Paul Lehrieder gehört zu den Ausnahmen, wenn er sagt: „Ich plane, den ESM abzulehnen.“ Während der Großteil der mainfränkischen Abgeordneten dem Gesetzespaket aus Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalpakt am heutigen Freitag im Bundestag zustimmen möchte, hält der CSU-Abgeordnete aus Gaukönigshofen (Lkr. Würzburg) die Risiken für zu groß.
Lehrieder begründet diese Haltung mit den mangelnden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Staaten, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten. „Wir bräuchten mehr Kontrolle und vor allem ein Ausschlusskriterium“, so Lehrieder. Er könne sich durchaus einen kleineren Euroraum vorstellen. Die Schuldenbremse hält er indes für den richtigen Weg, deswegen erhält der Fiskalpakt seine Zustimmung.
Deutlich weiter in seiner Kritik geht der Schweinfurter Abgeordnete Klaus Ernst von der Linken. Seine Partei wird gegen die Gesetzesvorlagen stimmen und hat bereits Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. „Beide Gesetze sind verfassungswidrig“, so Ernst. „Sie beschneiden das Königsrecht des Bundestages, das Haushaltsrecht.“ Darüber hinaus hält der Abgeordnete sowohl ESM als auch Fiskalpakt für die falsche Therapie nach einer falschen Diagnose: „Verantwortlich für die Staatsschulden sind die Banken, die der Staat wegen ihrer Zockerei retten musste.“ Die Probleme könnten nicht durch Sparen, sondern nur durch positive wirtschaftliche Entwicklung gelöst werden. „Völlig unverständlich“ sei ihm das Verhalten der anderen Oppositionsparteien, die sich mit ihrem Kompromiss auf den „neoliberalen Kurs“ der Regierung eingelassen und dazu beigetragen hätten, dass das europäische Sozialmodell in Südeuropa außer Kraft gesetzt wird.
„Wir werden die Regierung an ihren Versprechen messen“, entgegnet Susanne Kastner, SPD-Abgeordnete aus Maroldsweisach (Lkr. Haßberge). Dazu gehöre unter anderem eine Beteiligung der Banken über eine Finanztransaktionssteuer sowie der Wachstumspakt. Die Länder dürften sich nicht zu Tode sparen. Das Gesetzespaket, dem sie zustimmen wird, sei ein wichtiger Anfang.
Ihr SPD-Parteikollege Frank Hofmann aus Volkach (Lkr. Kitzingen) ist sich indes noch nicht sicher, wie seine Entscheidung ausfallen wird. Bis zuletzt möchte er die Folgen für die Rechte des Parlaments einerseits und das Signal für den Markt andererseits abwägen. „Es kämpfen alle mit sich“, glaubt der Abgeordnete.
Das gilt auch für die Grünen, bei denen die Diskussionen seit einer knappen Parteitagsentscheidung anhalten. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Josef Fell (Hammelburg, Lkr. Bad Kissingen) hält es für legitim, wenn Einzelne die Gesetze ablehnen: „Es ist schließlich eine schwerwiegende Entscheidung.“ Er selbst stimme aber guten Gewissens zu. Beide Gesetze seien notwendig, denn die Auswirkungen der Krise steckten noch in ihren Anfängen: „Wir dürfen nicht zulassen, dass der Euroraum weiter zusammenbricht.“
Keinen Zweifel an seiner Zustimmung lässt Joachim Spatz, FDP-Abgeordneter aus Würzburg: Für die Stabilisierung der Währung sei der Dreiklang aus Solidarität, Solidität und Stimulierung von Wachstum richtig, Zudem spricht er sich gegen „jedwede unkontrollierte Geldvermehrung“ aus und warnt vor den unvorhersehbaren Folgen einer Staatspleite. Er rechnet nicht damit, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetzespaket kippt.
„Die Richter und der Bundespräsident werden mit der Materie verantwortungsvoll umgehen“, glaubt CSU-Abgeordnete Dorothee Bär (Ebelsbach, Lkr. Haßberge). Sie befürwortet ESM und Fiskalpakt: „Die Lasten der Eurorettung werden damit fairer verteilt.“ Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Lehrieder hält sie die Sanktionen für ausreichend. Auch die CSU-Abgeordneten Michael Glos (Prichsenstadt, Lkr. Kitzingen) und Wolfgang Zöller (Obernburg, Lkr. Miltenberg) wollen den Gesetzen zustimmen.
Fiskalpakt
Länder, die mehr Geld ausgeben als sie einnehmen, müssen Schulden machen und diese wieder abzahlen. Besonders schlimm ist die Lage in Griechenland: Das Land bekommt große Geldhilfen von der EU, damit es vor dem Bankrott bewahrt werden kann. Mit dem Fiskalpakt, der offiziell „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion" (SKS-Vertrag) genannt wird, verpflichten sich die Unterzeichnerländer – alle EU-Staaten bis auf Großbritannien und Tschechien – zu strikterer Haushaltsdisziplin. Zudem wollen die Unterzeichnerländer eine verpflichtende Schuldenbremse in ihrer nationalen Verfassung verankern. Dadurch akzeptieren sie, dass der Fiskalpakt unkündbar ist. Text: dpa/sm