder er noch sonst jemand damit, dass sich die Regierungsbildung in Deutschland so lange hinziehen könnte, dass der Zeitrahmen platzen würde.

    Aber handelt es sich wirklich nur um eine Zeitfrage? In Wahrheit gibt es auch inhaltliche Vorbehalte gegen die weitreichenden Pläne Macrons. Während führende Sozialdemokraten bereit sind, dem französischen Präsidenten entgegenzukommen, verhalten sich die Unionsparteien deutlich reservierter. Von der CDU-Chefin und amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt es bis heute kein klares Bekenntnis zu den vielen großen und kleinen Vorschlägen, die Macron in seiner Rede gemacht hat. Daher steckt im Thema Europa, das jetzt im Zentrum der Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD über eine künftige Regierung steht, mehr Sprengkraft, als man gemeinhin denkt.

    Das Unaussprechliche auf Deutsch und auf Französisch

    Der französische Präsident verlangte im Kern von Deutschland und von Frankreich nicht mehr und nicht weniger, als lieb gewordene politische Dogmen, die sich über Jahrzehnte verfestigt haben, über Bord zu werfen. „Das Unaussprechliche auf Deutsch ist der Finanztransfer; das Unaussprechliche auf Französisch ist die Vertragsänderung“, formulierte Macron in seiner Rede an der Sorbonne.

    Das heißt: Deutschland, das wirtschaftlich am stärksten von der EU profitiert, wird sich finanziell stärker für die schwächeren Mitgliedsstaaten engagieren müssen – und Frankreich sollte akzeptieren, dass die Gemeinschaft nicht in einem vor Jahrzehnten angefertigten Geflecht von Verträgen verharrt, sondern sich lebendig weiterentwickelt. „Wenn wir langfristig Europa erhalten wollen“, so Macron, „werden wir beides brauchen“.

    Gabriel lässt Unzufriedenheit mit der Situation erkennen

    Auf die viel beachtete Grundsatzrede des Präsidenten, der die EU wieder in die Offensive bringen will, gab es keine inhaltlich relevante offizielle Reaktion aus Berlin. Doch zumindest der Außenminister lässt erkennen, dass ihm diese Passivität nicht behagt.

    Sigmar Gabriel (SPD) monierte am Sonntag, es werde „endlich Zeit“, dass Deutschland auf Macron antwortet. Das Thema Europa, so der Minister, müsse im Zentrum eines möglichen Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD stehen. Sich zu viel um Innenpolitik und zu wenig um Europa gekümmert zu haben, sei ein Fehler der alten GroKo gewesen, räumte er ein.

    SPD-Chef Martin Schulz, ehemals Präsident des Europäischen Parlaments, schien zeitweise sogar Macron überbieten zu wollen: Auf dem SPD-Parteitag im Dezember forderte er, die Europäische Union bis 2025 in die „Vereinigten Staaten von Europa“ mit einem gemeinsamen Verfassungsvertrag umzuwandeln. Kein Nationalstaat, nur Europa könne in der Globalisierung Regeln durchsetzen. „Leute, Europa ist unsere Lebensversicherung“, rief Schulz aus.

    Prompt gab das Unionslager Kontra. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte Schulz einen „Europaradikalen“. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), bis vor kurzem Finanzminister, will zwar auch ein starkes Europa. Aber die Menschen hätten „in diesen Zeiten der unglaublich schnellen und grundlegenden Veränderungen offenkundig das Bedürfnis, auch ein Stück weit Halt zu finden in ihren nationalstaatlichen Traditionen“, sagte er und warnte damit vor allzu raschen Veränderungen.

    Auch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft würde steigen

    Dass die Wirtschaft auf Macron und auf Schulz positiv reagiert, verwundert indes nicht. Denn ein starkes Europa verbessert die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Firmen – und muss sich auch vor möglichen Angriffen auf den Freihandel durch US-Präsident Donald Trump nicht fürchten. Dem wird eine neue GroKo Rechnung tragen müssen. Ob sie auch den Mut für eine zukunftsfähige Lösung aufbringt? Eine flottgemachte EU dann „Vereinigte Staaten von Europa“ zu nennen, wäre aber kontraproduktiv, weil damit nur unnötig Vorbehalte hervorgerufen werden.

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