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BRÜSSEL: Neuer Schub für die Atomkraft?

BRÜSSEL

Neuer Schub für die Atomkraft?

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    Das AKW im belgischen Doel zählt zu den maroden Reaktoranlagen. Deutschland will, dass es stillgelegt wird.
    Das AKW im belgischen Doel zählt zu den maroden Reaktoranlagen. Deutschland will, dass es stillgelegt wird. Foto: Foto: Oliver Berg, DPA

    Deutschland gibt sich gerne als Missionar in Sachen Atomkraft. Lange bevor 2022 der letzte Meiler vom Netz gehen wird, umwirbt die Bundesrepublik bereits seinen belgischen Nachbarn, damit der die beiden maroden Reaktoranlagen Tihange und Doel endlich stilllegt. Derweil werden nur knapp 100 Kilometer weiter in der EU-Metropole Brüssel offenbar bereits neue Pläne für eine strahlende Zukunft geschmiedet.

    Schließlich solle die EU in Fragen der Kernenergie auch künftig eine technologische Führerschaft übernehmen, heißt es in einem Dokument, bei dem es sich angeblich um ein Strategiepapier der Behörde handelt und das gestern bekannt wurde. Doch Kommissionssprecher Margaritis Schinas versuchte schnell, das aufkommende Feuer auszutreten. Es handele sich lediglich um eine Diskussionsgrundlage von Fachleuten innerhalb der EU-Institutionen und „nicht um einen konkreten Vorschlag“. Schinas wörtlich: „Wenn zwei Wissenschaftler ein Papier teilen, ist das noch keine Meinung der Kommission.“

    Doch der Versuch einer Beruhigung misslang. Zu genau entsprechen die Positionen des Dokumentes der bisherigen Linie der Europäischer Kommission, die zwar beim Energiemix der Mitgliedstaaten nichts zu sagen hat. Allerdings steuert sie die Förderinstrumente, die zur Finanzierung genutzt werden könnten. So wird jetzt beispielsweise angeregt, Gelder des 315-Milliarden-Pakets, das Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Beginn seiner Amtszeit angestoßen hatte (offiziell heißt das Programm „Europäischer Fonds für strategische Investitionen“ EFSI), ebenso zu nutzen wie die Forschungstöpfe der EU. Weiteres Geld zur Investition in künftige Kernkraftwerke könnte die Hausbank der EU, die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg, beisteuern.

    Der Versuch, die Rahmenbedingungen für Investitionen in die Kernenergie von morgen zu verbessern, passt zu den Bemühungen Brüssels, neue Reaktortechnologien zu unterstützen und auch flexible Mini-Reaktoren zu ermöglichen, da diese CO2-arme Energiegewinnung für das Erreichen der Klimaschutzziele nahezu unumgänglich ist. Ähnliche Diskussion gab es auch früher immer wieder, weil die Kommission zumindest den Eindruck erweckte, auch Finanzmittel aus der Infrastrukturförderung für den Bau neuer Meiler bereitstellen zu wollen.

    Wenig freier Wettbewerb

    Dazu kam es zwar nicht, trotzdem zeigten sich frühere Kommissionen immer wieder mal erstaunlich flexibel gegenüber den eigenen Grundsätzen, wenn es um die Atomkraft ging. So erlaubte der langjährige Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia im Oktober 2014, also kurz vor dem Ende seiner Amtszeit, den Betreibern des seit 20 Jahren ersten neuen Reaktors in Großbritannien einen staatlich garantierten Abnahmepreis von rund 110 Euro pro Megawatt plus Inflationsausgleich für 35 Jahre. Mit freiem Wettbewerb hat das wenig zu tun tun.

    Zwar betreiben derzeit nur noch 14 Mitgliedstaaten Atomkraftwerke, aber zehn planen neue Anlagen. Dafür suchen die Konzerne dringend nach Finanzquellen, Brüssel könnte leicht in Versuchung kommen, helfend einzuspringen. Allerdings wird auch das Thema Sicherheit im Papier der Kommission, das keines sein soll, groß gespielt. So soll das Problem des Materialstresses bei älteren Anlagen ausführlich untersucht werden – dass die beiden maroden belgischen Anlagen dabei im Blickfeld sind, steht außer Frage. Ergebnisse sind aber erst für 2025 geplant. Vorausgesetzt, das Dokument schafft doch noch den Sprung, als offizielle Strategie der Kommission anerkannt zu werden.

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