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Berlin: Neuregelung der Psychotherapie: Über 200.000 Petitionen gegen Spahn

Berlin

Neuregelung der Psychotherapie: Über 200.000 Petitionen gegen Spahn

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    Mit solch einem Gegenwind hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht gerechnet, als er sein Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorlegte. An sich meint der CDU-Politiker es gut mit den Patientinnen und Patienten, denn er will mit dem Gesetz die Terminvergabe weiter verbessern. Es gibt jedoch einen Punkt in dem Gesetz, der bei Psychotherapeuten und psychisch Kranken einen Sturm der Entrüstung entfacht hat. Für psychisch kranke Menschen soll es Stufenregelung geben, bei der ein Experte zunächst die Dringlichkeit des Falls bewertet. Für die Opposition im Bundestag wäre ein solches Vorgehen für Patienten inakzeptabel. Der Koalitionspartner SPD lehnt das Vorhaben rundweg ab.

    Spahn sieht sich darüber hinaus mit einer der größten Online-Petitionen in der Geschichte des Bundestages konfrontiert. Genau 205.331 Menschen haben laut Bundestag die Petition unterzeichnet. Darin wird die Ablehnung des Gesetzentwurfes und die Zurückverweisung ans Gesundheitsministerium gefordert . Die Petenten fürchten unter anderem „einen Hürdenlauf“ für psychisch Kranke und Diskriminierung.

    „Die geplante gestufte und gesteuerte Versorgung würde den Verlust des Erstzugangsrechts des Psychotherapeuten und eine Einschränkung der freien Wahl des Psychotherapeuten bedeuten, die gerade hier so ausschlaggebend ist für den Behandlungserfolg ist“, bestätigte das Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Claudia Ritter-Rupp. Ein mehrstufiges Verfahren würde die Wartezeiten auf eine Psychotherapie verlängern, bedeute zusätzliche Hürden für psychisch kranke Menschen sowie eine Einschränkung ihres Rechts, sich hinsichtlich verschiedener Behandlungsverfahren frei entscheiden zu können.

    Der Psychotherapeut und Präsident der Psychotherapeuten Kammer Bayern (PTK), Nikolaus Melcop, kritisierte Spahns Idee ebenfalls. Eine gestufte und gesteuerte Versorgung greife das Erstzugangsrecht zu Psychotherapeuten an. „Durch den vorgesehenen Zwischenschritt werden neue Engpässe für psychisch kranke Menschen geschaffen, statt einen schnelleren Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung zu ermöglichen“, erklärte Melcop.

    Der Experte stellte auch das eigentliche Ansinnen Spahns, also eine schnellere Terminvergabe, in Zweifel. „Eine Verkürzung der Wartezeit auf einen Therapieplatz wäre von der vorgesehenen Maßnahme gerade nicht zu erwarten, da Kapazitäten und Ressourcen für die zusätzliche Steuerungsinstanz der Versorgung entzogen würden und ein obligatorischer Zwischenschritt eingeführt würde, der seinerseits weitere Zeit bis zum Beginn einer indizierten psychotherapeutischen Behandlung binden würde“, erklärte er. Zudem müssten die Patienten ihre Sorgen und Probleme einer weiteren Person anvertrauen und sich dieser öffnen.

    Melcop schlug vor, stattdessen die Zulassungsbeschränkungen für die Bedarfplanungsgruppe der Psychotherapeuten teilweise aufzuheben. Außerhalb der Ballungszentren könne das als „Sofortprogramm für kürzere Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz funktionieren“.

    Rückendeckung bekommen Therapeuten und Patienten von der SPD-Bundestagsfraktion. Deren Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bekräftigte im Gespräch mit unserer Redaktion, dass seine Partei das Gesetz so nicht mittragen werde. „So kurzfristig, wie das jetzt angedacht ist, finden wir dazu keine Lösung“, sagte Lauterbach. Sinnvoller sei es, die umstrittenen Regelungen aus dem TSVG herauszunehmen. „Darauf wird es wohl hinauslaufen, weil wir das so schnell nicht vereinbaren werden“, sagte der SPD-Politiker.

    Anderenfalls bestehe die Gefahr, „dass wir da etwas beschließen, was weitere Hürden aufbaut für die Patienten, die ohnedies nur schwer Zugang haben“, sagte Lauterbach. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Mediziner kündigte „eine weitere Runde insbesondere mit den Patientenvertretern sowie mit den psychotherapeutischen Verbänden an“. Man sei dazu bereits „im Prozess der Einladungen“.

    Der gescholtene Bundesgesundheitsminister will sich der Debatte stellen. „Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die hier vorgeschlagene Regelung verbesserungsfähig ist: Prima!“, sagte Spahn bei der ersten Debatte zum TSVG im Bundestag. Er wisse genau, „aus persönlichem Erleben in der eigenen Familie, im engsten Umfeld“, was eine psychische Erkran­kung sei und was sie für die Betroffenen und die Familie bedeute.

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