Verglichen mit dem, was Oskar Lafontaine in seinem politischen Leben schon erreicht hat, geht es jetzt um ein vergleichsweise kleines Ziel. Der Mann, der 13 Jahre lang Ministerpräsident, aber auch schon Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister war, könnte mit seiner Linkspartei nun Juniorpartner einer Koalitionsregierung im Saarland werden. Sofern das Ergebnis der Landtagswahl am Sonntag eine rot-rote oder rot-rot-grüne Mehrheit ergibt. Das Saarland, über das in Bayern das Bonmot im Umlauf ist, es sei nur unwesentlich größer als der Landkreis Ansbach (was flächenmäßig stimmt), hat dem 73-jährigen Lafontaine viel zu verdanken. Zum Beispiel, dass es zeitweise als eine Art Modellregion für Deutschland galt. Das war in den 80er Jahren. Ministerpräsident Lafontaine, der als Student in die SPD eingetreten und mit 33 Jahren bereits Oberbürgermeister von Saarbrücken war, strebte außerhalb seines kleinen Bundeslandes nach Höherem: Er wurde stellvertretender SPD-Chef und Leiter der Arbeitsgruppe „Fortschritt 90“, die das „Regierungsprogramm“ für die Zeit nach der Bundestagswahl 1990 erarbeiten sollte. Lafontaines Aufstieg schien unaufhaltsam. Er wurde SPD-Spitzenkandidat für die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl 1990 und Herausforderer von CDU-Kanzler Helmut Kohl.
Dann der dramatische Rückschlag: Im April 1990 verletzte ihn eine geistesgestörte Frau lebensgefährlich mit einem Stich in den Hals. Erstaunlich schnell kam Lafontaine nach dem Attentat in die politische Arena zurück, aber die Nachwirkungen belasteten ihn noch lange. Die Karriere des Saarländers verlief in einem extremen Auf und Ab, wie es nur bei wenigen Politikern vorkommt. 1995 riss er mit einer fulminanten Rede die Delegierten auf dem SPD-Parteitag in Mannheim mit, die darauf ihn – anstelle von Rudolf Scharping – zum Parteichef wählten. Doch auch darauf folgte ein Dämpfer: Vor der Bundestagswahl 1998 erklärte sich Gerhard Schröder im Alleingang zum Kanzlerkandidaten – und gewann. Oskar Lafontaine blieb nur das Bundesfinanzministerium. Dieses Amt und den Parteivorsitz warf er im März 1999 hin und tauchte drei Tage lang unter, eher er eine wenig überzeugende Erklärung für seinen Hals-über-Kopf-Rücktritt lieferte: nämlich „schlechtes Mannschaftsspiel“. Doch, typisch Lafontaine, es ging für ihn noch einmal aufwärts. Er zog 2005 für die Linkspartei in den Bundestag ein. Er wurde sogar Fraktions- und Parteichef in einer Zeit, in der das Zusammenwachsen von Ost- und West-Linken teilweise schmerzlich verlief.
2010 zwang ihn eine Prostata-Krebserkrankung, sich ganz aus der Bundespolitik zurückzuziehen. Foto: Anand Anders